OP-Material im Körper vergessen, falsche Medikamente & Co.
Mann stirbt, weil ihm Nahrung in den Bauch gepumpt wurde: Knapp 2.700 Behandlungsfehler im Jahr

Es sind Geschichten, die schockieren: Ein Mann, der an einer Bauchfellentzündung stirbt, weil die Drainage falsch gelegt wurde und eine Schwangere, deren Kind bleibende Schäden davon trägt, weil sie ein falsches Medikament bekommt. Im vergangenen Jahr kam es in Deutschland zu fast 3.000 Behandlungsfehlern. Und die Dunkelziffer ist noch viel höher!
84 Behandlungsfehler führten zum Tod
Hinter jedem Fall steckt ein Einzelschicksal und die Dunkelziffer ist womöglich noch viel höher: Im vergangenen Jahr führten in 2.696 Fällen ärztliche Behandlungsfehler zu gesundheitlichen Schäden bei Patienten. In 84 Fällen endeten die Behandlungsfehler sogar im Tod oder trugen wesentlich dazu bei. Das stellten nun Gutachter der gesetzlichen Krankenkassen fest.
Demnach erstellten Experten des Medizinischen Dienstes im vergangenen Jahr 13.059 fachärztliche Gutachten, in denen sich Patienten über vermutete Behandlungsfehler beschwerten.
In der Mehrzahl der Fälle wurde kein Fehler festgestellt. Jedes vierte Gutachten kam aber zu dem Schluss, dass ein Behandlungsfehler mit einem Gesundheitsschaden vorlag. In fast jedem fünften Fall war der Fehler auch die Ursache für den gesundheitlichen Schaden. Die Zahlen bewegen sich in etwa auf dem Niveau der Vorjahre.
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In den meisten Fällen ging es um Klinik-Aufenthalte und Operationen, Behandlungsfehler in Arztpraxen machten etwa ein Drittel aus. Bei Operationen seien Fehler für Patienten leichter zu erkennen und würden daher auch eher gemeldet als beispielsweise Medikationsfehler, hieß es vom Medizinischen Dienst.
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Experte deutlich: Die Dunkelziffer liege deutlich höher!
Die stellvertretende Chefin des Medizinischen Dienstes, Christine Adolph, schilderte einige Beispiele von Behandlungsfehlern aus dem vergangenen Jahr. Demnach sei ein Mann an einer Bauchfellentzündung gestorben, nachdem ihm über eine Drainage fälschlicherweise Nahrung zugeführt wurde. Die Drainage hatte eigentlich Flüssigkeit und Blut aus dem Bauch ableiten sollen. Bei einem anderen Fall bekam eine Schwangere ein falsches Blutdruckmedikament, durch das ihr ungeborenes Kind schwere, bleibende Schäden davontrug.
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Der Medizinische Dienst wies darauf hin, dass die Zahlen lediglich seine Begutachtungsergebnisse zeigten, die auch von Patienten bei den Kassen angezeigt wurden. Die Dunkelziffer liege deutlich höher, sagte der Vorstandsvorsitzende Stefan Gronemeyer. „Experten gehen davon aus, dass etwa ein Prozent der Krankenhausfälle von Behandlungsfehlern betroffen ist. Nur etwa drei Prozent aller unerwünschten Ereignisse werden nachverfolgt.“
Neues Transparenzverzeichnis für Kliniken geplant

Anlässlich der Vorstellung der Behandlungsfehlerstatistik wird seit Jahren immer wieder auch eine zentrale Datenbank gefordert, in der die Fälle erfasst werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant unterdessen ab dem 1. April 2024 ein „Transparenzverzeichnis“ der Kliniken, um Qualitätsverbesserungen zu erreichen.
Ein Gesetzentwurf dafür werde derzeit innerhalb der Regierung abgestimmt, wie das Nachrichtenportal The Pioneer und das Redaktionsnetzwerk Deutschland zuerst berichteten. In dem Verzeichnis sollen Bürger nachlesen können, welche Leistungen in einer Klinik angeboten werden und wie sie dafür personell ausgestattet ist. Auch die Veröffentlichung von Qualitätsdaten ist geplant, etwa zu Komplikationen oder Todesfällen.
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Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung behandeln die Krankenhäuser in Deutschland pro Jahr knapp 17 Millionen Fälle, in Arztpraxen sind es mehr als 550 Millionen Behandlungsfälle pro Jahr. (dpa/jbü)