Spionage-Affäre - wie bei 007!

Kanzlerin Merkel angeblich bespitzelt - half Dänemark dem US-Geheimdienst dabei?

 Pressekonferenz der Bundeskanzlerin zum G20 Global Health Summit Aktuell, 21.05.2021, Berlin, Bundeskanzlerin Angela Merkel im Portrait bei der Pressekonferenz zum Welt Gesundheitsgipfel der G 20 und der Europaeischen Union Berlin Berlin Deutschland *** Press Conference of the German Chancellor on the G20 Global Health Summit News, 21 05 2021, Berlin, German Chancellor Angela Merkel in portrait at the press conference on the G20 Global Health Summit and the European Union Berlin Berlin Germany
Deutschlands Nachbarland Dänemark soll dem amerikanischen Geheimdienst geholfen haben, Kanzlerin Angela Merkel und andere europäische Spitzenpolitiker auszuspionieren.
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Der dänische Geheimdienst soll dem amerikanischen Auslandsgeheimdienst (NSA) geholfen haben, europäische Spitzenpolitiker abzuhören. Darunter sind offenbar die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) und der ehemalige Kanzlerkandidat und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück (SPD). Die Dänen hätten damals vor der Wahl gestanden, entweder mit den Amerikanern zu arbeiten oder mit den europäischen Partnern, so Thomas Wegener Friis, dänischer Experte für die Arbeit von Geheimdiensten. "Da haben sie sich eindeutig für die Amerikaner entschlossen und gegen ihre europäischen Partner."

Neue Details zu Spionage-Affäre

Seit Jahren ist bekannt, dass der US-Geheheimdienst NSA über einen längeren Zeitraum auch deutsche Spitzenpolitiker ins Visier genommen hat. Nun aber kommen neue Details der Ausspäh-Aktion ans Licht: Ausgerechnet Deutschlands Nachbarland und enger Partner Dänemark half der NSA offenbar bei der groß angelegten Bespitzelung der Politiker. Neu ist ebenso, dass auch der damalige Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (SPD) ins Fadenkreuz der Geheimdienste rückte. Das haben Geheimdienstquellen einem Team des Dänischen Rundfunks (DR) erklärt, das gemeinsam mit europäischen Medien, darunter NDR, WDR und die Süddeutsche Zeitung, die Sache recherchiert hat. Ebenso wie Merkel, Steinmeier und Steinbrück wurden führende Politiker aus Schweden, Norwegen, den Niederlanden, Frankreich abgehört.

Der dänische Auslands- und Militärgeheimdienst Forsvarets Efterretningstjeneste (FE) ermöglichte demnach der NSA die Nutzung der geheimen Abhörstation Sandagergardan in der Nähe von Kopenhagen. Hier befindet sich ein wichtiger Internetknotenpunkt verschiedener Unterseekabel, den die Nachrichtendienste anzapften. Die dänische Regierung wusste von der Überwachung europäischer Nachbarländer wohl spätestens seit 2015. Damals entstand der so genannte Dunhammer-Report. In dem geheim gehaltenen Papier hatten dänische Geheimdienst- und IT-Spezialisten in Reaktion auf die Snowden-Enthüllungen zusammengetragen, inwieweit der dänische Nachrichtendienst mit der NSA kooperierte.

Steinbrück: "Politisch halte ich das für einen Skandal"

SPD Kanzlerkandidat Peer Steinbrück spricht am 29.08.2013 in Berlin bei der Vorstellung seines 100-Tage-Programms vor der Bundespressekonferenz. Foto: Michael Kappeler/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Peer Steinbrück (SPD) beurteilt die dänische Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Geheimdienst als skandalös.

Im Interview mit NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung sagte der ehemalige Ministerpräsident und Kanzlerkandidat der SPD Peer Steinbrück, er habe erst durch diese Recherche vom Abhören seiner Person erfahren: "Politisch halte ich das für einen Skandal.“ Zwar glaube er, dass auch westliche Staaten funktionsfähige und tüchtige Nachrichtendienste benötigten. Doch zeige diese Art des Abhörens unter Partnern, "dass sie doch ein ziemliches Eigenleben führen."

Auch die Bundesregierung hatte von der Bespitzelung führender Regierungsmitglieder aus Dänemark keine Ahnung. Ein Regierungssprecher sagte auf Anfrage: "Der Gegenstand Ihrer Recherche ist der Bundeskanzlerin durch Ihre Anfrage bekannt geworden." Darüber hinaus wolle man sich nicht äußern. Auch Bundespräsident Steinmeier erklärte, "keine Kenntnisse" zu einer möglichen Überwachung durch den dänischen Geheimdienst zu haben.

Überrascht von den neuerlichen Enthüllungen ist auch Patrick Sensburg (CDU) nicht. Er leitete im Bundestag den NSA-Untersuchungsausschuss. Man müsse das System von Nachrichtendiensten verstehen, sagt Sensburg. "Es geht hier nicht um Freundschaften. Es geht hier nicht um moralisch-ethische Ansprüche. Es geht darum, Interessen durchzusetzen."

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Kein Kommentar der Verantwortlichen zu neuen Details

Laut Geheimdienstquellen des dänischen Senders DR, nutzten die NSA und der dänische FE für die Überwachung die Spionage-Software "XKeyscore". Dieses Programm wurde in der Vergangenheit von der NSA und befreundeten Geheimdiensten, darunter auch der Bundesnachrichtendienst (BND), benutzt, um bestimmte Suchbegriffe wie Mailadressen oder Telefonnummern aus großen Datenströmen zu filtern und zu analysieren.

Dem bis heute geheim gehaltenen Dunhammer-Report zufolge, der die Zusammenarbeit zwischen NSA und FE in den Jahren 2012 und 2014 untersuchte, zielte die Überwachung auch auf Dänemark selbst. So waren Ziele im dänischen Außen- und Finanzministerium sowie in einer dänischen Rüstungsfirma ausspioniert worden. Der dänische Auslandsgeheimdienst half demnach den Amerikanern, die eigene Regierung zu überwachen. Das ist nach dänischem Recht verboten und führte nach Bekanntwerden im Jahr 2020 zu einer Welle der Entrüstung. Im Zuge der Aufklärung des Skandals musste bereits die gesamte Führung des FE zurücktreten, darunter auch der ehemalige Geheimdienstchef Thomas Ahrenkiel, der Botschafter in Deutschland hätte werden sollen. Was damals nicht bekannt wurde: dass auch Merkel, Steinmeier und Steinbrück offenbar Ziele der Spionage aus Dänemark wurden.

Die NSA, der dänische Geheimdienst FE und das dänische Verteidigungsministerium wollten die Recherchen auf Anfrage nicht kommentieren. Die dänische Verteidigungsministerin teilte allgemein mit, "ein systematisches Abhören enger Verbündeter ist inakzeptabel." (dpa/lha)