CDU-Generalsekretär heizt Debatte an Wie viele „Totalverweigerer“ gibt es unter den Bürgergeld-Beziehern wirklich?

CDU-Generalsekretär Linnemann kündigt ein Konzept für eine Steuerreform an. (Archivbild).
CDU-Generalsekretär spricht von einer sechsstelligen Zahl an „Totalverweigerern”, unter Bürgergeldempfängern.
Andreas Arnold/dpa

Carsten Linnemann (46) sieht eine sechsstellige Zahl von Arbeitsverweigerern.
Wie der Generalsekretär der CDU auf seine Zahl kommt, ist vielen Experten ein Rätsel. Denn laut Statistik machen Arbeitsverweigerer unter den Bürgergeldempfängern nur einen Bruchteil aus. Sanktionen gibt es für die Meisten eher aus anderen Gründen.

Grundsätzlich gibt es bei der Bundesagentur für Arbeit keine Zahlen zu sogenannten „Totalverweigerern“, also Bürgergeldbeziehern, die keine Arbeit annehmen wollen oder können. Es gibt aber eine Statistik zu Gründen, warum das Bürgergeld gekürzt wurde. Unter dem Punkt „Weigerung Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses“, finden 13.838 Fälle, wie die Tagesschau berichtet. Dies Fälle stammen aus den ersten elf Monaten des Jahres 2023. Von einer sechsstelligen Summe ist man hier weit entfernt.

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Dass jemandem das Bürgergeld gekürzt wird, weil er oder sie keine Arbeit aufnehmen möchte, das sei eher selten der Fall, sagt der Sprecher der Bundesagentur für Arbeit. „Generell lässt sich feststellen, dass zuletzt mehr als 80 Prozent der Minderungen wegen Meldeversäumnissen festgestellt werden“, erklärt der Sprecher laut Tagesschau. Von Meldeversäumnissen ist die Rede, wenn Bürgergeldempfänger, ohne den Nachweis eines wichtigen Grunds, bei einer Maßnahme fehlen. Von Januar bis November 2023 wurden insgesamt in 201.465 Fällen Leistungen gemindert, genau aus diesem Grund, weil Personen nicht aufgetaucht sind. Es könnte also sein, dass Carsten Linnemann diese Zahl genommen hat und die Menschen als „Totalverweigerer“ darstellt, denen in Wirklichkeit aus ganz anderen Gründen das Bürgergeld gekürzt wird.

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Der Arbeitsmarktexperte Enzo Weber warnt in der Debatte über Verschärfungen beim Bürgergeld vor einem Schwarz-Weiß-Denken und zu harten Sanktionen. Man solle sich „tunlichst hüten“, Arbeitslose unter den Bürgergeld-Beziehern „in einen Topf von mittlerweile sogenannten Verweigerern zu werfen“, sagt der Forscher vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im WDR. Von den 5,6 Millionen Menschen, die in Deutschland Bürgergeld beziehen, seien weniger als zwei Millionen Arbeitslose. Wiederum weniger als ein Prozent davon würden jährlich sanktioniert.

Die Probleme, die bei Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit und der Grundsicherung auftreten, seien vielfältig, sagte Weber. Es gebe gesundheitliche Einschränkungen, Pflegeverpflichtungen von Kindern, fehlende berufliche Abschlüsse oder etwa Sprachschwierigkeiten. „Also dieser Realität muss man sich stellen. Und diese Realität, die ist nicht schwarz-weiß. Also da kommt man nicht weiter mit, indem man Menschen kategorisiert als schwarze Schafe oder nicht“, sagt der Experte. (dbl mit dpa)

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