Sturm auf das Kapitol

Zur besten Sendezeit: U-Ausschuss belastet Donald Trump schwer und spricht von "Putschversuch"

10.06.2022, USA, Washington: Dieses Videostandbild aus einer von der Polizei getragenen Bodycam zeigt die Attacke am 6. Januar 2021 auf den US-Kapitol. Das Video wurde während des Sonderausschusses des Repräsentantenhauses, der den Sturm auf das US-Kapitol untersucht, abgespielt. Foto: Uncredited/House Select Committee/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++
Dieses Videostandbild aus einer von der Polizei getragenen Bodycam zeigt die Attacke am 6. Januar 2021 auf den US-Kapitol. Das Video wurde während des Sonderausschusses des Repräsentantenhauses gezeigt.
JE alf, dpa, Uncredited

Frappierende Zeugenaussagen und neue Details: Nach monatelanger Arbeit im Stillen zeigt der Untersuchungsausschuss zum Angriff auf das US-Kapitol öffentlich, was er zusammengetragen hat - zur besten Sendezeit, vor den Augen der Nation. Das zeichnet einmal mehr ein düsteres Bild vom Vorgehen des damaligen Präsidenten Trump.
Die Ausschussmitglieder warfen Trump vor, dieser habe mit seinen Betrugsbehauptungen den wütenden Mob angetrieben. Der Ausschussvorsitzende Bennie Thompson sprach von einem „Putschversuch“ und mahnte, die Demokratie in den USA sei weiter in Gefahr.
Anhänger des damaligen republikanischen Präsidenten Trump hatten am 6. Januar 2021 den Parlamentssitz in der Hauptstadt Washington erstürmt. Sie wollten verhindern, dass der Wahlsieg des Demokraten Joe Biden vom November 2020 bestätigt wird. Bei der Attacke kamen damals mehrere Menschen ums Leben, Dutzende wurden verletzt.

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Die Ausschussmitglieder werfen Donald Trump vor, dieser habe mit seinen Betrugsbehauptungen den wütenden Mob angetrieben.
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"Da lagen Polizisten auf dem Boden. Sie bluteten, sie übergaben sich“

 U.S. Capitol Police Officer Caroline Edwards and documentary filmmaker Nick Quested are sworn in to testify as the House select committee investigating the Jan. 6 attack on the U.S. Capitol holds its first public hearing to discuss its findings of a year-long investigation, on Capitol Hill in Washington, DC on Thursday, June 9, 2022. The committee interviewed more than 1000 people in regards to the January 6, 2021 attack on Capitol that was an effort to overturn the results of the 2020 presidential election and the transfer of power. Pool photo by Jonathan Ernst/ PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY WAS20220609927 JonathanxErnst
Polizistin Caroline Edwards: „Ich rutschte im Blut der Leute aus. Es war ein Gemetzel. Es war Chaos.“
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Caroline Edwards fühlte sich am 6. Januar 2021 wie im Krieg. Es sei wie etwas gewesen, das sie zuvor nur in Filmen gesehen habe, sagt die Polizistin. „Da lagen Polizisten auf dem Boden. Sie bluteten, sie übergaben sich.“ Um sie herum taumelten Menschen, fielen zu Boden. „Ich rutschte im Blut der Leute aus. Es war ein Gemetzel. Es war Chaos.“ Nicht in ihren kühnsten Träumen habe sie sich vorstellen können, je in so einer „Schlacht“ zu landen, erzählt Edwards bei der ersten öffentlichen Anhörung des Untersuchungsausschusses im US-Kongress, der den beispiellosen Gewaltausbruch von damals aufarbeitet.

Das Gremium hat die Hauptsendezeit in den USA gewählt, um die ganze Nation daran zu erinnern, was an jenem Tag geschah, der das Land nachhaltig verändert hat. Die Sitzung folgt auf monatelange Aufklärungsarbeit mit Hunderten Zeugenbefragungen - alles bislang hinter verschlossenen Türen. Nun präsentiert der Ausschuss die Ergebnisse seiner Untersuchungen auf offener Bühne, übertragen zur Primetime auf mehreren Fernsehsendern.

Edwards ist eine von zwei Zeugen, die der Ausschuss an diesem Abend live erzählen lässt, um die amerikanische Gesellschaft aufzurütteln. Die Polizistin wurde damals verletzt, erlitt eine Gehirnerschütterung, als sie vom wütenden Mob hinter einer Absperrung überrannt und zu Boden gedrückt wurde. Sie wurde ohnmächtig, rappelte sich aber wieder auf und machte weiter mit stundenlangem „Nahkampf“, wie sie es nennt. Edwards stand direkt neben jenem Polizisten, der später starb. Mehrere Menschen kamen bei der Attacke ums Leben.

VIDEO: "Um Hardliner zu überzeugen, muss U-Ausschuss mehr liefern"

Anhänger des damaligen Präsidenten Donald Trump erstürmten damals gewaltsam den Parlamentssitz. An jenem Tag war der Kongress zusammengekommen, um den Erfolg Joe Bidens bei der Präsidentenwahl offiziell zu bestätigen. Eigentlich eine Formalie. Doch Wahlverlierer Trump sah die Sitzung als letzte Chance, sich gegen seine Niederlage aufzulehnen. Seine über Monate orchestrierte Kampagne, die Wahl als Betrug darzustellen, fand hier ihren vorläufigen Höhepunkt.

Bei einer Rede wiegelte Trump seine Anhänger auf, zum Kapitol zu marschieren. Danach sah er vor dem Fernseher im Weißen Haus tatenlos zu, wie seine Unterstützer ins Kapitol eindrangen. Ein eiliges Amtsenthebungsverfahren überstand Trump. Der Untersuchungsausschuss im Kongress ist ein weiterer Versuch, die brutale Attacke aufzuklären und Trump vor den Augen der Nation zur Verantwortung zu ziehen.

Das Gremium hat für seine erste Sitzung einiges zusammengetragen: Videos von damals, zum Teil unveröffentlichtes Material, wecken Erinnerungen. Vor allem aber zeigt der Ausschuss Video-Mitschnitte von Befragungen hochrangiger Personen aus Trumps Umfeld: Da wäre Ex-Justizminister William Barr, der Trumps Wahlbetrugsbehauptungen als „Schwachsinn“ („Bullshit“) verurteilt. Da wäre Trumps Tochter Ivanka, die Barrs Einschätzung zumindest „akzeptiert“. Und auch weitere Zeugen aus Trumps früherer Mannschaft äußern in knappen Clips Zweifel an dessen Narrativ, ihm sei die Wahl gestohlen worden.

Der Ausschuss präsentiert außerdem Erkenntnisse, wonach Trump wohlwollend auf Drohungen seiner Anhänger reagiert habe, seinen Vize Mike Pence zu hängen („Vielleicht haben unsere Anhänger die richtige Idee.“). Und: Pence, nicht Trump, sei derjenige gewesen, der am Ende beim Pentagon Unterstützung der Nationalgarde angefordert habe, um den Gewaltausbruch unter Kontrolle zu bringen.

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„Der 6. Januar war der Höhepunkt eines Putschversuches“

Die Führung der Republikaner im Repräsentantenhaus wehrte sich mit Händen und Füßen gegen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses. Nur zwei Trump-Kritiker aus ihren Reihen sitzen in dem Gremium. Eine von ihnen, Vize-Ausschusschefin Liz Cheney, redet ihrer Partei ins Gewissen: „Heute Abend sage ich meinen republikanischen Kollegen, die das Unentschuldbare verteidigen: Es wird der Tag kommen, an dem Donald Trump nicht mehr da ist, aber Ihre Schande wird bleiben.“

Das Gremium erhebt schwere Vorwürfe gegen den Ex-Präsidenten. „Der 6. Januar war der Höhepunkt eines Putschversuches“, sagt der demokratische Ausschussvorsitzende Bennie Thompson. „Die Gewalt war kein Zufall.“ Es sei Trumps verzweifelter, letzter Versuch gewesen, die Machtübergabe an seinen Nachfolger zu verhindern.

Doch was kann der Ausschuss bewirken? Ob das Gremium jene umstimmt, die sich durch erdrückende Details beim Amtsenthebungsverfahren gegen Trump nicht beeindrucken ließen, ist fraglich. Der Ausschuss steckt noch dazu in einem Wettlauf gegen die Zeit. Bei der Kongresswahl im November könnten die Demokraten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren. Der Ausschuss muss seine Arbeit also bis dahin beenden. (dpa/eku)

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