Streeck: „An der Zeit, über so etwas nachzudenken“

Hoher Antikörperspiegel bald Immunitätsnachweis?

Rolf Vennenbernd
Hoher Antikörperspiegel bald Immunitätsnachweis? Virologe Streeck ist der Ansicht: „Es ist an der Zeit, über so etwas nachzudenken.“
deutsche presse agentur

Könnte ein hoher Antikörperspiegel bald als Immunnachweis gelten? Wenn es nach Virologe Hendrik Streeck geht, sollte darüber wieder nachgedacht werden – die Diskussion darüber schwelt schon eine geraume Zeit. Nun könnte sie möglicherweise auch für Ungeimpfte im Pflege- und Gesundheitsbereich wieder interessant werden, die bisher auch nicht offiziell als genesen gelten.

Antikörperspiegel als Immunitätsnachweis noch nicht ausreichend

In der Frage, ob ein bestimmtes Antikörperlevel als Nachweis für eine Immunität gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 dienen könnte, sind Experten aktuell unterschiedlicher Auffassung. Eine einheitliche Regelung, ab welcher Antikörper-Menge ein Immunitätsnachweis erbracht sein könnte, gibt es noch nicht. Zudem: Nicht bloß die Anzahl der Antikörper ist entscheidend. Deswegen gilt bislang: Trotz hohen Antikörperwerts ist man ohne zusätzliche Impfung nicht offiziell immun.

Einige Experten fordern, dass das jetzt geändert werden sollte, unter anderem der Bonner Top-Virologe Professor Hendrik Streeck. Er sagte jetzt der „Augsburger Allgemeinen“, dass eine hohe Anzahl Antikörper „zumindest aus pragmatischen Gründen“ als Nachweis dafür gelten sollte, immunisiert zu sein. „Es wäre an der Zeit, über so etwas nachzudenken.“

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Dr. Zinn warnt vor einer Durchseuchung mit der Omikron-Variante.
Den Antikörperspiegel als geeigneten Immunitätsnachweis zu verwenden, hält Hygieniker Dr. Zinn derzeit noch für verfrüht.
RTL

RTL-Experte skeptisch - nicht nur die bloße Anzahl ist entscheidend

Dr. Georg-Christian Zinn, Direktor des Hygienezentrums Bioscientia, sieht das äußerst kritisch:„Wir sehen immer wieder, auch bei Krankenhausmitarbeiten, wo wir auch Antikörper bestimmen, dass selbst hohe Antikörpertiter kein richtiger Schutz sind, wenn zum Beispiel Kontakt mit sehr vielen Viren bestand“, so der Mediziner im Gespräch mit RTL/ntv. Es gebe aktuell keine sichere Aussage darüber, ab welchem Antikörperwert ein sicherer Schutz bestehe, so Zinn. Den Antikörperspiegel als Immunitätsnachweis zu verwenden, hält er deswegen derzeit für verfrüht.

In der Debatte ist ebenfalls noch zu klären, ob die bloße Anzahl an Antikörpern entscheidend ist oder doch ihr Wirksamkeit – also Quantität versus Qualität. Denn die bloße Anzahl der Antikörper garantiere noch keinen Schutz – so sieht es auch Streeck. Die Antikörper würden sich in ihrer Fähigkeit, das Coronavirus zu neutralisieren, unterscheiden.

Da eine qualitative Antikörpertestung jedoch sehr teuer sei, müsste man sich letztlich „auf einen quantitativen Wert einigen“, so Streeck weiter. „Man kann davon ausgehen, dass es im Regelfall so ist, dass jemand mit einem recht hohen Gesamtwert auch über einen gewissen Anteil an neutralisierenden Antikörpern verfügt.“ Auch auf die Gefahr hin, dass es in Ausnahmefällen zu stärkeren Erkrankungen kommen könnte. (ndi/ija)