Vater eines Angeklagten im Raub-Prozess um das Verschwinden des Deutschen (22)"Bitte akzeptieren Sie unser Mitgefühl. Ich weiß, mein Sohn hat Ihrem nichts angetan"

"Das funktioniert heute aber gar nicht", sagt Richter Gulam Bower und schüttelt frustriert den Kopf. Der Saal 4 im Wynberg Magistrate Court im südafrikanischen Kapstadt ist proppenvoll an diesem Donnerstag. Staatsanwälte, Verteidiger, Richter und Zuschauer blicken gebannt auf die beiden Monitore, die an einer Wand des Gerichtssaals angebracht sind. Immer wieder bricht die Videoleitung zu den fünf Angeklagten im zehn Kilometer entfernten Gefängnis Pollsmoore ab. Ihnen werden zahlreiche Gewaltverbrechen vorgeworfen, unter anderem schwerer Raub am deutschen Touristen Nick Frischke.
Angeklagte haben Überfall auf Nick Frischke gestanden
Den Überfall am 15. Februar auf den 22-jährigen Brandenburger haben sie gestanden. Doch sie behaupten weiterhin, man habe ihn danach laufen lassen. Seitdem fehlt von Nick Frischke jedoch jede Spur. Er war an jenem Mittwoch vor elf Wochen im Kapstädter Kabonkelberg-Nationalpark wandern gegangen. Dort traf er auf die Angeklagten. Suchaktionen mit Hubschraubern, Hunden, Polizisten und Anwohnern blieben ohne Ergebnis und wurden schließlich eingestellt. Am vergangenen Wochenende startete die Polizei einen erneuten Versuch. Diesmal waren auch Taucher dabei. Doch Nick Frischke wurde nicht gefunden.
Südafrika: Beschuldigte sind bekannte Kriminelle
So holprig wie der Aufbau der Videoschalte, so zäh gestalten sich auch die Ermittlungen der südafrikanischen Polizei im Fall Frischke. Vieles läuft nicht rund. Auch heute wurde die Verhandlung wieder vertagt. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen", sagt der Vertreter der Staatsanwaltschaft. Die Polizei brauche mehr Zeit. Zwei der Angeklagten sind "Heavyweights": bekannte Kriminelle, denen unabhängig vom Fall Frischke auch Raub, Mord, Körperverletzung und Brandstiftung vorgeworfen wird.
Im Fall Nick Frischke sind sie des schweren Raubes angeklagt. Trotzdem legte die Staatsanwaltschaft bei der heutigen Verhandlung nicht einmal die Fallakte vor. Der ermittelnde Beamte brachte sie einfach nicht mit nach Wynberg. Ein Staatsanwalt sagt RTL auf Nachfrage, Derartiges komme in südafrikanischen Gerichten leider routinemäßig vor. Achselzucken und ein entschuldigendes Lächeln, mehr konnte der Staatsdiener als Erklärung nicht anbieten. Informationen über den Fortschritt der DNA-Analyse des Messers, einer potenziellen Tatwaffe, liegen der Staatsanwaltschaft noch nicht vor. Angekündigte Gegenüberstellungen haben bisher nicht stattgefunden.
Angehörige der Angeklagten verfolgen Prozess im Gerichtssaal in Kapstadt

"Oje oje, das ist alles nicht gut", murmelt Richter Gulam. Er dreht sich zu den fünf Angeklagten, die nun endlich nebeneinander auf dem Bildschirm zu sehen sind. Igshaan Fisher, Vanroy Petersen, Carlo Guenantin, sein Onkel Melvin Guentin und der erst 18-jährige Jason Adonis stehen eng nebeneinander an einem Holzpult. Der kleine Raum sieht aus wie eine spärlich eingerichtete Rezeption. "Sie bleiben in Untersuchungshaft", sagt der Richter. "Am 22. Juni werden sie wieder zugeschaltet."
Auf der Zuschauerbank des Gerichtssaals sitzen Angehörige der Angeklagten. Auch Jason Adonis Vater Randal ist da. Gebannt schaut er auf den Monitor und verfolgt, wie sein Sohn mit den anderen den kleinen Übertragungsraum im Pollsmoore-Gefängnis verlässt. "Ich stehe 150 Prozent hinter ihm", sagt Randal Adonis. Der 50-jährige Schreiner ist besorgt. "Mein Sohn hat keine Vorstrafen. Er ist da in etwas hineingeschlittert. Er hat die Schule hingeschmissen, ist gerade mal 18."
Sollte Nick Frischke ausgeraubt werden?
Bei seinem Besuch in Pollsmoore habe Jason seinem Vater Details über den Überfall auf Nick Frischke erzählt. Am Morgen des 15. Februar hatten die Mitangeklagten Carlo Guenantin und Vanroy Petersen einen Lastwagenfahrer überfallen. Die Polizei suchte nach ihnen. Angeblich bat Carlos Mutter die drei anderen Angeklagten – auch Jason –, nach ihrem Sohn zu suchen. Und – davon ist auszugehen – ihn vor der Polizei zu warnen. Sie fanden die beiden Räuber an einer ihnen bekannten Stelle in dem Nationalpark sozusagen in flagranti. Angeblich waren sie gerade dabei, Nick Frischke auszurauben.
"Mein Sohn sagt, Nick Frischke habe große Angst gehabt. Die anderen hätten ihm beim ersten Mal alles abgenommen," so Randal Adonis. Dann hätten sie den jungen Deutschen laufen lassen. "Doch sie merkten, dass Nicks Handy mit einer Geheimnummer versehen war", so der Vater. Carlo hätte sich Nick nochmals geholt. Der junge Deutsche habe ihm die PIN verraten und sei dann schnell nach rechts weggerannt. Lebend. Diese Version des Tathergangs präsentiert jeder der fünf Angeklagten auf das Wort genau gleich.
Angeklagte im Fall Nick Frischke könnten sich abgesprochen haben

Ermittler, mit denen RTL gesprochen hat, sind skeptisch. Sie glauben, die mutmaßlichen Täter hätten sich abgesprochen. Die Angeklagten wurden im Gefängnis absichtlich in unterschiedlichen Bereichen untergebracht, um derartige Absprachen zu verhindern. "Mein Sohn hat Angst vor Vanroy und Carlo. Man merkt es deutlich. Sie haben ihm irgendwie gedroht", sagt Randal Adonis. "Das letzte Mal, als er Nick sah, lebte er." Jason behauptet, er sei zurück nach Hause gegangen. "Ob die anderen Nick später getötet haben, weiß er nicht", sagt Jasons Vater. Aber wahrscheinlich sei das so, fügt er hinzu. Carlo Guenantin ist in einem anderen Fall des Mordes angeklagt. Je mehr Details bekannt werden, desto deutlicher wird: Nick Frischke ist ohne blasse Vorahnung knallharten Kriminellen buchstäblich in die Arme gelaufen.
"Es bricht mir das Herz", sagt Randal Adonis, bevor er das Gericht verlässt. "Meine Familie, meine anderen Kinder, meine Mutter – wir nehmen es alle schwer. Ich möchte Nicks Familie sagen: Bitte, es tut uns so leid, was Sie ertragen müssen. Bitte akzeptieren Sie unser Mitgefühl. Ich weiß, mein Sohn hat Ihrem nichts angetan."