Was den höchsten Berg der Welt so gefährlich macht
Wahnsinn auf dem Mount Everest: Bergsteiger warnt vor "Todesrennen"
Bereits elf Menschen sind in dieser Saison am Mount Everest gestorben. Mehr als doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Ein Bergsteiger spricht von einem „Todesrennen“ in der sogenannten Todeszone in großer Höhe. Dass der Sehnsuchtsort dieses Jahr für viele Menschen zum Höllentrip wird, hat vor allem zwei Gründe.
Schon elf tote Bergsteiger
Als Chris Kulish das letzte Mal in seinem Leben die Sonne aufgehen sah, wurde ein Traum von ihm wahr. Der 62-Jährige aus dem US-Staat Colorado stand auf dem Gipfel des Mount Everest am höchsten Punkt der Erde. Der 8.848 Meter hohe Berg war der letzte der sogenannten Seven Summits, den er noch nicht bestiegen hatte.
Die sieben höchsten Berge der sieben Kontinente zu bezwingen, ist seit Jahrzehnten der Traum vieler Alpinisten. Kulish bezahlte ihn mit dem Leben. In Camp 4 unter dem Gipfel auf rund 8.000 Metern ging es für ihn beim Abstieg nicht mehr weiter. „Er starb bei dem, was er geliebt hat“, schreibt sein Bruder Mark in einem Statement. Die genauen Todesumstände sind unklar.
Kulish ist in diesem Jahr der elfte Bergsteiger, der auf dem Mount Everest starb. Auch der indische Bergsteiger Rizza Alee kam beim Aufstieg in Schwierigkeiten und musste umkehren. „Es ist ein Gemetzel. Es ist zu einem Todesrennen geworden“, beschreibt er die Situation unter dem Gipfel. Seinen Augenzeugenbericht und die dramatischen Bilder der Situation auf dem Mount Everest sehen Sie im Video.
"Horrorgeschichten" auf dem Mount Everest

Das erste große Problem am Mount Everest ist das kurze Zeitfenster, in dem eine Besteigung überhaupt möglich ist. Laut dem Everest-Experten Alan Arnette gibt es normalerweise zwischen 7 und 12 Tage, an denen das Wetter mitspielt. Während der Wind 2018 noch an 11 Tagen einen Aufstieg zuließ, herrschen in diesem Jahr weniger günstige Bedingungen. Als sich vergangene Woche ein Wetter-Fenster bildete, brachen viele Bergsteiger aus Camp 4 rund 850 Meter unterhalb des Gipfels gleichzeitig auf. Am 23. Mai hätten 250 Menschen versucht, den Aufstieg zu schaffen, berichtet die „BBC“. Es bildete sich eine regelrechte Warteschlange, um die letzten Meter zur Spitze nehmen zu können. Ein Bild auf Instagram zeigt, wie es während der Hochsaison im Himalaya zugeht: Wie Perlen aufgereiht an einer Schnur blockieren langsame Bergsteiger alle, die hinter ihnen sind. Überholmanöver sind wegen der schmalen Pfade äußerst riskant. Wer hier abstürzt, stirbt.
„2019 gibt es Horrorgeschichten über Gipfelbesteigungen, die vom Südsattel bis zum Gipfel 10, 12 oder sogar 14 Stunden benötigen“, schreibt Arnette. „Wegen der Staus dauert der Abstieg zurück zum Südsattel noch mal 6 Stunden.“ Die Bergsteiger sind also insgesamt 20 Stunden in einer Höhe über 8.000 Metern unterwegs. „Das ist verrückt", so Arnette.
Jede Minute in des Todeszone erhöht Höhenkrankheit-Risiko

Jede Minute in der sogenannten Todeszone oberhalb von 7.000 Metern erhöht das Risiko, unter der Höhenkrankheit zu leiden. In dieser Höhe können sich auch optimal akklimatisierte Menschen nicht mehr ohne körperliche Anstrengung regenerieren. Luftdruck und Sauerstoffgehalt sind so niedrig, dass der menschliche Körper nicht mehr genug Sauerstoff aufnehmen kann. In mehr als 8.000 Metern Höhe ist es extrem unwahrscheinlich, länger als 48 Stunden zu überleben. Es kommt zu Kopfschmerzen, Übelkeit, Müdigkeit und Atemnot. Wer nicht schnell wieder absteigt, riskiert ein Höhenhirnödem oder Höhenlungenödem, also eine Flüssigkeitsansammlung in Gehirn oder Lunge, die tödlich enden kann.
Problem Nummer zwei: Trotz des Wahnsinns am Berg hat die Regierung Nepals laut „BBC“ in diesem Jahr 381 Aufstiegsgenehmigungen erteilt - so viele wie noch nie. Umgerechnet fast 10.000 Euro müssen ausländische Bergsteiger für eine Lizenz zahlen. Ausrüstung, Flüge und Bergführer noch nicht eingerechnet. Der Everest-Tourismus ist eine wichtige Einnahmequelle für das Land und seine Einwohner. Neue Anbieter drängen auf den Markt und versuchen, mit günstigen Preisen möglichst viele Bergsteiger anzulocken. Dies führt dazu, dass auch Unerfahrene den Aufstieg versuchen und zur Gefahr für sich und andere werden.
Nächstes Jahr will das Land mit der Kampagne "Besuche Nepal 2020" zwei Millionen Touristen anlocken.