Oliver Kahn offenbart Burnout und Depressionen
Therapie-Coach rät DFB-Spielern: Macht es wie der Titan

Enttäuschung, Verzweiflung, Tränen - Gefühle, die sich im Moment der Niederlage in den Blicken, der Mimik und Haltung von Sportlern manifestiert, wie in diesen Tagen in den WM-Stadien von Katar. Wie es im Innersten der Spieler aussieht? Für Fans und Zuschauer ist das allenfalls zu erahnen. Einer, der weiß, wie es sich anfühlt, und was das mit einem Menschen macht, ist Oliver Kahn. Der einstige Torwart-Titan wäre daran auf dem Höhepunkt seiner Karriere fast zerbrochen, wie er in einem Podcast mit der Foundation von Depressionsexperte Florian Holsboer offenbarte.
Holsboer: Spitzensportler sind nicht sicher vor mentalen Erkrankungen
Besonders zwei Ereignisse belasteten Kahn: Die Niederlage im Champions-League-Finale 1999 gegen Manchester United binnen weniger Sekunden in der Nachspielzeit, und sein Patzer im WM-Finale 2002, der die 0:2-Pleite gegen Brasilien einleitete. Kahn: „Mir schauten zwei Milliarden Menschen beim Versagen zu.“ Hilfe und Unterstützung findet er damals bei Holsboer.
„Wenn man es ganz nach oben im Sport geschafft hat, ist man nicht nur körperlich robust, sondern auch mental. Trotzdem ist man natürlich nicht sicher vor einer mentalen Erkrankung“, sagte Holsboer im RTL-Interview. Wenn eine Veranlagung zur Depression vorhanden sei, könne gerade im Spitzensport eine entsprechende Erkrankung auftreten, betonte er. Zu der körperlichen und mentalen Belastung durch den Sport selbst käme oft noch die durch die intensive mediale Beobachtung.

"Man muss das gründlich emotional verarbeiten"
Besonders groß sei der Druck bei Turnieren wie Fußball-Weltmeisterschaften, „wo ja nur alle vier Jahre die Chance besteht, ganz oben mitspielen zu können“, so Holsboer. Wenn dann noch Begleiterscheinung dazu kämen, die nichts mit dem eigentlichen Sport zu tun hätten, wie in Katar die Diskussion um Protestäußerungen, gehe das oft schief.
Den deutschen Nationalspielern, von denen mehrere andeuteten, dass sie das WM-Aus noch länger belasten könnte, riet Holsboer, sich ein Beispiel an Kahn zu nehmen: „Man muss das gründlich emotional verarbeiten, dann gewinnt man auch wieder die Kraft, ganz nach vorne zu kommen“, sagte der 77-Jährige. „Das können wir von Oliver Kahn lernen, der bei der Weltmeisterschaft 2002 den Namen ‚Titan‘ erworben hat, weil er alles gehalten hat, was man nur halten konnte, dann aber im Endspiel einen Patzer machte.“
Kahn geht bewusst an die Öffentlichkeit
In seinen schlimmsten Zeiten kam Kahn kaum mehr eine Treppe nach oben, wie er im Podcast mit Holsboer verrät. Weil er nicht scheute, sich Hilfe zu suchen, kam er wieder heraus aus Burnout und Depression. Nun ist der aktuelle Präsident des FC Bayern München ganz bewusst an die Öffentlichkeit gegangen. Seine Botschaft: Niemand soll seine Depression verheimlichen müssen. Krank zu sein, ist keine Schande. (rtl/wwi)