Dürfen Erzieher über Christkind und Co. aufklären?„Der Nikolaus ist tot!” Kita schockt Eltern mit Skandal-Enthüllung

Ein Junge sitzt auf dem Schoß vom Nikolaus / dem Weihnachtsmann.
Eine verärgerte Mutter hat uns via RTL-Zuschauerpost mitgeteilt, dass die Erzieher im Kindergarten den Kindern erzählt hätten, dass der Nikolaus gestorben sei. Eigentlich richtig, da der „echte” Nikolaus von Myra vor Jahrtausenden lebte. Doch die Illusion der symbolischen Figur einfach so aufzulösen? Schwierig! (Symbolbild)
iStock: inhauscreative
von Vera Dünnwald

„Der Nikolaus ist gestorben.”
An sich ist diese Aussage nicht falsch. Schließlich hat der christliche Heilige mit dem Gedenktag am 6. Dezember vor Tausenden von Jahren gelebt und KANN 2024 natürlich nicht mehr leben. Doch um Nikolaus von Myra ranken sich seit jeher verschiedene Mythen, die vor allem bei Kindern beliebt sind: So trägt der Bischof einen roten Mantel, tut oft Gutes und steckt braven Kindern jährlich schon vor Heiligabend kleine Geschenke in den Stiefel. Die beliebte Figur ist für viele wichtiger Bestandteil von Weihnachten. Was also tun, wenn jemand anderes den Zauber um die symbolträchtige Figur enthüllt?

Nach Nikolaus-Besuch im Kindergarten kommt Tochter (4) verwirrt nach Hause – aus DIESEM Grund

Eine verärgerte Mutter, die in der Öffentlichkeit nicht namentlich erwähnt werden möchte, hat uns über die RTL-Zuschauerpost kontaktiert. In ihrer Nachricht schreibt sie, dass man im Kindergarten ihrer Tochter (4) den Kindern die Illusion des Nikolaus genommen habe.

Die Situation sei wie folgt abgelaufen: Vor wenigen Tagen, traditionsgemäß am 6. Dezember, stattete ein Mann im Nikolauskostüm der Kindertagesstätte „Kindergartenverein Brünen e.V. ‘Mühlenbergkinder’ & Familienzentrum” einen Besuch ab.

„Im Kindergarten wird jedes Jahr der Nikolaus gefeiert. Die Kinder geben die Woche zuvor Nikolaussocken ab, die aufgehängt werden. Ein paar Tage vor dem Nikolaus-Besuch verschwinden die Socken und werden dann am 6. Dezember vom Nikolaus gefüllt wieder mitgebracht. So war es die letzten Jahre”, erklärt die Mutter im Gespräch mit RTL.

Dieses Jahr passierte jedoch etwas Unerwartetes: Ihre vierjährige Tochter kommt nach besagtem Tag verwirrt nach Hause und fragt, wer denn bei ihnen zu Hause den Stiefel vollgemacht hätte. „Daraufhin habe ich gesagt, dass der Nikolaus doch heute da war, worauf mir mein Kind antwortete: ‘Nein, im Kindergarten haben die gesagt, der ist gestorben und dass das nur ein Spiel war.’

Ein Schock für die Mutter, die sich gar nicht erklären kann, woher ihre vierjährige Tochter das hat! Hat etwa eines der älteren Kindergartenkinder oder ein älteres Geschwisterkind hier ungewollte „Aufklärung” betrieben? Daraufhin lässt die Mutter nicht locker und entscheidet sich dazu, im Kindergarten nachzufragen. Dort bestätigt man ihr die folgende Geschichte.

Nikolaus-Figur vermittelt Kindern wichtige Werte und sorgt für Vorfreude

Es sei jemand in die Kindergartengruppe gekommen, der sich vor den Augen der Kinder verkleidet habe. Dann habe man den Kindern die Wahrheit gesagt – denn so stünde es ja schließlich in den Büchern, dass der Nikolaus vor vielen Jahren gelebt habe – und nun logischerweise tot sei. „Ich als Mama habe mich total übergangen gefühlt, ich hätte mir vorher eine Info dazu gewünscht. Meine Tochter ist vier Jahre alt, abends mit einer solchen Vorfreude ins Bett gegangen und morgens so glücklich aufgewacht und kam dann ganz erschüttert am Ende des Tages nach Hause”, erzählt uns die empörte Mutter weiter.

„Ich finde es sehr schade, weil diese Zeit – gerade auch als Familie – so schön ist und es Spaß macht, diese magischen Phasen mit den Kindern zu erleben und zu gestalten. Das wurde uns jetzt kaputt gemacht”, bringt sie das Ganze auf den Punkt. Sie habe sich mit vielen anderen Eltern ausgetauscht, die von dieser Aktion ebenfalls wenig begeistert sind.

Die Figur des Nikolaus und sein Tag, der 6. Dezember, sind eine alte Tradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wird und nicht nur die Vorfreude auf Weihnachten steigern, sondern uns auch an Werte wie Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe erinnern soll.

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Deswegen kritisiert die Mutter ganz besonders, dass es keine Vorab-Information gegeben habe: „Wenn es im Voraus klar gewesen wäre, hätte jede Familie für sich entscheiden können, ob sie ihr Kind an dem Tag in den Kindergarten schickt. Aber es kam einfach so gar nichts, wir haben es nur über unsere Kinder erfahren. Da sind wir wirklich sauer drüber.”

Gerechtfertigt? Oder übertrieben?

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„Nikolaus ist tot”-Aussage findet auch der Experte schwierig

Nikolaus, Christkind, Osterhase und Co. fördern die kindliche Fantasie, erklärt der Psychologe. Für die Auflösung dieser Illusion sei nur den Eltern vorbehalten.
Nikolaus, Christkind, Osterhase und Co. fördern die kindliche Fantasie, erklärt der Psychologe. Die Auflösung dieser Illusion sei nur den Eltern vorbehalten.
iStock: slobo

Psychologe Michael Thiel stimmt den verärgerten Eltern zu: „Ich finde es sehr problematisch, Kindern ohne Einverständnis der Eltern diese Illusion zu nehmen. Mythische Figuren wie der Nikolaus oder der Osterhase fördern die kindliche Fantasie und symbolisieren in vielen Familien Traditionen, Rituale und Werte. Das Auflösen dieser Illusion ist eine Entscheidung, die natürlich den Eltern vorbehalten bleibt”, erklärt er uns im RTL-Interview.

Er sagt, die Erzieher hätten sensibler handeln sollen, da solche Themen stark von der jeweiligen Familienkultur abhängen. Eine pauschale Aussage, dass der „echte” Nikolaus gestorben sei, könne Kinder verwirren und Eltern zudem vor den Kopf stoßen.

Ein schwieriges Unterfangen! Schließlich haben die Erzieher per se nicht gelogen, der Nikolaus als solcher ist nun mal tot. Doch die symbolische Figur, die über die Jahre hinweg entstanden ist, die ist und bleibt zeitlos.

Wie hätte man es also besser machen können? Dazu sagt der Psychologe: „Zur Erklärung, dass es sich um (Schau)Spiel handelt, hätte in neutralerer Form vermittelt werden können, ohne den ‘Zauber’ direkt zu zerstören. Zum Beispiel hätte man sagen können, dass ‘ein Helfer des Nikolaus‘ da ist, weil er nicht überall gleichzeitig sein kann. Damit wäre die Illusion bewahrt geblieben, ohne bewusst ‘die Wahrheit’ aufzudecken.”

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Und wie ging es für die Mutter aus der RTL-Zuschauerpost und ihre Tochter (4) weiter?

So ähnlich hat es auch die Mutter aus der RTL-Zuschauerpost gelöst: Sie habe ihrer vierjährigen Tochter gesagt, dass jemand anderes für den Nikolaus eingesprungen ist, weil er ja so viele Kinder überall auf der Welt besuchen muss, und nur so garantieren kann, dass alle versorgt und glücklich sind. Ihre Tochter habe sich unterdessen zusammengereimt, dass der Nikolaus im Himmel wohne (vermutlich basierend auf der Aussage, dass er gestorben ist), aber ja zum Glück zaubern könne, weswegen er ab und zu zu uns auf die Welt kommen könne.

Thiel findet die Lösung gut, da sie zeige, wie man einfühlsam und auf kreative Weise eine Balance zwischen Wahrheit und Fantasie finden kann. Er erklärt: „Die Mutter hat ihrem Kind eine Erklärung gegeben, die kindgerecht und fantasievoll ist, ohne die Werte der Tradition zu entwerten. Dadurch konnte sie die Verwirrung des Kindes mindern und gleichzeitig dessen Fantasie respektieren.”

Und fügt hinzu: „Die Vorstellung, dass der Nikolaus im Himmel wohnt, aber zaubern kann, zeigt, dass das Kind die Informationen kreativ verarbeitet hat – ein gesundes Zeichen für eine aktive Fantasie.”

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Wann Kinder über Nikolaus und Co. aufklären? Psychologe gibt Tipps

Wenn Eltern nun Sorge vor einer ähnlichen Situation oder eine solche vielleicht bereits durchlebt haben, hat der Experte ein paar Tipps auf Lager. Schließlich stehen Eltern in solchen Momenten vor einer schwierigen Herausforderung.

Es gebe zwei Möglichkeiten:

  1. Die Illusion bewahren: „Dies wäre besonders sinnvoll, wenn das Kind noch stark an die Figur glaubt. Dann sollte die kindliche Fantasie bewahrt werden. Kinder verarbeiten Informationen oft auf kreative Weise und ziehen ihre eigenen Schlüsse.”

  2. Einen behutsamen Übergang zur Wahrheit gestalten: „Wenn ein Kind direkt fragt oder Zweifel hegt, kann man auf eine altersgerechte Weise die Wahrheit vermitteln, ohne die Tradition zu entwerten. Man könnte zum Beispiel erklären, dass der Nikolaus eine symbolische Figur ist, die für Freude, Großzügigkeit und das Miteinander steht.”

Wann man Kindern endgültig reinen Tisch machen sollte, lasse sich so pauschal nicht sagen. „Es gibt keine festgelegte Altersgrenze, aber einige Richtlinien, die je nach Entwicklungsstand des Kindes flexibel angewendet werden sollten”, erklärt Thiel.

  • Drei bis sechs Jahre: Kinder in diesem Alter sind in einer Phase magischen Denkens und genießen solche Illusionen.

  • Sieben bis neun Jahre: In diesem Alter beginnen viele Kinder, Realität und Fantasie zu unterscheiden. Sie hinterfragen mehr und sind oft bereit, die Wahrheit auf eine symbolische Art zu verstehen.

  • Ab zehn Jahren: Spätestens in diesem Alter wissen die meisten Kinder, dass die mythischen Figuren nicht real sind, behalten aber oft positive Erinnerungen an die Tradition.

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Was sagen die Erzieher? Kindergarten bezieht Stellung

In einer Stellungnahme teilt uns Karl-Hermann Hecheltjen, Geschäftsführer des Kindergartenvereins Brünen e.V., mit, dass man den Eltern im Nachgang in einem Schreiben erklärt habe, wie es zu der Aufklärungsentscheidung und der Vorgehensweise gekommen sei. Und, dass man auch im Zuge dessen auf die Kritik eingehen wolle.

Generelles Ziel des Kindergartens sei es, „stets im besten Interesse” der Kinder zu handeln und den Eltern „ein transparentes Verständnis für unsere Erziehungsansätze und die pädagogischen Entscheidungen zu vermitteln.”

Man habe die „wahre Geschichte über den heiligen Nikolaus” erzählen wollen, um deutlich zu machen, dass er kein realer Mensch und somit eine historische Figur sei – und keine magische, mythische oder übernatürliche Figur. „Damit fördern wir ein realistisches und respektvolles Verständnis der Geschichte und der Traditionen rund um den Nikolaus”, so der Kindergarten. Und so sollen die Kinder lernen, „dass der wahre Nikolaus durch seine Taten und nicht durch magische Kräfte wirkt.”

Dadurch solle zudem kritisches Denken gefördert werden, was am Ende die kognitive und moralische Entwicklung der Kinder fördere.

Warum sich der verkleidete Nikolaus vor den Kindern umgezogen hat, begründet Hecheltjen wie folgt: „Kinder können manchmal Angst haben, wenn sie eine unbekannte, maskierte oder verkleidete Figur treffen.” Durch das Zusehen beim Umziehen sollen sie sich sicherer fühlen, was Vertrauen schaffe.

Wichtig sei ihnen, „den Kindern die Bedeutung von Mitgefühl, Geben und Erinnern auf eine altersgerechte und verständliche Weise nahezubringen”. Eben all das, wofür Nikolaus von Myra stand und bis heute noch steht.

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