„Das Kind ist bemüht“

Ex-Lehrerin verrät die geheimen Botschaften im Zeugnis

172 000 Schüler Schüler erhalten Freitag ihr Halbjahreszeugnis. Foto: Ralf Hirschberger/Archiv
In den kommenden Tagen erhalten viele Grundschüler ihr Zeugnis.
DPA

Vor den Sommerferien steht das Zeugnis!
Spätestens dann beschäftigen sich Eltern mit den schulischen Leistungen ihrer Kinder. In vielen Bundesländern gibt es in den ersten beiden Grundschul-Jahren noch keine Noten. Wie können Eltern dann die Formulierungen im Zeugnistext interpretieren? Eine ehemalige Grundschullehrerin klärt auf.

Zeugnisse entschlüsseln: Was Eltern wissen müssen!

Das Zeugnis ist bald da – doch an vielen Stellen hapert es noch beim Nachwuchs. Die Gründe dafür sind vielfältig, sagt Constanze Trabant, ehemalige Grundschullehrerin und Lernexpertin von sofatutor. Denn: „Neben Über- und Unterforderung wirken sich auch psychische Belastungen auf die Leistungsfähigkeit der Kinder aus.“

Die Frage ist: Ab wann ist ein Zeugnis überhaupt schlecht? Und wie können Eltern ein „schlechtes Zeugnis“ erkennen – vor allem, wenn es noch gar keine Noten enthält? Trabant klärt auf: „Ob ein Kind gut und selbstständig lernt oder zusätzliche Hilfe benötigt, lässt sich an verschiedenen Formulierungen im Zeugnis ablesen.“

Wichtig sei aber zu verstehen: Ein Grundschulzeugnis zeigt nicht nur die erbrachten Leistungen auf, sondern vor allem die Entwicklungspotenziale des Kindes.

Was kann mein Kind schon? Was noch nicht?

Generell sollten Eltern wissen: Die Beurteilungen im Zeugnis sind in der Regel positiv formuliert. „Im Vordergrund steht, was das Kind schon kann – und weniger, was es nicht kann“, weiß die Expertin. „Aber: Auch wenn das Zeugnis gut klingt, heißt das noch lange nicht, dass in der Schule alles optimal läuft.“

Denn die schriftliche Beurteilung solle Hinweise geben, in welchen Bereichen sich das Kind noch verbessern kann. Außerdem erhielten die Eltern durch das Zeugnis auch Informationen über das Sozialverhalten des Kindes.

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Wo liegen die Wissenslücken?

Manche Formulierungen wirken auf den ersten Blick positiv. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch: Sie weisen indirekt auf Lernlücken des Kindes hin.

„Wenn also zum Beispiel im Zeugnis steht, dass das Kind ‘sicher im Zahlenraum bis 100’ rechnen konnte, obwohl der Zahlenraum bis 200 vorgegeben war, sollte das Kind die fehlenden Kenntnisse nacharbeiten“, sagt die Expertin.

Um nicht auf solche Formulierungen hereinzufallen, lohne sich ein Blick auf das Informationsblatt, das in vielen Fällen zu Beginn des Schuljahres von der Schule verteilt wird. Es informiert darüber, welche Kompetenzen die Kinder bis zum Ende des Jahres erreichen sollen.

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Die Ergebnisse der Umfrage sind nicht repräsentativ.

Feinheiten in den Formulierungen erkennen!

Die Bedeutung von Adverbien in Zeugnissen dürfe nicht unterschätzt werden, sagt Trabant.

  • Wörter wie „immer“ oder „sehr gut“ zeigen an, dass ein Kind einen Lernbereich sehr gut beherrscht.

  • Formulierungen wie „in der Regel“ oder „zunehmend“ weisen auf eine positive Entwicklung hin.

  • Formulierungen wie „eher weniger“ oder „sehr selten“ weisen auf einen dringenden Verbesserungsbedarf hin.

  • Auch die Formulierung, dass sich das Kind in einem Fach „bemüht“ hat, verdient Beachtung: Das Kind hat Schwierigkeiten, dem Unterrichtstempo zu folgen oder die Lerninhalte vollständig zu erfassen.

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Sozialverhalten: Zwischen den Zeilen lesen

Auch das Sozialverhalten spiegelt sich in Zeugnissen wider, weiß die Expertin.

  • Sätze wie "Es fällt ihr noch schwer, sich an Regeln zu halten" oder "Es braucht immer länger, um sich zu konzentrieren" sind Hinweise auf Entwicklungsbereiche. Diese Formulierungen zeigen aber auch, dass die Lehrkraft dem Kind Verbesserungspotenzial zuschreibt.

  • Auch positive Eigenschaften wie "kontaktfreudig" oder "lebhaft" können im Unterrichtskontext problematisch sein, da sie darauf hinweisen, dass ein Kind Konzentrationsprobleme hat oder andere Mitschüler ablenkt.

Bei Unsicherheit: Gespräch mit der Lehrkraft suchen

Schließlich ist es wichtig, bei Unsicherheiten oder Fragen zum Zeugnis das Gespräch mit der Lehrkraft zu suchen.

"Oft sind die Lehrkräfte ohnehin proaktiv und nehmen schon vor der Zeugnisausgabe Kontakt auf, wenn es Sorgen oder Probleme gibt", sagt die ehemalige Grundschullehrerin.

Parallel dazu solle man mit seinem Kind besprechen, was es zum besseren Lernen benötigt und wie man es dabei unterstützen kann.