Freilassung in Gaza Verstörende Szenen: Warum herzen die Hamas-Geiseln ihre Entführer?

Inszenierung oder wahre Sympathie?
Seit dem 24. November lässt die Hamas Tag für Tag israelische Geiseln frei. Der Grund dafür ist die vereinbarte Waffenruhe zwischen der Terrorgruppe und der israelischen Regierung. Doch Videoaufnahmen der Freilassungen, die ihr hier oben seht, lassen stutzen. Manche der Geiseln umarmen ihre Entführer, lächeln und winken den Terroristen zum Abschied. Was steckt dahinter?

Winken und lächeln: Müssen die Geiseln bei einer Inszenierung mitspielen?

In den Aufnahmen der jüngsten Freilassungen sind Geiseln zu sehen, die der Hamas bei der Übergabe zuwinken. Sie lächeln sogar und klatschen sich ab. Ist das echt oder sehen wir hier ein Schauspiel, zu dem die Hamas ihre Geiseln zwingt?

Dazu tragen die Geiseln gemütliche, weite Kleidung – meist Jogging-Anzüge.

„Damit möchte man natürlich signalisieren, dass sie gut behandelt worden sind. Ihr durftet eure Kleidung tragen, wir haben euch nichts getan. Ob das stimmt, ist natürlich die andere Frage“, sagt Terrorismus-Experte Peter Neumann im RTL-Interview.

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Ziel der Hamas: „Die Weltöffentlichkeit auf die eigene Seite ziehen"

(231126) -- GAZA, Nov. 26, 2023 (action press/action press/Xinhua) -- Staff members of the Red Cross transfer released hostages to the Rafah crossing in the southern Gaza Strip, on Nov. 25, 2023. The Palestinian Islamic Resistance Movement (Hamas) said in a statement late Saturday that it had handed over the second group of Israeli and foreign hostages to the Red Cross. (Photo by Rizek Abdeljawad/action press/action press/Xinhua) / action press
Nach der Freilassung werden die Geiseln in die Hände des Roten Kreuzes übergeben.
TO, action press, ActionPress

Da die Hamas ihre Freilassungen auf Videos dokumentieren, kann die Welt zusehen, wie die Geiseln in die Hände des Roten Kreuzes übergeben werden. Und das ist der Punkt: Die Hamas will, dass die Welt sieht, wie gut sie mit ihren Gefangenen umgeht. Dieser Meinung ist auch Neumann: „Die Hamas versucht das geschickt zu inszenieren. Sie möchte ernst genommen werden und sie möchten so aussehen, als würden sie eine humanitäre Geste vollbringen. Das Ziel ist, die Weltöffentlichkeit auf die eigene Seite ziehen.“ Dazu gehört auch, Frauen und Kinder zuerst freizulassen.

Die Hamas hat aber weiterhin rund 150 Gefangene – und zwar männliche. „Die Hamas möchte mit diesen Geiseln einen großen Gegentausch veranlassen. Es sind etwa 5000 Palästinenser in israelischer Haft, die möchte man freibekommen“, erklärt Neumann. Die Hamas möchten die 150 Gefangenen jedoch als Kriegsgefangene verkaufen, dabei sind nicht alle Kriegssoldaten, betont der Experte. Das soll nur so dargestellt werden, damit alle 5000 Palästinenser freigelassen werden.

Lese-Tipp: Die von der Hamas entführte Shani Louk ist tot

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Stockholm-Syndrom: Haben die Geiseln Sympathie für die Hamas?

Es ist schwer zu beweisen, ob Geiseln gezwungen wurden, sich bewusst entspannt und freundlich zu verabschieden. Und noch eine Möglichkeit steht im Raum: Einige könnten auch das sogenannte Stockholm-Syndrom zeigen. Bei diesem Syndrom handelt es sich um eine Veränderung des Verhaltens der Geisel gegenüber ihrem Entführer oder Peiniger. Das Opfer entwickelt dabei oft positive Gefühle wie Sympathie oder Verständnis für den Geiselnehmer. Es kann sogar zu Liebesgefühlen führen.

Doch wie kann das sein? Das Verhalten der Täter spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle. Die Opfer befinden sich in einer Ausnahmesituation. Oftmals überzeugen die Täter die Geiseln davon, dass sie keine Gewalt anwenden wollen, wenn es nicht absolut notwendig ist. Sobald die Geiseln merken, dass sie gut behandelt werden, Essen und Trinken bekommen und gut versorgt werden, kann eine psychologische Verzerrung einsetzen. Der Entführer ist auf einmal einer von den Guten!

Wie Peter Neumann jedoch bereits erklärt hat, handelt es sich bei den Freilassungen der Geiseln um pure Inszenierungen und vermutlich weniger um das Stockholm-Syndrom.

Nicht mit Rimon Kirsht - wie eine Geisel der Hamas die Stirn bietet

Rimon Kirsht
Eine Heldin: Rimon Kirsht wirft einem Hamas-Entführer bei ihrer Freilassung einen bösen Blick zu.
dpa

Denn nicht alle Geiseln lächeln freundlich und winken ihren Entführern bei der Verabschiedung zu. Ein Gegenbeispiel zeigt Rimon Kirsht. Die 36-Jährige ist am Dienstag freigelassen worden. Im Moment ihrer Freilassung starrt Kirsht ihrem Hamas-Peiniger direkt in die Augen – hier würde der Ausdruck: „Wenn Blicke töten könnten“ gut passen, denn Kirshts Mimik und Gestik spricht Bände. In den sozialen Medien wird sie als Heldin gefeiert. Eine Frau, die den bewaffneten Hamas-Terroristen die Stirn bietet. Schon einige Sekunden zuvor ließ sich die 36-Jährige unter keinen Umständen von den Entführern anfassen. Ein Hamas-Kämpfer wollte Kirsht am Arm fassen und zur Übergabe führen – doch für die tapfere Frau kam das nicht infrage. (amp)

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