Stern TV am Sonntag um 22.15 Uhr

"Klimaneutral"-Logo: Viele Unternehmen zahlen lieber, als wirklich etwas zu ändern

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Am 16. Mai wird bei "Stern TV am Sonntag" über klimaneutrale Label diskutiert.
RTL
von Michael Defrancesco

Wer im Supermarkt einkaufen geht, steht vor einer Vielzahl von Produkten, die mit einem Label gekennzeichnet sind, auf dem “klimaneutral” steht. Angesichts von Windeln, Motoröl, Filzstiften oder Pralinen fragt man sich, wie es sein kann, dass diese Produkte klimaneutral sind. Diese Frage wird am 16. April bei „Stern TV am Sonntag“ – live ab 22.15 Uhr auf RTL - diskutiert. Mit dabei sind unter anderem Carsten Warnecke vom NewClimate Institute Köln, Hannah Knuth von der „Zeit“ und dm-Geschäftsführerin Kerstin Erbe.

Irreführende Werbung? Das Problem mit "klimaneutralen" Logos

Sie werden vergeben von ClimatePartner, MyClimate oder NatureOffice. Aber: Was bringen klimaneutrale Labels? Das Problem: Laut Umweltbundesamt ist die Aussage “klimaneutral” gesetzlich nicht geschützt, es gibt keine einheitliche Definition. Und überprüft werden die Anbieter von “Klimaneutral-Logos” und die Produkte daraufhin auch nicht. Für “Bio” gibt es solche Vorgaben, für “klimaneutral” jedoch nicht. Es gibt zwar Standards, die haben Richtwertcharakter - ob diese aber eingehalten werden, prüft niemand – erst recht nicht unabhängige Stellen.

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In der Regel versteht man heute unter dem Begriff „klimaneutral“, dass für ein Produkt eine CO2-Bilanz erstellt wurde. Wie umfassend die Bilanz ist, ob Rohstoffe, Energieeinsatz beim Herstellungsprozess, Verpackung und Transport genau untersucht worden sind und in die Berechnung einfließen, wird allerdings nicht immer gesagt. Die Logos können nicht garantieren, dass die als “klimaneutral” ausgewiesenen Produkte einen besonders niedrigen CO2-Ausstoß aufweisen oder gar emissionsfrei sind oder auch dass die Hersteller Maßnahmen zur CO2-Reduzierung entlang der Wertschöpfungskette umsetzen. Sie können Hinweise darauf sein, dass sich das Unternehmen Gedanken macht – wie gut die Klimamaßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, dafür taugen diese Logos und deren Anbieter nicht – so lautet die Kritik zum Beispiel der Verbraucherzentralen. Sie sprechen hier von der Möglichkeit irreführender Werbung. Auch die Deutsche Umwelthilfe kritisiert dies und hat Klagen gegen verschiedene Unternehmen eingereicht.

Eine Studie des "NewClimate Instituts" hat 24 Weltkonzerne unter die Lupe genommen

Eine aktuelle Studie des “NewClimate Instituts” hat 24 Weltkonzerne und ihre Bemühungen, den CO2-Ausstoß zu verringern, untersucht. Ergebnis: Das Institut stellt fest, dass die langfristigen Ziele von 15 Unternehmen “von geringer oder sehr geringer Integrität” sind, da sie neben unklaren Netto-Null-Emissions-Zusagen keine oder nur unzureichende Verpflichtungen und Maßnahmen zur Reduzierung enthielten. Die Unternehmen fahren ihre Emissionen zu wenig herunter, bleiben zum Teil deutlich unter den selbst gesetzten Zielen bei der Reduktion ihres CO2-Ausstoßes, analysiert das NewClimate Institute.

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Kompensation statt Reduktion: Hersteller spenden lieber an den Klimaschutz

Kompensieren scheint da verlockender zu sein. Das Prinzip funktioniert so: Ein Hersteller lässt seinen CO2-Ausstoß von einem externen Zertifizierungsunternehmen berechnen. Die Menge an Emissionen gleicht der Hersteller dann aus, indem er in Klimaschutzprojekte investiert. Der CO2-Ausstoß kann auf diese Weise also kompensiert werden – aber eben nur kompensiert, nicht reduziert. Es ist ein Handel mit Zertifikaten. Wer Zertifikate kauft, bekommt ein Logo.

Verbraucherschutz-Organisationen kritisieren, dass die Kompensation von Treibhausgasen auf sehr groben und theoretischen Annahmen basiert. Demnach kann bei Aufforstungsprojekten in Regenwaldgebieten beispielsweise niemand wirklich vorhersagen, ob die Bäume in fünfzig Jahren tatsächlich noch stehen und so viel CO2 binden können, wie berechnet wurde. Oder ob sie zwischendurch mal abbrennen oder Opfer des Klimawandels werden. Darüber hinaus ist der tatsächliche Erfolg von Klimaschutzprojekten in weit entfernten Teilen der Erde nur schwer überprüfbar.

Carsten Warnecke kritisiert "Freikauf" von Unternehmen mit Klimaschutz-Zertifikaten

Carsten Warnecke vom NewClimate Institute kritisiert zudem, Hersteller könnten sich mit Klimaschutz-Zertifikaten aus der Verantwortung "freikaufen", statt für klimaschonendere Produktionsbedingungen im eigenen Unternehmen zu sorgen. Der Schaden, den die angebliche Kompensation anrichte, sei sehr groß. Er ist sicher, dass es ohnehin praktisch keine echte Kompensation mehr gibt. Denn: Umweltschäden könne man nicht rückgängig machen: „Wenn sie da sind, sind sie da.“ Natürlich könne man an anderer Stelle etwas Gutes tun, aber man dürfe nicht den Eindruck erwecken, dass man den ursprünglich angerichteten Schaden wieder geheilt habe – und zwar so gut, als ob der Schaden nie stattgefunden hätte.

Was Verbraucher angesichts dieser Gemengelage am besten tun können? Das erfahren Sie bei „Stern TV am Sonntag“.