Gerade jetzt in Krisenzeiten - ein Kommentar

Wir brauchen den Weltfrauentag!

Women's Day ( 08 March)-Holiday  in Ukraine
Internationaler Weltfrauentag 2022
iStockphoto
von Laura Waßermann

Die Ukraine leidet unter russischen Angriffen, knapp zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht. Ausgerechnet jetzt schreiben wir, dass es den Weltfrauentag geben muss. Passt das zusammen? Ja, finde ich.
Lese-Tipp: Alle aktuellen Informationen rund um den Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit im Liveticker

Deutschlands erste Außenministerin

Annalena Baerbock macht gerade einen richtig guten Job. Sie repräsentiert Deutschland in diesem Krieg gegen die Ukraine bestimmt, aber nahbar. Ich nehme ihr ab, dass sie ernsthaft in Sorge um die ukrainische Zivilbevölkerung ist. Ich finde ihre Worte authentisch, wenn sie sagt, Putin habe rote Linien überschritten und man müsse alles dafür tun, dass der Frieden in Europa wiederhergestellt wird.

Noch vor kurzem wurde Baerbock als „junge Dame“ bezeichnet. Nicht nur ihr Englisch wurde kritisiert, sondern auch ihre Kompetenz, unser Land vor der internationalen Staatengemeinschaft zu vertreten. Ich bin sicher, ein männlicher Kollege hätte diese Häme nicht ertragen müssen. Schließlich ist die 41-Jährige die erste weibliche Außenministerin der Bundesrepublik. Was kann eine Frau in so einem Amt schon ausrichten? Baerbock zeigt: viel!

„Die Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte.“ Käte Strobel, deutsche Politikerin

Es geht um Gerechtigkeit!

Im Bundestagswahlkampf 2021 wurde die Grünen-Politikerin, die zwei Töchter hat, gefragt, wie sie Familie und Bundeskanzlerschaft denn unter einen Hut bringen könnte. Das war der Zeitpunkt, an dem klar war: Frauen werden anders beurteilt – auch in der Politik. Ihren männlichen Gegenkandidaten wurde diese Frage fast nie gestellt.

Einen vergleichbaren Moment dürften wir alle mal erlebt haben (und leider weiterhin erleben). Einen Moment, an dem wir merken, das ist jetzt hier nicht ganz gerecht: die Frage nach dem Kinderwunsch in Vorstellungsgesprächen, „Sehen Sie sich in 5 Jahren mit einer Familie oder im Job?“, den schiefen Blick von anderen Eltern, zu spät zum Elternabend zu kommen, weil beruflich noch so viel zu tun war. Ein Mann gilt als Familienvater, wenn er zu spät zu schulischen Aktivitäten erscheint, eine Frau als Rabenmutter.

Um Gerechtigkeit geht es am Weltfrauentag. Es geht darum, zu zeigen, in welchen Bereichen der Gesellschaft Frauen noch immer benachteiligt und stereotypisiert werden. Deshalb ist es wichtig, den 8. März zu zelebrieren. In Berlin ist er immerhin schon ein Feiertag.

„Männern ihre Rechte und nicht mehr; Frauen ihre Rechte und nicht weniger.“ Susan B. Anthony, US-amerikanische Frauenrechtlerin

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Das Frauenbild in der Corona-Pandemie

Home Schooling, Sorgearbeit, Haushalt: Die Corona-Pandemie hat das Rollenbild der Frau um Jahrzehnte zurück katapultiert. Mehr als die Hälfte aller berufstätigen Mütter von Kindern unter 14 Jahren haben zu Beginn der Pandemie zumindest teilweise abends oder am Wochenende gearbeitet. Bei Vätern waren das nur 31 Prozent. Zudem haben Frauen im ersten Lockdown häufiger Stunden in ihrem Beruf reduziert als Männer. Das lässt darauf schließen, dass Frauen eher die unbezahlte Sorgearbeit in der Familie übernommen haben. Das zeigen Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung.

Darum geht es unter anderem in der aktuellen Dokumentation von und mit Schauspielerin Natalia Wörner „A Women’s World“ auf RTL+.

„Wenn sich Gesellschaften zurückentwickeln, trifft das am stärksten die Frauen.“ Elif Shafak, türkische Schriftstellerin

Life Income Gap - was zum Teufel ...?

Employee pay difference and gender gap concept. Vector of a businesswoman being rewarded the least
"Gender Pay Gap" bezeichnet die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen.
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Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist ungleich. Das hat die Pandemie nochmal verstärkt, war aber vorher schon ein großes Problem. Wie erklären wir uns sonst den sogenannten „Life Income Gap“, also die lebenslange Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen?

Vom „Gender Pay Gap“ haben wir alle ja schon mal gehört. Frauen verdienen hierzulande durchschnittlich circa 18 Prozent weniger als Männer. Das an sich ist ja schon ziemlich mies, finde ich. Aber nicht genug: Dadurch, dass wir Frauen immer noch häufiger in Teilzeit arbeiten, nachdem wir ein Kind bekommen haben, und mehr unbezahlte Sorgearbeit und Kindererziehung leisten, bekommen wir am Ende unseres Berufslebens 50 Prozent weniger Rente. Somit entsteht diese lebenslange Einkommenslücke von 50 Prozent.

Das finde ich nicht nur unverschämt, sondern wirtschaftlich total hirnrissig.

„Wenn ein Mann eine Aufgabe ebenso gut erledigt wie eine Frau, dann sollte er auch ebenso viel bezahlt bekommen.“ Celeste Holm, US-amerikanische Schauspielerin

Krieg, der schlimmste Ausdruck des Patriarchats

Das sind alles Themen, die sehr wichtig sind, doch in diesem Jahr steht am Internationalen Weltfrauentag leider etwas anderes, viel Bedrückenderes im Fokus: der Krieg gegen die Ukraine.

Krieg ist der schlimmste Ausdruck des Patriarchats, also der Gesellschaftsform, in der Männer entscheiden – in diesem Fall vor allem Wladimir Putin. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte bei der UN-Dringlichkeitssitzung in New York Anfang März, wir lebten nun in einer Realität, „die uns Präsident Putin aufgezwungen hat.“ Es kommt hinzu, dass sich das Rollenbild durch den Krieg zurückentwickelt: Frauen flüchten, Männer kämpfen. Das ist nicht die Realität, in der ich leben will, aber muss.

Während an einem anderen Weltfrauentag hier eine ermutigende Botschaft stehen würde wie „girls support each other“, appelliere ich an diesem 8. März 2022 dafür, vor allem die Frauen, die aktuell in unser Land kommen, um Schutz vor dem Krieg zu finden, mit Respekt und Fürsorge zu behandeln. Sie haben es verdient.