Aktivisten wollen Fremde verscheuchen

Spanier toben wegen deutschen Ego-Touris: „Man sollte sie alle zum Teufel jagen"

Sauftouristen auf Mallorca
Halbnackt und mit Sauf-Equipment ausgerüstet? Nein danke, sagen immer mehr Spanier.
Clara Margais, picture alliance, dpa

Die Kassen klingeln wie nie zuvor: Trotz hoher Inflation könnte Spanien dieses Jahr den Touristenrekord von 2019 brechen!
Doch immer mehr Einheimischen ist der Massentourismus ein Dorn im Auge. Einige schäumen vor Wut, andere leben in Angst - und die Politik sorgt sich.

„Von meinem Balkon spucke ich auf das Gesindel“

„Man sollte sie alle zum Teufel jagen, am besten die Grenzen dichtmachen! Die Engländer und die Deutschen sind die schlimmsten, die machen uns das Leben zur Hölle hier“, schimpft mit wutverzerrtem Gesicht die Frau in den Achtzigern, die nahe des Park Güell in Barcelona mühsam ihre Einkaufstüten nach Hause schleppt.

Kurz zuvor hatte sie eine Gruppe junger Touristen beschimpft, die ihr auf dem engen Bürgersteig keinen Platz gemacht hatten. Im Café stimmt ein älterer Herr der Rentnerin zu. Unter dem Johlen seiner Freunde ruft er: „Von meinem Balkon spucke ich auf das Gesindel.“

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Im Video: Sauf-Tourismus auf Mallorca so schlimm wie noch nie

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Tourismusphobie macht sich breit

Nicht alle äußern ihren Zorn so drastisch – aber in diesem Sommer ist es schwer, in Barcelona einen Einheimischen zu finden, der den stetig wachsenden Tourismus nicht satthat. Das Wort „Turismofobia“ (Tourismusphobie) macht in Spanien – dem beliebtesten ausländischen Reiseziel der Deutschen – immer mehr die Runde. Nicht nur in Barcelona und ganz Katalonien, auch auf Mallorca, in Galicien oder auf den Kanaren wird die Ablehnung des Massentourismus immer offener und auch schon mal gewalttätig zur Schau getragen.

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Vielerorts gibt es Protestkundgebungen der Anwohner. Aber nicht nur. Man lässt sich auch spektakuläre Aktionen einfallen. Etwa auf Mallorca, wo eine Aktivistengruppe namens Caterva an der Ostküste ausländische Touristen im August von den Stränden zu verscheuchen versuchte, in dem sie täuschend echt aussehende Hinweisschilder aufstellte. Auf denen wurde auf Englisch ein Badeverbot mitgeteilt oder vor „gefährlichen Quallen“ oder Steinschlag gewarnt wurde.

Alles natürlich falsch und erfunden. Man müsse gegen die „Enteignung“ der Strände durch die Urlauber vorgehen, erklärte die Gruppe später.

Schilder werden umgedreht, um Touristen in die Irre zu führen

Davor hatten in Barcelona Anwohner des Viertels El Carmel unweit vom Park Güell jene Schilder, die den Weg zu den alten Bunkern auf dem Hügel Turó de la Rovira anzeigen, einfach umgedreht, um Fremde in die Irre zu führen. Der Aussichtspunkt, der einen der besten Panoramablicke auf die Stadt bietet, war in den vergangenen Jahren zu einem Hotspot für Sonnenuntergangs- und Picknickfans, aber auch für Tiktoker, Instagramer und Sauftouristen geworden. Die sich dort abends auch zu lauter DJ-Musik zu Tausenden versammelten.

Medien berichteten von handfesten Auseinandersetzungen zwischen Anwohnern und Touristen. Wegen der zunehmenden Spannungen beschloss die Stadt im Mai eine Schließung der Anlagen zwischen 19.30 und 9.00 Uhr morgens. Laut Nachbarn wird der Beschluss aber ständig missachtet.

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Vergewaltigungen, Messerstechereien, Diebstähle, Drogen

Von allein wird sich diese Lage nicht entspannen. Spanien steht dieses Jahr nach Schätzung zuständiger Stellen vor einem neuen Rekordjahr mit so vielen ausländischen Besuchern wie noch nie zuvor. 85 Millionen werden erwartet – 1,3 Millionen über dem vor Pandemieausbruch im Jahr 2019 verzeichneten Höchstwert. Der Sektor macht in Spanien zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, auf den Kanaren oder den Balearen sogar circa einen Drittel.

Da können auch diejenigen, die von den hohen Zahlen profitieren, nicht die Augen vor der Realität verschließen. Klartext spricht vor allem der Präsident des Hotelierverbandes der Playa de Palma auf Mallorca mit dem berühmten Ballermann, Pedro Marín: „Es ist inakzeptabel, dass die Anwohner Angst haben, hier spazieren zu gehen“, sagte Marín der Zeitung „Última Hora“. „In diesem Sommer gab es Vergewaltigungen, Messerstechereien, Diebstähle, Drogen … ein Desaster.“

Der Hotelier versichert, er und seine Kollegen bemühten sich darum, „einigermaßen gute Touristen“ auf die Insel zu holen. Nötig seien aber auch mehr Polizei und mehr „harte Hand“. Die wütende Rentnerin vom Park Güell wird ihm sicher zustimmen. (dpa/ija)