Ein ganz persönlicher Indoor-Fitnessbike-Test Schwinn 800 IC Fitnessbike im Test: Indoor Cycling Bike IC 8 mit den Apps Jrny, Peloton und Zwift

Gute Fitness-Vorsätze im Jahr 2022? Für viele ein schwieriges Thema, weil sie sich noch nicht in die Muckibude trauen oder die Regeln dort für sie ein Hindernis sind. Die Fitnesscenter beklagen sich prompt lautstark über Mitgliederschwund. Eine Option ist es, das Training einfach nach Hause zu verlegen. Zum Beispiel mit einem Trainingsbike und einer App. Wir testen für Sie das Indoor Cycling Bike Schwinn 800 IC*, das zum Teil auch unter der Bezeichnung Schwinn IC8 gehandelt wird.
Vorab das kurze Fazit unseres vierwöchigen Tests mit dem Schwinn 800 IC Indoor-Bike
Die Bedienung des Geräts ist simpel und ohne große Einweisung möglich, der Widerstand stufenlos regulierbar, auch während des Fahrens. Es gibt Halterungen für Hanteln, wenn man das mag und für zwei Wasserflaschen – bitte immer dabeihaben!
Man kann einfach nur so trainieren – das Gerät zeigt gefahrene Strecken und einen Schätzwert an, wie viele Kalorien man ungefähr verbrannt hat.
Wer seine Fortschritte tracken möchte und ein Motivationsprogramm sucht, wird bei meist kostenpflichtigen Apps wie Jrny, Peloton oder Zwift fündig. Dort gibt es Videos und Challenges – zum Teil mit Motivations-Trainern oder mit persönlichen adaptiven Zielen. Diese Apps erläutern wir einzeln weiter unten und in unserem Fitnesstagebuch am Ende des Artikels
Welche App man wählt, ist Geschmackssache – am besten mit kostenlosen Probezeiträumen testen und dann entscheiden. Wer sehr willensstark ist und an einer Aufzeichnung nicht interessiert, kann auch einfach den Fernseher oder ein Tablet anschalten und sich dabei unterhalten lassen. Was zählt ist, dass man sich überhaupt bewegt!
Auf jeden Fall hilft es für die Motivation, das Fitnessbike einfach im Haus zu haben. Um da den ganzen Tag drumherum zu gehen, ohne wenigstens mal zehn Minuten gesportelt zu haben, muss man schon erfinderisch sein mit den Ausreden vor sich selbst. Schließlich gibt’s keine lästige Anreise, nach den ersten drei Tagen ist es auch nicht mehr ständig durch ein Familienmitglied belegt, es sieht einen keiner außer der eigenen Familie und man braucht folglich keine schicken figurformenden Fitnessklamotten, um sich drauf zu trauen.
Während das Nudelwasser warm wird, kann man auch mal unambitioniert im Büro-Outfit in der Homeoffice-Mittagspause in die Pedale treten. Für alles andere empfehlen wir schon Sportklamotten und einen Herzfrequenzmesser – ob als Arm- oder Brustband oder in Form einer Smartwatch. Und jeder kann selbst entscheiden, wie viel Druck er braucht und wie er trainiert.
Platzbedarf: ca 1,25 Meter in der Länge und ca 55 Zentimeter in der Breite plus etwas Platz für den seitlichen Einstieg.
Alles weitere finden Sie in unserem ausführlichen Testbericht mit Fokus auf die Alltagstauglichkeit: Unsere Fragestellung zielt nicht auf technische Details und Profitauglichkeit, sondern wir wollten wissen: Motiviert ein Fitnessbike im Haushalt eine eher unsportliche Redakteurin dazu, sich mehr zu bewegen? Und das hat auf jeden Fall funktioniert.
Sporteln daheim - die Challenge für eine Ü40-Mama

Das mit den sportlichen Vorsätzen zum Jahresbeginn? Ehrlich gesagt noch nie meins. Ich war im Fitnessstudio höchstens mal „Fördermitglied“. Und der Meinung, dass man entweder Bock hat, sich zu bewegen oder nicht. Und dann braucht man sich nicht dahin zwingen, nur weil Anfang Januar ist. Doch nach fast zwei Jahren mit viel Homeoffice macht es sich bemerkbar, dass ich nicht mehr mit dem Tretroller oder dem Rad zur Arbeit fahre und nicht mehr so viel laufe. Ob eine Trainings-App mitsamt Indoor-Bike mich, Ü40-Mama von zwei Kids, normalgewichtig, aber auch nur dank eines geringen Muskelanteils, ein bisschen in Form bringt? Die Challenge nehme ich an!
Was ist das überhaupt, ein Indoor Cycling Bike?

Die Kinder finden, dass es ein bisschen so aussieht wie das Stehfahrrad, was Oma und Opa daheim haben. Nun ja. Das ist doch deutlich eine andere Liga. Unser Modell hat eine Radscheibe, die von Pedalen angetrieben wird und eine Lenkradneigung, die der eines Rennrads nachempfunden ist. Da sitzt man schon deutlich sportlicher. Oder technischer formuliert: Riemenantrieb mit Magnetbremse, 18 Kilo Schwungmasse, Kombiklickpedale.
Der größte Unterschied zu einem herkömmlichen Heimtrainer-Rad: Indoor-Bikes wie das Schwinn 800 IC haben keinen Freilauf. Das heißt, es gibt keinen „Leerlauf“ wie beim Fahrrad, wo man kurz mit dem Treten aussetzen kann. Sondern die Füße sind immer in Bewegung. Ruhephase heißt hier: langsamer treten. Oder stoppen, indem man manuell den Widerstand erhöht. Man gewöhnt sich aber schnell dran. Der Tritt-Widerstand lässt sich auf einer Skala von 1 bis 100 % stufenlos einstellen und auch während des Trainings variieren. Vor allem aber kann man es mit einer Fitness-App betreiben – nicht nur mit der eigens fürs Schwinn programmierten Jrny-App, sondern auch mit zahlreichen Apps anderer Hersteller.
Das Schwinn 800 IC ist je nach Händler für knapp über oder knapp unter 1.000 Euro zu haben.
Das Produkt wurde uns vom Hersteller kostenlos leihweise zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.
Aufbau und Optik des Schwinn 800 IC

Ich bekomme das Schwinn-Bike fertig montiert geliefert. Sales-Manager Dirk Illgner versichert, dass der Aufbau in etwa einer Stunde komplett ohne Vorkenntnisse zu machen ist. Allein bei den Pedalen gelte es aufzupassen, dass man links und rechts nicht vertauscht. Das Gerät schaut wertig und ansprechend aus in der Farb-Kombi schwarz-rot. Also nichts, was man aus optischen Gründen in den Keller verbannen möchte. Dazu nimmt es mit einer Breite von 54, einer Höhe von 132 und einer Länge von maximal 124 Zentimetern, je nach Lenker- und Satteleinstellung, nicht allzu viel Platz weg. Der Sattel ist mir persönlich ein bisschen zu hart, aber man kann ihn austauschen.
Ich stelle das Schwinn-Bike bei uns im Wohnzimmer auf – mit Blick auf den Fernseher. Vielleicht kann ich mich so zumindest beim Sichten von Filmmaterial ein bisschen bewegen. Einen eigenen Screen hat das Bike nicht, nur eine Halterung, die eher für ein Tablet ausgelegt ist als für ein Smartphone. Aber unter der Halterung gibt es ein kleines Display, das den Einsatz auch ohne App möglich macht. Dort sieht man die gefahrenen (virtuellen) Kilometer, Trittfrequenz und -widerstand, verbrauchte Kalorien und, wenn man ein Messgerät hat, auch den Puls. Ein smartes Endgerät braucht man, um angeleitet zu trainieren. Und um die Trainingsstände zu archivieren.
Es gibt je zwei Halterungen für Wasserflaschen, weil man doch ganz schön ins Schwitzen kommt, wenn man das richtig betreibt, und zwei für Hanteln (muss man sich selbst kaufen).
Training mit App-Unterstützung: Jrny, Peloton & Co
Die Jrny-App von Bowflex bietet neben Kursen fürs Indoor-Bike und Video-Trainingsfahrten durch Städte und Landschaften auch noch verschiedene andere trainergeführte Kursvideos am Boden wie Yoga oder Hanteltraining in verschiedenen Schwierigkeitsgraden und Längen. Die App ist schnell installiert, allerdings noch nicht komplett ins Deutsche übersetzt. Sie wertet meine Daten aus, um Kursvorschläge an mein Level anzupassen und überträgt einige Daten auf Wunsch auch an die Health-App von Apple und Google Fit, allerdings bislang noch nicht auf Smartwatches anderer Hersteller. Hier steht das adaptive Training im Vordergrund, sich selbst mit Hilfe einer künstlichen Intelligenz stetig zu verbessern.
Kostenpunkt: im ersten Jahr gratis – Systemvoraussetzung iOs 14.0 bzw. Android 7.1 oder höher. Danach 20,99 Euro pro Monat bzw. zwischen 154,99 und 164,99 im Jahresabo. Mit einer Lizenz können mehrere Haushaltsmitglieder trainieren.
Alternativ kann die Peloton-App mit dem Schwinn 800 IC genutzt werden. Kostenpunkt aktuell 12,99 Euro monatlich, die ersten zwei Monate sind kostenlos. Für den Preis gibt’s Trainingsvideos fürs Indoor-Bike sowie Cardiotraining, Yoga oder Laufprogramme. Wer die Vollmitgliedschaft für 39,00 Euro monatlich bucht und dazu ein Peloton-Bike besitzt, kann auch die Community-Funktionen und weitere Workouts nutzen. Hier steht das gemeinsame Training im Vordergrund.
Auch die Zwift-App, bei der’s nur ums Radfahren (und in einer Betaversion auch ums Laufen geht), ist neuerdings mit dem Schwinn kompatibel und kostet 14,99 Euro monatlich. Die ersten sieben Tage sind gratis. Hier kann man allein oder zusammen mit anderen virtuelle Welten durchfahren wie in einem Videospiel.
Wer bei Youtube sucht, findet auch kostenlose Trainings fürs Spinning.
Das schonungslos ehrliche Cycling-Tagebuch mit dem Schwinn 800 IC

Tag 1:
Aufgesessen, los geht’s mit einem zehnminütigen Einstiegs-Fitnesstest der Jrny-App. Es gibt keinen bestimmten Widerstand, den ich schaffen muss. Das erste, was auffällt: Das Bike ist mega leise. Man hört kaum ein Fahrgeräusch. Eine männliche Stimme feuert mich an, mich noch ein bisschen mehr anzustrengen. Zumindest er gibt alles – motivationstechnisch. Ehrlich gesagt: Verdient habe ich das Lob nicht. Wenn der wüsste, wie schwer mir das gefallen ist! Und dass ich mir danach von den Kindern einen kleinen Pudding gemopst habe, der ungefähr genauso viele Kalorien hat, wie ich verbrannt habe. Ich fahre noch ein bisschen einfach so auf dem Bike, sozusagen als Ausgleich. Ich habe in meinen Leben bislang noch nie Kalorien gezählt und habe es auch nicht vor.
Eine konkrete Auswertung, wie ich fitnessmäßig so dastehe, bekomme ich nicht. Sondern eine „First Workout“-Medaille – muss so was sein wie damals die „Siegerurkunde“ bei den Bundesjugendspielen – Motto: danke für deine Teilnahme? „Nein“, lacht Matteo Corrada, Director International Sales beim Schwinn-Hersteller Nautilus. „hier geht es um ein erstes ,Kennenlernen’. Du fütterst die Künstliche Intelligenz in der App mit Daten – mit denen aus deiner ersten Fahrt auf dem Bike und mit den Antworten auf Fragen etwa nach deinen Trainingszielen. Die App schlägt dir dann Trainings vor, die zu deinem Level passen.“ Sind sie mir zu schwer oder zu leicht, kann ich es immer noch individuell anpassen. Verrückt!
Tag 2:
Nach dem Mittagessen (und zwei Vanillekipferln und einem Latte macchiato) ist die Motivation hoch und die Form gering. Ich wähle in der Jrny-App lieber ein leichteres Workout als mir vorgeschlagen wird, weil die angezeigten Höhenprofile mich leicht in Panik versetzt haben. Fühle mich einer Bergfahrt grad nicht gewachsen. Also fahre ich an den Kanälen Amsterdams entlang. Auf dem Bildschirm natürlich. Das sieht hübsch aus. Gute Motivation: Die Kamera bewegt sich auch nur weiter, wenn ich trete. Radele ich schneller, laufen die Grachten schneller durch. Ein Tablet wäre hier jedoch vorteilhafter als das kleine Smartphone-Display, damit ich die Grachten auch richtig sehe. Die Tochter kommt vorbei und findet, dass wir da auch mal hinfahren könnten. Gern, aber mit dem Auto hin und dann mit dem Rad!
Tatsächlich mache ich brav, was die Dame fordert: 30 Sekunden im Stehen fahren, dann wieder im Sitzen und drei, zwei, eins – hoch den Hintern! Mh, vielleicht brauche ich wirklich einen Drill-Instructor? Etwas irritiert bin ich aber: Kalorienverbrauch und gefahrene Distanz stimmen nicht ganz überein zwischen App und Gerätedisplay. 83 Kalorien in der App, 64 auf dem Rad. Peanuts, aber trotzdem. Aber dabei sein und treten ist alles! Außerdem hab ich jetzt eine Körperanalyse-Waage. Die Ergebnisse waren trotz des Normalgewichts irgendwie erschütternd.
Tag 3:
Ich möchte nicht drüber reden.
Tag 4:
Ich habe im Internet günstig einen Doppelpack Hanteln bestellt. Sie ahnten es schon, ich hatte natürlich noch nie welche. Ich fange klein an. 1 Kilo und 1,5 Kilo. Der Fahrer überreicht mir das Paket mit vorwurfsvollem Blick: „Ganz schön schwer.“ Ich sag ihm lieber nicht, was drin ist. Ich schäme mich. Hätte ja auch mit dem richtigen Rad in ein Geschäft fahren können. Mein Mann lacht, als ich sie auspacke: „Du machst auch keine halben Sachen.“ Ich antworte: „Doch, halbe Trainingsprogramme.“ Ich finde das mit den Hanteln ganz gut, weil man dabei mit aufgerichtetem Rücken radelt.
Tag 5:
Ich radele mit der „Explore the World“-Funktion der Jrny-App durch Vientiane. Ist ‘ne Flachetappe. Das wäre eigentlich eindreiviertel Stunden lang gewesen. Ich mache zwölf Minuten. Naja, immerhin. Ich profitiere eh grad eher seelisch, denn ich wollte immer schon mal nach Laos, da ist es mir egal, dass die Textbausteine denen anderer Trainings ähneln. Und gehe dann mit einer lieben Freundin draußen spazieren. Als ich durchnässt wiederkomme, weiß ich das Indoor Bike im Trockenen richtig zu schätzen.
Tag 6:
Wir renovieren und ich fahre zwischendurch ein bisschen semimotiviert vor mich hin. Immerhin 10 Minuten in der Algarve mit Jrny. Ein adaptives Training, das über Bluetooth meine Daten in die App aufnimmt und mir ein genaues Leistungsprofil anzeigt. Sogar in den englischsprachigen Textbausteinen wird meine Leistung aufgegriffen. Ist ja irre! Matteo Corrada erklärt mir, dass ein adaptives Training nie das Gleiche sein wird wie am Vortag, weil es ja meine Werte speichert und die Leistung von Mal zu Mal leicht steigert – je nach definierten Zielen. Deshalb sollte auch jedes Familienmitglied ein eigenes Profil haben und nur damit fahren. Umgekehrt merkt die KI sich aber auch, wenn ich mal eine Woche lang gar nicht trainiert habe und passt das Level nach unten an.
Tag 7:
Ich versuche es mal mit der Peloton-App. Wie bei Jrny gibt es für 12,99 Euro pro Monat jede Menge Kurse auf Deutsch, Englisch und Spanisch von Meditation bis zu Krafttraining mit meinen neuen Hanteln – und natürlich auch fürs Indoor-Cycling. Anders als Peloton-Bikebesitzer mit Vollmitgliedschaft für 39 Euro monatlich kann man nicht durch Landschaften fahren. Und es fehlt, wenn man nur die App hat, der Community-Aspekt – ich sehe zwar, wer außer mir noch im Kurs ist, kann die anderen aber nicht anfeuern. Für kompetitivere Menschen wäre das vermutlich ein Pluspunkt. Ich persönlich will eigentlich gar nicht, dass jemand sieht, wie ich nicht mitkomme.
Und so ist es auch gleich im erstbesten Kurs, in den ich mich einfach mal reingeklinkt habe. Ich verlasse ihn wieder (gibt trotzdem eine Teilnahme-Urkunde für den ersten Kurs) und bin ganz froh, dass ich dann nach besserem Filtern einen Anfängerkurs finde, bei dem die Trainerin sehr ausführlich auf die korrekte Körperhaltung eingeht. Die Ansprache ist auf Deutsch und wirkt sehr persönlich. Dass die Einstellungsvorschläge aufs Peloton gemünzt sind, ist für mich kein Hindernis – mittlerweile kenne ich „mein“ Testbike ja schon ein bisschen. Ich schaffe die 20 Minuten ganz gut. Ohne Vollmitgliedschaft wird allerdings nichts getrackt außer den verbrannten Kalorien. Löblich: Am Ende des Trainings gibt’s auch noch ein Stretching.
Tag 8:
Wichtigstes Learning für mich: Nach Herzfrequenz trainieren, nicht allein nach dem Widerstand, den App oder Trainingspersonal vorschlagen. Denn prompt bei der zweiten „Bergwertung“ meiner neuesten Peloton-Etappe piepst meine Smartwatch kurz vor Schluss der 20 Minuten: Mein Herzschlag sei etwas zu schnell. Joah, wollte ich auch grad sagen. Das Schöne beim Indoor-Cycling: Man muss nicht absteigen und schieben. Ein Berg wird hier durch Erhöhung des Trittwiderstands simuliert. Die letzte Erhöhung lass ich also lieber aus. Meine persönliche Bergetappe ist halt etwas flacher als vorgeschlagen. Aber ich komme radelnd ins Ziel.
Die Faustformel für die maximale Herzfrequenz beim Ausdauertraining: 220 minus Lebensalter. Natürlich wie immer abhängig vom Trainingszustand und persönlichen Risikofaktoren, die es ärztlich abzuklären gibt. Sporerfahrene Kollegen raten mir, so zu trainieren, dass ich mich dabei noch unterhalten oder etwas essen oder trinken kann. Damit kann ich was anfangen und werde mir demnächst außer Wasser mal Proviant mitnehmen.
Tag 9:
Wegen Kopfschmerzen bleibt das Bike aus.
Tag 10:
Nach einem langen Tag am Rechner im Homeoffice streame ich Abends noch einen Spielfilm und habe zum ersten Mal in meinem Leben keine Lust, dabei die ganze Zeit zu sitzen. Und das, obwohl ich auf Festivals klaglos vier Filme hintereinander durchgesessen habe. Gegen 22 Uhr sind die Hummeln im Hintern größer als die Müdigkeit. Ich suche mir ein 10-Minuten-Programm auf Jrny aus, stelle den App-Ton aus und orientiere mich bei der Steigerung nur an den Profillinien. Und strampele motiviert, während die Handlung auf dem Bildschirm vor sich hinplätschert. Perfekt – das RTL-Dschungelcamp kann kommen!

Tag 11:
Nach dem großen Erfolg vom Vortag setze ich mich nach einem späten Abendessen aufs Bike und wähle das Jrny-Workout „Besser als Espresso“ plus eine kalifornische Landschaft. Die ist auch schön. Aber was soll ich sagen? Nach zehn Minuten breche ich das Training ab und plumpse aufs Sofa und wünsche mir einen Espresso. Vielleicht das nächste Mal doch früher anfangen?
Tag 12:
Nennen wir es „Cheat Day“, vor allem in sportlicher Hinsicht ...
Tag 13:
Nach zwei Stubenhocker-Tagen erwacht mein Ehrgeiz. Und vermutlich auch das schlechte Gewissen. Meine zehnjährige Tochter hat Biskuit-Törtchen mit Marmeladen- und Cremefüllung gebacken. Bei der Kuchenschlacht zeige ich mehr Ausdauer als an den vergangenen beiden Trainingstagen zusammen – deshalb gehe ich mich nach dem dritten Törtchen erstmal an der frischen Luft bewegen. Daheim schmeiße ich mich sofort aufs Indoor-Rad und schaffe zum ersten Mal motiviert bis in die Haarspitzen ein 30 Minuten-Training von Peloton am Stück. Die Indie-Mucke zieht mich mit ihren Beats mit. Der Trick: Ich reduziere einfach den Trittwiderstand, sodass ich die Trittfrequenz passend zum Rhythmus der Songs schaffen kann und auch am (imaginierten) Berg begeistert aus dem Sattel gehe. Meine Tochter ist völlig irritiert – sowohl über die Trainerin als auch über mich. Dass es sich wohl um eine Aufzeichnung eines früheren Trainings handelt und „Fitness Mom“ und ein Geburtstagskind namentlich begrüßt werden, ist mir wurscht. Ich trete, schwitze und bin tatsächlich glücklich dabei.
Tag 14:
Ich probiere es mit einem Heart-Rate-Armband, das man mittig auf dem Unterarm befestigt, nachdem man es via USB-Kabel aufgeladen hat. Auf der Innenseite des Arms sitzt ein kleiner Sensor, der die Herzfrequenz ermittelt. Einmal draufdrücken und er ist aktiviert. Auf dem Armband selbst wird nichts angezeigt, aber auf dem Display des Rads. Das ist eine Lösung für alle, deren Smartwatch die Daten nicht ans Gerät oder in die Trainings-Apps überträgt und die nicht ständig aufs Armgelenk schauen wollen, das beim Radeln im Zweifelsfall recht weit vorne ist. So hat man auf dem Gerät bzw. in der App auf Tablet oder Smartphone auch die Heart Rate im Blick.
Kleiner Tipp: Erst das Armband per Bluetooth mit der App verbinden und dann die App mit dem Bike.
Tag 16:
Entdeckung des Tages: Bei Peloton kann man so genannte Artist Rides machen. Yeah, natürlich David Bowie! Wir sollen uns vorstellen, wie wir zu David Bowies Geburtshaus fahren in Südlondon, zu seiner Schule. Im Bild: immer der Trainer. Er sagt Trittfrequenz und –widerstand und erzählt Fun Facts zu Bowie. Und zwar so viele, dass man die Musik kaum noch hört. Positiv ist die große musikalische Auswahl. Aber nichts für Menschen, die in ihrer Schulzeit die Krise gekriegt haben, wenn sie was aus dem Radio auf Kassette aufnehmen wollten und der Moderator in die Musik gequatscht hat.
Tag 18:
Sagen Sie bitte nichts..
Tag 19:
Ok, jetzt aber mal Zwift testen! Das ist eine App, bei der man in Video-Game-Anmutung allein oder gemeinsam mit Freunden respektive fremden Teilnehmern um die Wette fahren kann, sogar mit „echten“ Tour-de-France-Gewinnern. Naja, letzteres für später vielleicht... Nach der Anmeldung kann man sein Indoor-Bike mit der App koppeln. Oder einfach „nur zusehen“. Ernsthaft? Genau mein Humor! Nein, ich trete schön selbst und setze mich nicht mit den Resten der weißen Schoki vor den Bildschirm, um den Avataren der anderen beim Radeln durch eine virtuelle Welt zuzusehen. Da kann ich ja gleich ein Computerspiel zocken. Und das ist sonst so gar nicht meine Szene!
Was ich spontan mag: Die Idee, dass man sich seinen eigenen Avatar gestalten kann. Der Körperbau wird übrigens von der App angepasst, basierend auf dem BMI. Es gibt wohl drei Männerbodys und zwei Frauenkörper – keine Angst, es gibt kein Fatshaming. Sondern die Range geht eher von Lauch bis Kraftpaket. Den Rest wählt man selbst: drei Radtypen, mehrere Hautfarben und Frisuren stehen zur Auswahl. Aber warum gibt es keine Frau mit Locken? Na gut, ein Zopf tut’s auch. Außer der Sockenfarbe kann man sonst nicht groß was wählen. Die schicken Helme und Trikots und die richtig coolen Bikes gibt’s offenbar erst, wenn man sich durch eine der Challenges (von Kalifornien-Rundfahrt bis Mount-Everest-Tour) ein paar Level höher gestrampelt hat. Come on! Das funktioniert vielleicht für meine Kinder in der Anton-App, die da nur Mathe machen, um die Games freizuschalten.Aber ich bin deutlich über 40!
Was mich aber dann doch noch für die Sache einnimmt: Während ich mich beim Strampeln noch hektisch auf meinem viel zu kleinen und übervollen Mobiltelefon-Screen orientiere (wenn irgendwo ein iPad richtig Sinn macht, dann hier!), zieht mein Zopfmädchen die Flasche aus der Halterung und trinkt. Das ist ein richtig cooler Reminder! Denn wer hat zwar einmal nicht sein Sportzeug vergessen, aber nix zu trinken dabei? Na klar, Sie ahnten es schon. Wie unprofessionell von mir!
Auf einmal hab ich richtig Durst. Mein Mann bringt mir lachend was vorbei in „Watopia“, wie die computergenerierte Welt hier heißt. Und guckt ein bisschen mitleidig, als da ein paar Typen mit einem Affenzahn an mir vorbeibrettern. Rechts auf dem Screen gibt’s eine Namensleiste, auf der ständig Bewegung ist, wenn ich wen überhole oder, was häufiger vorkommt, wenn wer mich überholt. Da ist es mir wurscht. Swusch! Schon wieder so ein Sprinter. Wie machen die das bloß?
Aber ganz ehrlich: Wenn sich da so jemand ganz langsam an mir vorbeischiebt, dann tret ich doch ein bisschen schneller. Mh, sportlich würde ich mich sonst definitiv nicht als der kompetitive Typ beschreiben. Vielleicht bin ich da so strukturiert wie die Autofahrer, die immer genau dann schneller fahren, wenn du sie überholst? Mein Mann schaut vorbei und fragt, ob die anderen alle echte Fahrer sind, als ich an jemand vorbeiziehe. Will ich das wirklich wissen? Am Ende ist die Zeit mega schnell vorbei. Notiz an mich: Vor dem Dschungelcamp mit der Trainingseinheit fertig sein, weil man hier doch mehr auf den Screen schaut.
Tag 21:
Sie hätten wahrscheinlich genauso wenig wie ich gedacht, dass wir uns nochmal in der Zwift-Welt begegnen könnten. Aber kurz vor dem nächsten Zickenzoff im Dschungelcamp überwinde ich den inneren „Schwinnehund“ und springe doch noch in die Sportklamotten und aufs Indoor-Bike. Diesmal düse ich nicht durch Watopia, sondern durch „London“. Big Ben & Co sind natürlich computergeneriert. Aber man freut sich, wenn man was erkennt.
So sehr schaut man ehrlich gesagt auch gar nicht auf die Landschaft, denn auf dem Screen gibt es genug anderes zu sehen. Meine Rennwerte und das Streckenprofil („wie lange noch?“) und natürlich die Avatare der anderen Radfahrer. Man kann ihnen ein motivierendes „Daumen hoch“ zuklicken und sogar in ihrem Windschatten fahren. Die App sagt mir sogar, wann ich besser zum Vordermann oder zur Vorderfrau aufschließe. Ich hechte also hinterher und hänge mich dran. Und vergessen Sie alles, was ich vorgestern über Kinderkram und die Anton-App gesagt hab. Wie bitte komme ich an diese leuchtenden Reifen, die da grad an mir vorbeigezogen sind? So schnell wie der oder die unterwegs war, schwant mir, dass ich da noch einiges radeln müsste …
Tag 24:
Das Bike steht vorwurfsvoll da. Gut, dass es wenigstens nicht sprechen kann. Es würde sehr laut meinen Namen rufen. Leider ist mein neues Buch sehr gut...
Tag 25:
Die Motivation kommt diesmal tatsächlich von außen. Endlich regnet’s mal nicht. Ich mache eine wunderbare Radtour mit meinem siebenjährigen Sohn. Danach habe ich richtig Lust, auch noch mal was kräftiger in die Pedale zu treten. Come on, denke ich, einfach mal ein paar Minuten mit geringem Widerstand! Und schlappe gleich in Leggings, Oversize-Pulli und Ballerinas aufs Indoor-Bike. Ob man dabei wohl auch im Kindle lesen kann?
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Im Auto geht Lesen bei mir nämlich zum Beispiel gar nicht. Aber bewegt sich ja drumherum nichts. Top, das Lesegerät passt in die Halterung, das Handy packe ich drunter, damit die Jrny-App für die adaptiven Trainings meine Leistung mittrackt. Und ich trete los beziehungsweise lese los. Wenn man die Schrift groß genug stellt und schön im Sattel bleibt, geht das ganz gut. Das Antippen zum Umblättern ist auch unproblematisch, wenn man nicht mit Hanteln trainiert. Nach ein paar Minuten erhöhe ich freiwillig den Widerstand, weil ich es schon so gewohnt bin. Und stelle fest, dass ich bei der App vergessen haben, den letzten Button zu drücken. Ach, was soll’s! Dabeisein ist alles. Und es hat richtig Spaß gemacht.
Fazit am Ende des Testzeitraums:
Ich gebe zu, dass ich nicht jeden Tag so gesportelt habe, wie ich es mir vorgenommen habe – an manchen Tagen dafür aber deutlich mehr. Vor allem aber habe ich mich unendlich viel mehr bewegt als ich es sonst in der dunklen Jahreszeit getan hätte.
Abschließend lässt sich sagen, dass ich es deutlich in meinen Beinen gespürt habe, wenn ich mehrere Tage hintereinander ordentlich trainiert habe. Und zwar in positivem Sinne: statt Muskelkater konnte ich in meinen Beine spüren, wie meine besser trainierten Muskeln für mich arbeiten. Ein kleiner Effekt beim Verhältnis von Muskelmasse zu Körperfett war auf der Analysewaage zu sehen. Aber wenn man’s schleifen lässt, ist der auch schnell wieder weg.
Das wichtigste ist, dass man dranbleibt. Und wenn’s mal nur zehn Minuten sind. Und dafür ist ein Fitnessbike tatsächlich ein extrem niedrigschwelliges Angebot, bei dem man auch noch prima „Let’s Dance“ gucken kann.
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