Ihr Sohn (2) erstickte in einer Gelsenkirchener Kita

Freispruch-Schock: Riads Mama geht auf Tagesmutter los!

27.10.2023, Nordrhein-Westfalen, Gelsenkirchen: Die beiden angeklagten Tagesmütter (2.v.l und r) warten mit ihren Anwälten Andre Wallmüller (2.v.r) und Christian Beckmann und einer Dolmetscherin im Gerichtssaal auf den Beginn des Prozesses wegen fahrlässiger Tötung. Die Anklage wirft ihnen fahrlässige Tötung vor. Die Tagesmütter sollen ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt haben. Der Junge war beim Mittagsschlaf in seinem Bett erstickt, weil er sich in einem Etagenbett unglücklich eingeklemmt hatte. Foto: Christoph Reichwein/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die Tagesmütter (2.v.l und r) mit ihren Anwälten Andre Wallmüller (2.v.r) und Christian Beckmann und einer Dolmetscherin im Gerichtssaal
sb, dpa, Christoph Reichwein

Dieses Prozessende ist für Riads Eltern ein Schlag ins Gesicht!
Freispruch – so lautet das Urteil im Prozess um den tragischen Tod des zweijährigen Riad in einer Mini-Kita in Gelsenkirchen. Nach der Verkündung war seine Mutter fassungslos und konnte sich nicht mehr beherrschen: Laut schreiend ging sie noch im Gerichtsaal auf eine der Frauen los, der sie ihren kleinen Sohn anvertraut hatte.

Mutter ist außer sich - Vater reagiert hämisch auf Bedauern

Mutter
Vater und Mutter des Jungen sind mit dem Urteil nicht einverstanden

Nach dem Urteil schrie Riads Mutter und ließ sich auch durch ihren Mann kaum beruhigen, berichtet RTL-Reporter Valerio Magno aus dem Gericht.In letzter Sekunde konnte ihr Mann sie davon abhalten, die Tagesmutter zu attackieren. Wachtmeister kamen hinzu und sicherten die Lage ab. Das Ehepaar verließ das Gericht, die Frau weinte sichtlich aufgebracht, so Magno.

Schon nach dem Plädoyer war es zu einem kleinen Eklat gekommen, als eine der Frauen sagte: „Ich möchte sagen, dass ich es sehr bedauere. Seit diesem tragischen Moment denke ich immer wieder dran. Ich kann nachts nicht schlafen. Ich bedauere es außerordentlich. Es tut mir unglaublich leid.“

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Riads Vater saß der Frau gegenüber, er wendete sich demonstrativ ab, während sie sprach. Nach ihren Worten klatschte er hämisch. Daraufhin wurde er vom Richter zurechtgewiesen, dass er leise zu sein habe, schildert unser Reporter.

Riad erstickte unter einer elf Kilo schweren Bodenplatte

In dem Prozess ging es auch um die in der Einrichtung verwendeten Betten. Nach Einschätzung eines Gutachters waren die Kinder-Etagenbetten winzig und verstießen gegen eine ganze Reihe von Vorschriften. Der Möbelsachverständige bezeichnete die Betten in seiner Aussage vor dem Amtsgericht Gelsenkirchen als „Käfig“.

Der zweijährige Junge sollte in der Mittagspause schlafen, war aber sehr unruhig. Den Ermittlungen zufolge hatte er es geschafft, die lose Bodenplatte des darüberliegenden Bettes hochzudrücken und seinen Kopf durch die Lücke zu stecken. Als seine Kraft nachließ, wurde sein Hals unter der elf Kilo schweren Platte eingeklemmt. Er erstickte.

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Die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft zu den Betten liefen ins Leere. Juristisch zur Verantwortung ziehen ließen sich nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft nur die beiden 38 und 27 Jahre alten Frauen, die als selbstständige Tagesmütter in der von der Stadt organisierten Großtagespflege arbeiteten.

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Mutter: „Ich habe Schmerzen, mein Herz tut weh“

Die Staatsanwaltschaft hatte ihnen vor allem vorgeworfen, dass sie die Kinder während des Mittagsschlafs unbeaufsichtigt in dem Schlafraum gelassen hätten. Nicht einmal ein Babyfon sei installiert gewesen. Die Angeklagten bestreiten das nicht, haben sich vor Gericht aber ansonsten nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Das Urteil sollte bereits früher fallen, doch wegen des Ausfalls eines Schöffen hatte der Prozess neuaufgerollt werden müssen. Die Eltern des Zweijährigen verfolgten den Prozess sichtlich bewegt. „Er hat das Leben geliebt. Er hat getanzt und gesungen“, sagte die Mutter dem Gericht über ihren Sohn. „Ich habe Schmerzen, mein Herz tut weh. Es ist so schlimm, dass ich nochmal aussagen muss“, sagte sie RTL am vorletzten Prozesstag. (dpa; uvo)