„Hab mich total ekelig gefühlt“Minas Vinted-Fotos landen auf „unzähligen Pornoseiten“

Hunderte Fotos von Mina Camira landeten auf Pornoseiten.
Hunderte Fotos von Mina Camira landeten auf Pornoseiten.
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„Das sind nicht nur zwei, drei Fotos!“
Allein in Deutschland soll Vinted laut verschiedenen Medien zwischen neun und elf Millionen aktive Mitglieder haben. Immerhin bietet die App an, leicht und schnell Kleidung zu verkaufen und Schnäppchen zu kaufen. Doch genau das ist Mina Camira zum Verhängnis geworden. Ihre Vinted-Fotos wurden gestohlen und auf Pornoseiten verbreitet – hundertfach! Obwohl sie dagegen vorgeht, sind ihre Bilder und Daten auch Monate später weiterhin genau dort zu finden, wie sie im Interview mit RTL erklärt.

Mina Camira landet ungewollt auf Pornoseiten: „Die beobachten mich halt seit zwei Jahren”

Was die 22-jährige Studentin aus Köln erlebt, macht einfach nur fassungslos – und ist trotzdem kein Einzelfall. Jahrelang nutzt sie die App „Kleiderkreisel“, die 2020 in „Vinted“ umgenannt wird. Was Mina Camira jedoch nicht weiß: Sie wird nicht nur auf der App immer wieder belästigt und bekommt aufdringliche Nachrichten, ihre Fotos, die sie auf die App hochlädt, um ihre Kleidung zu verkaufen, werden geklaut und auf Pornoseiten hochgeladen. „Das waren einfach nur Tragefotos“, sagt die Kölnerin. „Man sieht nicht mal mein Gesicht, das ist einfach nur ein Frauenkörper mit einem Kleidungsstück.“

Im Juli 2025 entdeckt dann ein Freund ihre Fotos auf Pornoseiten: „Er hat bei Google nach meinem damaligen Instagram-Namen gesucht und dann sind dort 20 bis 30 verschiedene Pornoseiten aufgetaucht“, erinnert sich Mina Camira. Gefüttert sind sie mit Fotos von ihren Vinted-Angeboten, aber auch mit Fotos und Beiträgen von Instagram und Co. „Ich hab am Anfang gedacht, der veräppelt mich. Warum ich? Ich hab mich total ekelig gefühlt.“ Erst am nächsten Morgen begreift die 22-Jährige das Ausmaß: „Ich hab voll den Mental Break down bekommen. Ich habe voll geheult und dachte, ich will einfach nur, dass das weggeht.“

„Es sind halt wirklich unzählige Pornoseiten“, sagt die 22-Jährige. „Auf manchen sind ganze Accounts von mir erstellt worden, einer ist zum Beispiel vor zwei Jahren erstellt worden.“ Im Fall von Mina Camira geht es um Hunderte Fotos. „Das ist so unheimlich. Ich hatte damals nicht mal 500 Follower, ich war eine Privatperson und plötzlich landet man in so einem Forum.“

„In den Foren ist auch alles verlinkt, da sind Links zu meinen ganzen Social Medias“, so die Studentin weiter. Neben den gesichtslosen Vinted-Fotos wurden so auch Selfies oder Fotos von Mina und ihren Freundinnen auf den Seiten hochgeladen. „Und da updaten dann immer andere Leute, die dafür Geld zahlen, wenn ich was Neues poste.“ Teilweise gehe es sogar um Instagram-Storys, die maximal 24 Stunden online waren, erklärt sie weiter. „Also richtig gruselig, die sind richtige Stalker, die beobachten mich halt seit zwei Jahren und da können sie sich auch austauschen. Das ist richtig krank.“

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Auch acht Monate später sind ihre Fotos weiterhin auf Pornoseiten

Mittlerweile ist die Scham von damals verflogen. Genau wie Gisèle Pelicot ist sich Mina Camira sicher: Die Scham muss die Seite wechseln. „Betroffene sind nie schuld, es sind immer die Täter.“ Und genau die müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Denn genau das ist in Minas Fall leider noch nicht passiert. Die Anzeige, die sie kurze Zeit nach der bitteren Erkenntnis gestellt hat, wurde eingestellt.

„Weil nach Prüfung der Sach- und Rechtslage keine konkreten und erfolgversprechenden Anhaltspunkte zur Ermittlung eines mutmaßlichen Täters erkennbar waren“, erklärt ein Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft auf Nachfrage von RTL. „Eine Identifizierung der mutmaßlich für die Verbreitung Bildmaterials verantwortlichen Person war nach hier durchgeführter Prüfung demnach nicht möglich.“ Für Mina Camira schwer zu begreifen.

Zeitgleich wendet sie sich an Google und an die Betreiber der Pornoseiten und hofft, dass die Accounts von ihr so gelöscht werden. Doch auch da stößt sie schnell an ihre Grenzen. „Ein paar Sachen wurden gelöscht“, sagt sie. „Aber es ist halt immer noch so, dass so viele online sind. Es macht wirklich keinen Unterschied.“ Allein ein Profil habe 258 Fotos. „Und da löschen die dann halt ein Foto.“

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Betroffene startet Petition und fordert mehr Schutz auf Vinted

Darum versucht Mina Camira jetzt einen anderen Weg: Auf Inn.it hat die Studentin die Petition „Unsere Vinted-Fotos sind kein Porno – Schützt uns vor Missbrauch & Belästigung, jetzt!!“ gestartet. Denn gerade von Vinted selbst fühlt sich die 22-Jährige nicht unterstützt. „Ich habe das Gefühl, die nehmen das nicht ernst und denen ist Profit wichtiger als die Sicherheit der Nutzerinnen.“ Missbrauch und Belästigung „muss endlich mal unterbunden werden“, sagt Mina. Innerhalb weniger Wochen wurden bereits mehr als 33.000 Unterschriften gesammelt.

Auf Nachfrage von RTL erklärt ein Sprecher des Unternehmens Vinted: „Wir dulden keinerlei Belästigung oder unangemessenes Verhalten auf unserer Plattform und nehmen negative Erfahrungen unserer Mitglieder sehr ernst“. Der Herausforderungen, denen sich Online-Plattformen stellen müssen, sei man sich bewusst.

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Ein Einzelfall ist Mina Camira nicht, erst im Frühjahr gab es einen Belästigungsskandal rund um Vinted. Mittlerweile hätten sich auch viele Betroffene bei der Studentin gemeldet. Eine genaue Zahl, wie viele Vinted-Nutzerinnen von Missbrauch und Belästigung betroffen sind, gibt es nicht. „Genaue Zahlen zu gesperrten Konten können wir nicht bekannt geben, die Anzahl der Meldungen ist im Vergleich zur Größe unserer Community jedoch gering und nicht repräsentativ für die gesamte Vinted-Community“, teilt das Unternehmen mit.

Für Mina ist dennoch klar: Es muss sich dingend etwas ändern. Für einen besseren Schutz hat sie vier konkrete Punkte:

  • Eine Screenshotsperre – Whatsapp macht es vor, dort kann man beispielsweise Profilbilder nicht mehr screenshotten

  • Verifizierungspflicht – Nutzer*innen müssen künftig ihre Identität bestätigen, um im Belästigungsfall den Opfern die Möglichkeit zu geben, Anzeige zu erstatten

  • Schutz von sensiblen Daten – Adressen und besonders schützenswerte Informationen müssen vom Kaufsystem unkenntlich gemacht werden. Beim Verkauf muss die Absendeadresse in einem QR-Code verschlüsselt werden, sodass nur Postdienstleister Zugang haben

  • Optimierung des Wortfilters – So können sexuell belästigende Nachrichten gar nicht erst verschickt werden

„Der Schutz unserer Mitglieder hat für uns höchste Priorität”: Vinted plant weitere Maßnahmen

„Mir ist eines total wichtig: Ich bin überhaupt nicht gegen Vinted, sondern ich bin für Vinted. Deswegen ist mir auch so wichtig, dass sich das halt noch positiver verändert.“ Und auch das Unternehmen betont: „Wir arbeiten kontinuierlich daran, den bestmöglichen Schutz für unsere Community zu gewährleisten und unsere Schutzmechanismen fortlaufend weiterzuentwickeln – mit dem Ziel, Vorfälle zu verhindern und im Ernstfall schnell zu reagieren. Vinted verfolgt eine Null-Toleranz-Politik gegenüber unerwünschter oder sexuell expliziter Kommunikation.“

Vinted betont: „Sollten Fotos oder persönliche Informationen ohne Zustimmung auf Drittseiten veröffentlicht werden, empfehlen wir betroffenen Mitgliedern, sich direkt an die jeweiligen Plattformen zu wenden und die Entfernung der Inhalte zu beantragen. Wenn wir Kenntnis davon erhalten, dass Profilbilder oder persönliche Daten ohne Einverständnis auf anderen Seiten geteilt wurden, nehmen wir proaktiv Kontakt mit den betreffenden Plattformen auf, um die Entfernung zu veranlassen“, so der Unternehmenssprecher. „In einigen Fällen, etwa bei Telegram, haben wir bereits entsprechende Meldungen eingereicht.“

Zudem betont das Unternehmen: „Der Schutz unserer Mitglieder hat für uns höchste Priorität. Wir werden unsere Systeme weiterhin überprüfen und weiterentwickeln – auch wenn manche Maßnahmen mehr Zeit und Tests erfordern.“ Details, wie die Maßnahmen aussehen könnten, nennt das Unternehmen nicht.

Stalking und sexuelle Gewalt sind ernstzunehmende Themen. Solltet auch ihr betroffen sein, findet ihr Hilfe unter der kostenlosen Hotline 08000 – 116 016 oder unter www.hilfetelefon.de.

Verwendete Quellen: eigene RTL-Recherche