„Eine unterschätzte Erkrankung”Keuchhusten-Welle in Deutschland! Experten schlagen Alarm

Sick woman with flu at home.
Keuchhusten-Attacken gehen oft mit Erbrechen einher.
BakiBG

Hustenattacken, die über Wochen bleiben.
Dieses Jahr gibt es in Deutschland extrem viele Fälle von Keuchhusten. Mit einer normalen Schwankung hat das für einige Experten nichts mehr zu tun. Für wen eine Infektion gefährlich werden könnte und was ihr über Impfschutz und Auffrischung wissen müsst.

Neuer Höchststand seit 2017: Schon 22.500 Keuchhusten-Fälle in Deutschland gemeldet

Schon im August wurde vor steigenden Keuchhustenzahlen gewarnt. Nun schlagen Experten abermals Alarm: Rund 22.500 laborbestätigte Fälle mit Angaben von Symptomen sind bislang an das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet worden (Stand 21. November). So hoch waren die Zahlen in den vergangenen zehn Jahren nicht. Im Jahr 2023 wurden laut RKI zum Beispiel nur rund 3.430 Fälle registriert. Die meisten gab es zuletzt 2017 mit rund 16.829 gemeldeten Fällen.

„Es gibt natürliche Schwankungen und es kommt alle paar Jahre zu einer stärkeren Saison”, sagte der Direktor der Infektiologie der Berliner Charité Leif Erik Sander der Deutschen Presse-Agentur. „Dieses Jahr liegt aber deutlich außerhalb der normalen Schwankungen.”

Die Situation sei nicht mit einer Pandemie vergleichbar, aber die Belastung durch Atemwegsinfekte wie Keuchhusten in den Kinderarztpraxen und Kinderkliniken sei hoch.

Was steckt hinter den vielen Keuchhusten-Fällen?

Auch Tanja Brunnert, Sprecherin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte bestätigt, dass sich das in den Kinderpraxen auf jeden Fall bemerkt gemacht hat. Vor allem ältere Kinder im Teenageralter seien dieses Jahr betroffen. Das zeigen auch die Daten des RKI: Die meisten Fälle wurden demnach dieses Jahr bei Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 16 Jahren gemeldet. „Viele hatten anhaltend quälenden Husten”, erklärt die Kinderärztin.

Eine mögliche Erklärung für die hohen Zahlen sind laut Sander sogenannte Nachholeffekte nach der Corona-Pandemie. Während der Pandemie hatten viele Menschen wegen der Infektionsschutzmaßnahmen keinen Kontakt mit dem Keuchhusten-Erreger. Dadurch habe die Immunität in der Bevölkerung abgenommen, weshalb nun mehr Menschen erkrankten. Außerdem sei es möglich, dass mehr auf Keuchhusten getestet würde.

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Zwischen null und sechs Todesfälle pro Jahr: Für wen ist Keuchhusten besonders gefährlich?

Insbesondere für Säuglinge könne eine Keuchhusten-Infektion laut RKI gefährlich werden. Sie könne zu schweren Hustenanfällen, Krämpfen der Stimmlippen, Atemaussetzern und Erbrechen führen. Ein hoher Anteil aller Krankenhausbehandlungen und fast alle Todesfälle betreffen laut RKI junge, ungeimpfte Säuglinge unter sechs Monaten. Todesfälle durch Keuchhusten kommen in Deutschland zum Glück aber nur sehr selten vor.

Dieses Jahr sind nach Informationen des RKI bislang vier Menschen an Keuchhusten gestorben, wie eine Sprecherin mitteilte. In den vergangenen Jahren seien dem RKI pro Jahr zwischen null und sechs Todesfälle im Zusammenhang mit einer Keuchhustenerkrankung übermittelt worden.

Hohe Fallzahlen sind „weltweites Phänomen”

Übrigens: Nicht nur in Deutschland sind die Zahlen hoch. „Es ist ein weltweites Phänomen”, erklärte der Arzt. In den USA etwa wurden nach Daten der Gesundheitsbehörde CDC bis zum 10. November rund 23.500 Fälle gemeldet. Das sind fünfmal so viele Fälle wie im gleichen Zeitraum des Jahres 2023.

In der Regel mache der Erreger nicht schwerkrank, erklärte Sander. Trotzdem sollte man die Krankheit aber nicht auf die leichte Schulter nehmen. „Es ist eine unterschätzte Erkrankung.” Fast immer beginne sie mit normalen Erkältungssymptomen wie Schnupfen und leichtem Husten. Wenn die akute Infektion abklinge, könne ein hartnäckiger Reizhusten einsetzen, der vier bis sechs Wochen andauern könne.

Ärzte raten zur Pertussis-Impfung – was ihr über Grundimmunisierung, Auffrischung und Kosten wissen müsst

Aus diesem Grund sagt Tanja Brunnert vom Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte: „Wir raten sehr dringend, eine Impfung wahrzunehmen.”

Wer sollte sich wann gegen Keuchhusten (Pertussis) impfen lassen?

  • Säuglinge: Für Neugeborene werden in Deutschland drei Impfungen im Alter von zwei, vier und elf Monaten empfohlen. Die Impfung schütze sehr gut vor komplizierten Verläufen, eine Infektion könne man aber nicht immer verhindern, erklärte die Kinderärztin.

  • Kinder: Der Impfschutz sollte im Alter von 5 bis 6 Jahren und im Alter von 9 und 17 aufgefrischt werden.

  • Erwachsene: Auch für Erwachsene wird eine Auffrischungsimpfung empfohlen. Das RKI schreibt dazu: „Erwachsene sollten bei der nächsten fälligen Tetanus- und Diphtherie-Auffrischung zusätzlich gegen Pertussis geimpft werden.”

Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Impfung insbesondere auch für Schwangere, die so auch ihr Neugeborenes schützen können. Allerdings werde das laut Brunners Erfahrung aber noch viel zu selten gemacht.

Übrigens: Keuchhusten-Impfungen werden sowohl für Säuglinge, als auch für Kinder und Erwachsene von gesetzlichen und privaten Krankenkassen übernommen.

Keuchhusten erkennen: Bei diesen Symptomen solltet ihr hellhörig werden

Folgende Symptome, die sich nach ca. ein bis drei Wochen nach Infektion bemerkbar machen, können auf die Atemwegserkrankung hindeuten:

  • Schnupfen

  • leichter Husten

  • Heiserkeit

  • gerötete Bindehäute

  • leichtes Fieber

In der zweiten Phase, die vier bis sechs Wochen andauert, kommt der charakteristische Keuchhusten zum Vorschein, der sich in wiederholten krampfartigen Hustenanfällen bis hin zur Atemnot äußert.

Oft dauert die stakkatoartige Hustenattacke minutenlang. Sie endet mit einem juchzenden Einatemgeräusch, das durch einen Kehlkopfkrampf verursacht wird. Meist würgen die Betroffenen anschließend zähen Schleim aus, manchmal erbrechen sie auch.

Bis zur vollständigen Ausheilung kann bis zu einem Vierteljahr vergehen. (vho, mit dpa)