„Größter Fehler meines Lebens“Jetzt spricht der Pilot, der Alaska Airlines abstürzen lassen wollte

Ein Pilot in einem Cockpit.
Joe Emerson spricht das erste Mal nach dem Versuch, ein Passagierflugzeug abstürzen zu lassen.
ABC News

Die „schlimmsten 30 Sekunden meines Lebens.“
Jetzt spricht der Pilot, der beinahe zum fliegenden Massenmörder geworden wäre. Joseph Emerson wollte ein Passagierflugzeug abstürzen lassen. Im US-Sender ABC spricht er über den dramatischen Vorfall, den er als „größten Fehler seines Lebens“ bezeichnet.

Ein Paar in einem TV-Interview.
Joe Emerson wird während des Interviews mit dem Sender ABC News One von seiner Frau Sarah unterstützt.
ABC News

Joseph Emerson wollte im Flug Triebwerke abstellen

Rückblende: Es ist der 5. November 2023, Emerson sitzt im Cockpit einer Maschine seines damaligen Arbeitgebers Alaska Airline. Er hat keinen Dienst, fliegt aber auf einem Klappsitz in der Pilotenkabine mit. Absolut üblich bei vielen Fluggesellschaften. Während des Fluges wird er plötzlich unruhig, steht auf, erklärt seien Kollegen, dass es ihn nicht gutgehe. Dann reißt er an zwei Hebeln – ein Eingriff, der die Treibstoffzufuhr zu den Triebwerken unterbrechen würde.

Dass es nicht zur Katastrophe kommt, verdanken die Menschen an Bord dem beherzten Eingreifen der beiden Piloten im Dienst. Sie packen Emerson und verhindern so, dass sich die Triebwerke abschalten. Der schreckliche Moment ist vorüber, Emerson verlässt freiwillig das Cockpit.

Im Video: Pilot will Flugzeug abstürzen lassen

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Pilot spricht von emotionaler Gefühlslage

Er scheint sich wieder beruhigt zu haben, doch kurz darauf kommt es zu einem weiteren dramatischen Moment, erzählt er jetzt im ABC-Interview. Er greift zum Hebel der Kabinentür, will diese öffnen. Die Flugbegleiterin nimmt seinen Arm, der Augenblick ist vorüber. Er habe die Frau gebeten, ihm Handschellen anzulegen, verrät er.

Beide Male sei es die Berührung anderer Menschen gewesen, die ihn zur Besinnung gebracht habe, erzählt Emerson. „Es war wirklich die körperliche Berührung des Piloten an meiner Hand“, beschreibt er die Sekunden im Cockpit. Als die Piloten seine Hände gepackt hätten habe er „diesen Moment“ gehabt, „den ich einfach als Geschenk betrachte.“ Ebenfalls als Geschenk betrachte er, dass sich die Triebwerke nicht abgestellt hatten.

Beim Vorfall mit der Flugbegleiterin habe er gedacht: „Lasst mich festhalten, bis ich die Hilfe bekomme, die ich brauche. Das ist eigentlich das, was ich mir erhofft hatte, als ich aus diesem Flugzeug stieg, nämlich die Hilfe, die ich brauchte“, beschreibt er seine Gefühlslage.

Lese-Tipp: Er wollte die Triebwerke im Flug abschalten – Das ist über Pilot Joseph E. bekannt

Polizisten in einer Flugzeugkabine.
Die Situation im Flugzeug ist angespannt. Joe Emerson wir schließlich von Polizisten festgenommen.
ABC News

Depressionen nach Tod eines Freundes

Dass es überhaupt zu den dramatischen Momenten über den Wolken gekommen ist, führt Emerson auf eine Depression zurück. In diese sei er nach dem Tod eines Freundes gestürzt. Wenige Tage vor dem schicksalhaften 5. November habe er mit anderen Freunden gefeiert, dabei psychedelische Pilze konsumiert. Er glaubt, dass diese Tage später zu Halluzinationen geführt hätten.

Wegen dieser Halluzinationen habe er Angstzustände bekommen, die sich an Bord des Flugzeuges verstärkt hätten. Er habe plötzlich gedacht, sich in einem Traum zu befinden, aus dem er unbedingt aufwachen müsse, um wieder in der Realität zu sein. Deswegen habe er zu den Hebeln im Cockpit gegriffen. „Ich dachte nur: ‚Das wird mich aufwecken. Ich weiß, was diese Hebel in einem echten Flugzeug bewirken, und ich muss aufwachen“, sagt er in dem Interview. Es seien 30 Sekunden seines Lebens gewesen, „die ich gerne ändern würde. Aber ich kann es nicht.“

„Ich habe einen großen Fehler gemacht“

Seine Frau Sarah ist bei dem Gespräch an seiner Seite. Sie erinnert sich, dass sie an jenem Tag eine SMS von ihrem Mann bekommt: „Ich habe einen großen Fehler gemacht“, schreibt er. Sofort fragt sie, ob es ihm gut geht. „Nein.“ Danach hört sie 24 Stunden lang nichts mehr. Später erfährt sie, dass der Flug umgeleitet und die Maschine notgelandet sei. Dass ihr Mann verhaftet ist. Am Gefängnis sagt ihr eine Frau, was Emerson vorgeworfen wird. Dass man ihn wegen 83-fachen versuchten Mordes anklagen will. Ihre Reaktion? „Ich habe geschrien, bin umgefallen“, erinnert sie sich. „Ich stand völlig unter Schock.“

Ein Mann vor Gericht.
Einer Mordanklage entkommt der Pilot nur knapp. Er steht wegen rücksichtsloser Gefährdung vor Gericht.
ABC News

Zur Mordanklage wird es nicht kommen, die Staatsanwaltschaft reduziert die Vorwürfe auf rücksichtslose Gefährdung. Der Prozess steht noch aus, soll im Herbst beginnen. Emerson sagt im Interview, er übernehme die Verantwortung. „Ich werde die Schuld akzeptieren, die die Gesellschaft mir aufbürdet.“

Joseph Emerson sammelt Spenden für psychisch kranke Piloten

Er träume davon, eines Tages wieder fliegen zu dürfen. Er weiß aber auch, dass das nicht in seiner Hand liegt, gesteht er. „Wenn es nicht meine Bestimmung ist, wieder zu fliegen, dann werde ich eben nicht wieder fliegen.“

Eine Gedenktafel mit Inschriften in vier Sprachen erinnert an den Flugzeugabsturz einer Germanwings-Maschine in den Alpen.
Eine Gedenktafel mit Inschriften in vier Sprachen erinnert an den Flugzeugabsturz einer Germanwings-Maschine in den Alpen.
Christian Böhmer/dpa/Archivbild

Rückblickend sei er dankbar für den Tag, der sein Leben für immer veränderte. Der Vorfall habe seine Ehe gerettet. Er habe mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen können. Er stelle sich seinen Problemen in einer Therapie. Gemeinsam mit seiner Frau will er eine gemeinnützige Organisation gründen: „Clear Skies Ahead.“ Ziel: Spenden für die psychische Gesundheit von Piloten sammeln und das Bewusstsein dafür zu schärfen. Emerson und seine Frau betonen in dem Gespräch, wie wichtig es sei, keine Angst davor zu haben, sich Hilfe zu suchen.

Lese-Tipp: Witwe Annika will Welt nach der Germanwings-Katastrophe etwas Positives zurückgeben

Wie wichtig das sein kann, zeigt der Fall des fliegenden Massenmörders Andreas Lubitz. Der Mann hatte im März eine Germanwings-Maschine absichtlich gegen einen Berg gesteuert, 150 Menschen starben. Lubitz war Co-Pilot des Fluges und hatte sich im Cockpit der Maschine eingeschlossen, als der Pilot sie kurz verlassen hatte. Ein Abschlussbericht kam zu dem Schluss, dass Lubitz unter Depressionen und Schlafstörungen litt.