„Das Leben hat dich leider nicht verschont“
Sexualstraftäter wird aus Knast entlassen – für Opfer Yanis (†17) wird das zum Horror, den er nicht aushält

„Ich wünsche den Eltern und Kindern diese Tragödie wirklich nicht.“
Yanis aus dem französischen Haute-Savoi an der Schweizer Grenze wird gerade einmal 17 Jahre alt. Drei Tage vor seinem 18. Geburtstag nimmt er sich das Leben – und zwar kurz nachdem sein Peiniger aus dem Gefängnis entlassen wurde und nur wenige Kilometer entfernt von Yanis Zuhause lebt. Die Eltern des Jugendlichen richten sich nun mit einer Forderung an die Justiz.
„Du hast den Mut gefunden, gegen deinen Angreifer zu kämpfen“
„An dem Tag, an dem mein Sohn seinen 18. Geburtstag hätte feiern sollen, bin ich hingegangen, um seinen Sarg auszusuchen. Das ist unmenschlich für Eltern“, sagt Yanis Vater Farid im Interview mit der französischen Zeitung Le Parisien. Vorwürfe für den Tod ihres Sohnes machen er und seine Frau Delphine vor allem dem französischen Justizsystem. Denn als 12-Jähriger wurde Yanis missbraucht – von einem Mann, der bereits wegen des Missbrauchs anderer Kinder verurteilt worden ist, wie verschiedene französische Medien berichten.
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Yanis sagte damals sogar vor Gericht aus, sorgte dafür, dass sein ehemaliger Nachbar verurteilt wird und hinter Gittern landet. „Du hast den Mut gefunden, gegen deinen Angreifer zu kämpfen und vor Gericht gegen den Pädophilen anzutreten“, schreibt Yanis Vater in einem emotionalen Trauerpost auf Facebook. Doch nach nur zwei Jahren und vier Monaten Haft, ziemlich genau der Hälfte der Strafe, wird der heute 58-Jährige vor einigen Wochen freigelassen und zieht zurück in die Nachbarschaft von Yanis und dessen Familie – lebt somit nur wenige Kilometer entfernt von einem seiner Opfer. Lediglich elektronisch wird er überwacht und muss einmal pro Monat zum Psychiater, berichtet BFMTV.
Besonders dramatisch für den 17-jährigen Yanis und seine Familie: Laut Vater Farid erfahren sie nicht durch die Behörden von der Freilassung, sondern „durch einen Bekannten“, wie er im Interview mit BFMTV sagt. „Es war ein Schock“, erklärt er. „Es fiel ihm schwer, daran zu denken: ‚Mein Angreifer ist fünf Minuten von zu Hause entfernt‘, er hatte Angst, ihn zu treffen“, so Farid weiter. Kurze Zeit nach der Freilassung – am 30. März – nimmt sich der Teenager das Leben.
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Seine Eltern wollen nicht aufgeben – Yanis wurde von Justiz „im Stich gelassen“
Yanis Familie wirft dem französischen Justizsystem nun vor, ihren Sohn „im Stich gelassen“ zuhaben, da sie nicht über die Freilassung informiert worden seien. Auf Anfrage von BFMTV erklärt die Staatsanwaltschaft zwar, der Richter habe der Familie im Februar 2025 einen Brief mit den Informationen geschickt, doch die Familie will davon nichts wissen und betont in mehreren französischen Medien, den mit der normalen Post versendeten Brief nie erhalten zu haben.
Ein Fehler sei das jedoch nicht, denn es gebe keine Vorschrift, den Opfern Bescheid zu geben, berichtet BFMTV weiter. Und genau das sei laut Yanis Eltern ein Skandal. Die Familie fordert darum die Einführung eines Gesetzes: Eltern von minderjährigen Missbrauchsopfern sollen gewarnt werden, wenn die Täter freigelassen werden. „Ich wünsche den Eltern und Kindern diese Tragödie wirklich nicht. Sie sind Minderjährige, die geschützt werden müssen“, erklärt Yanis Vater die Forderung.
Und dafür will die Familie des Jugendlichen nun kämpfen. „Das Leben hat dich leider nicht verschont, aber sei dir sicher, mein Sohn, mein Fleisch und Blut, dass ich stolz auf dich bin. Ich wünsche allen Vätern, Müttern, Brüdern, Schwestern, Familien und Freunden, dass sie einen so schönen Menschen wie dich in ihrem Leben haben. Sei dir auch sicher, dass ich mich bemühen werde, dein Andenken in Ehren zu halten und deinen Kampf fortzusetzen“, schreibt Yanis Vater in dem Trauerpost weiter.
Hier findet ihr Hilfe in schwierigen Situationen
Sollten ihr selbst von Suizidgedanken betroffen sein, sucht euch bitte umgehend Hilfe. Versucht, mit anderen Menschen darüber zu sprechen! Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch die Möglichkeit, anonym mit anderen Menschen über eure Gedanken zu sprechen. Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich. Wenn ihr schnell Hilfe brauchen, dann findet ihr unter der kostenlosen Telefon-Hotline 0800 111 0 111 oder unter online.telefonseelsorge.de Menschen, die eure Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.