Religiöse Gründe reichen nicht für Befreiung

Kinder sollten nicht am Schwimmunterricht teilnehmen - Sekten-Eltern scheitern vor Gericht

Kinder beim Schwimmunterricht (Symbolfoto)
Kinder beim Schwimmunterricht (Symbolfoto)
picture alliance/dpa | Sven Hoppe

Schwimmunterricht, auch wenn es den Sekten-Eltern nicht passt!
Angehörige einer katholischen Mini-Sekte sind vor einem Freiburger Gericht mit ihrem Vorstoß gescheitert, ihre Kinder vom Schul-Schwimmunterricht zu befreien. Die Kläger hatten religiöse Gründe für ihren Antrag geltend gemacht.

Für die Mutter ist schon das Betreten eines Schwimmbades „Todsünde”

„Ich würde schon beim Betreten des Schwimmbades eine Todsünde begehen“, sagte die 36 Jahre alte Mutter. Sie wies auf strikte Kleidungsregeln der Palmarianischen Kirche hin. Die Familie aus dem Kreis Tuttlingen gehört der Palmarianischen Kirche an. Diese traditionalistische Glaubensgemeinschaft innerhalb der Katholischen Kirche hat ihren Mittelpunkt in Südspanien und weltweit nach eigenen Angaben etwa 10.000 Mitglieder. Für die Sektierer gelten unter anderem strenge Bekleidungsvorschriften.

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Sobald die schriftliche Entscheidung des Gerichts vorliegt, haben die Kläger eine Frist von einem Monat, um mögliche Rechtsmittel einzulegen. Falls sie den Weg gehen, würde der Fall zum Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim gehen.

Bei dem Fall ging es ursprünglich um drei Kinder des Ehepaars. Der Streit mit einer Grund- und Werkrealschule im Kreis Tuttlingen um den Schwimmunterricht begann bereits 2021, zuletzt klagten die Eltern gegen das Land Baden-Württemberg. In der Verhandlung stellte sich heraus, dass zwei Kinder gar nicht mehr auf der Schule sind, diese Fälle hätten sich also de facto erledigt, wie das Gericht feststellte.

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Richterin: „Hier treffen Grundrechte aufeinander“

Die Mutter und ihr Mann (33) schilderten vor Gericht, dass ihre Kinder am übrigen Schulunterricht teilnehmen, auch am Sport. Außerhalb der Schule dürften die Kinder jedoch nur mit Gleichaltrigen umgehen, die den Vorschriften der Glaubensgemeinschaft entsprechen.

Das bedeutet etwa ein Rock für Mädchen sowie langärmelige und hochgeschlossene Kleidung. Die Vorsitzende Richterin Gabriele Kraft-Lange machte deutlich, dass es um einen schwierigen Fall geht: „Hier treffen Grundrechte aufeinander“, sagte sie. Denn die Fähigkeit zu schwimmen, kann Leben retten.

Immer weniger Kinder können schwimmen, immer mehr Badetote

Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) weist seit Jahren darauf hin, dass immer weniger Kinder schwimmen können. Der Anteil der Nichtschwimmer unter den Sechs- bis Zehnjährigen hat sich der Gesellschaft zufolge in der jüngsten Vergangenheit auf 20 Prozent verdoppelt. Das hat keine ideologischen Gründe, sondern finanzielle. Es gibt immer weniger Schwimmbäder in Deutschland und die bestehenden sind zum Teil marode. Weil das Geld knapp ist, werden viele nicht saniert und müssen schließen.

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Im vergangenen Jahr kamen in Deutschland mindestens 411 Menschen bei Badeunfällen ums Leben, so viele wie seit 2019 nicht mehr. Es sei das dritte Mal in Folge gewesen, dass die Zahl anstieg, so die DLRG. „Dieses Ergebnis sensibilisiert hoffentlich möglichst viele Menschen für die bevorstehende warme Jahreszeit“, sagte DLRG-Präsidentin Ute Vogt im März. (uvo; dpa)