Woraus die Mama von kleinen Zwillingen jetzt hofftLucia (33) hat ME/CFS: „Durchhalten wird von Tag zu Tag schwieriger“

Lucia mit ihrem Mann und ihren Zwillingen.
Hoffnungslosigkeit, Schmerz, Verzweiflung - die Krankheit Myalgische Enzephalomyelitis macht Lucia seit fast zwei Jahren das Leben zur Hölle
GoFundMe, privat
von Natascha Weigelt

Wenn das Leben plötzlich stillsteht. Wenn einfach nichts mehr geht.
Reisen, mit Freunden eine unbeschwerte Zeit verbringen, mit den Kindern herumtollen – all diese alltäglichen Dinge sind für Lucia aus Limeshain (Hessen) seit nunmehr fast zwei Jahren unmöglich. Die 33-Jährige leidet an der neuroimmunologischen Erkrankung ME/CFS, die ihr alle Kraft raubt. Mit einem GoFundMe-Aufruf wollen ihre Freundinnen ihr jetzt Hoffnung schenken - Hoffnung, nach der sich die junge Mutter so sehr sehnt.

Lucia ist ans Bett gefesselt: „Mama kann leider nicht, Mama ist krank“

Als ihre Freundinnen Lucia 2011 im Sportstudium in Bayreuth kennenlernen, sind sie sofort von ihrer fröhlichen und lebensfrohen Art eingenommen. Lucia strahlt, bringt einfach alle zum Lachen. Doch dann die dramatische Wende: Im Oktober 2022 erkrankt die junge Frau an einer myalgischen Enzephalomyelitis, auch Chronisches Fatigue Syndrom genannt (ME/CFS).

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Nach einer Corona-Infektion ist alles anders. Die Energie ist weg, der Körper streikt. Lucia ist zu 100 Prozent bettlägerig, muss den ganzen Tag auf dem Rücken liegen. Wollen ihre kleinen Zwillinge spielen, muss sie sie vertrösten: „Mama kann leider nicht, Mama ist krank“. Schließlich bleibt der Familie keine Wahl: Lucia, ihr Mann und die beiden Kinder verlassen ihr geliebtes Zuhause in Rostock und ziehen zurück nach Hessen in Lucias Elternhaus. Dort lebt die Familie im Ausnahmezustand.

Schlaflosigkeit, Muskelschmerzen und Erschöpfung – wie Burn-out mit Dauergrippe

In Deutschland leiden aktuell mindestens 500.000 Menschen an ME/CFS. Die Dunkelziffer ist weit höher, die Zahl steigt stetig. Ausgelöst wird die Krankheit meist durch eine Virusinfektion wie das Pfeiffersche Drüsenfieber, auch Coronaviren können ursächlich sein. Die Symptome sind zunächst oft vergleichbar mit denen einer Grippe. Doch während die in der Regel irgendwann auskuriert ist, bleibt das Fatigue-Syndrom und macht Betroffene schlimmstenfalls zum Pflegefall. Durch die anhaltende geistige und körperliche Erschöpfung verfallen außerdem viele Patienten in eine Depressionen.

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Da der Krankheitsprozess noch nicht ursprünglich geklärt ist, gibt es bisher auch keine Therapie. Die meisten Behandlungen orientieren sich laut der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS e.V. am Prinzip des „Pacing”: Dem Körper wird allmählich beigebracht, sich an die neue Lebenssituation zu gewöhnen und sich seine Energie optimal einzuteilen.

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Letzte Hoffnung Immunglobulin-Therapie

Lucia sehnt sich nach ihrem früheren Leben: „Mein Herz bricht jeden Tag hunderte Male”, sagt die 33-Jährige. Wie bei so vielen anderen sind auch bei ihr sämtliche Therapieversuche bislang gescheitert. Die letzte Hoffnung der Zwillingsmama: eine Immunglobulin-Therapie, die sie dank der großen Spendenbereitschaft jetzt endlich angehen kann. Hierbei wird das Immunsystem durch die Zufuhr von Antikörpern unterstützt - die einzige Therapie, die in ME/CFS-Einzelfällen angeschlagen und geholfen hat. Die Behandlung ist sehr teuer und wird nicht von der Krankenkasse getragen.

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Weitere Spenden will die junge Mutter in die Forschung investieren, um auch anderen die Option auf eine Behandlung zu ermöglichen. Heute weiß Lucia, dass Gesundheit ein riesiges Geschenk ist: „Ich brauche einen Hoffnungsschimmer. So wie all die anderen Betroffenen auch. Wir brauchen Forschung und Therapien, die Diskussion um Psychosomatik ja oder nein muss endlich aufhören und wir brauchen PolitikerInnen, ÄrztInnen und Menschen, die nicht länger wegschauen. Wir brauchen das dringend, denn die Hoffnung stirbt jeden Tag ein bisschen mehr und das Durchhalten wird von Tag zu Tag schwieriger!“

Lucia liegt im Bett und kann nicht aufstehen.
Durch ihr MC/CSF ist Lucia tagtäglich ans Bett gefesselt, kann sich an schlechten Tagen nicht einmal selbst die Zähne putzen.
GoFundMe, privat

Riesige Anteilnahme: „Wir sind zutiefst berührt”

Das Spendenziel auf GoFundMe von 50.000 Euro wurde bereits binnen kürzester Zeit übertroffen. „Meine Familie und ich sind zutiefst berührt und absolut sprachlos über die enorme Unterstützung und Anteilnahme, die wir erfahren durften“, sagt die 33-Jährige. Jede Spende nährt Lucias Hoffnung auf eine Rückkehr in die Normalität. Eine Normalität, die, so zeigt dieser Fall eindrücklich, alles andere als selbstverständlich ist.