DFB-Star schreibt sehr persönlichen Beitrag
Rüdigers Rassismus-Vorwürfe: "Nicht nur ein paar Idioten im Stadion"

Es sind Schlagzeilen, die zeigen, dass Rassismus im Fußball kein Ende nimmt. Nach der Niederlage im Europa-League-Finale ist Stürmer Marcus Rashford vom englischen Fußball-Rekordmeister Manchester United in den Sozialen Medien erneut rassistisch beleidigt worden. Und auch ein deutscher Spieler wird immer wieder auf hässlichste Weise angegangen. In einem ungewöhnlich persönlichen Beitrag für „The Players' Tribune“ erzählt Nationalspieler Antonio Rüdiger von seiner Kindheit in Berlin und prangert tief sitzende Missstände an.
„Vielleicht, weil es nicht nur ein paar Idioten auf der Tribüne sind. Vielleicht, weil es viel tiefer geht“
„Hin und wieder haben wir eine große Social-Media-Kampagne, und jeder fühlt sich gut mit sich selbst, und dann kehren wir zur Normalität zurück. Nichts ändert sich jemals wirklich“, schrieb Rüdiger, der am Samstag in Porto mit Chelsea gegen Manchester City um den Königsklassen-Titel spielt.
Um die Super League innerhalb von 48 Stunden zu verhindern, hätten Presse, Fans und Spieler zusammengestanden, „aber wenn es in einem Fußballstadion oder online offensichtlichen rassistischen Missbrauch gibt, ist das immer kompliziert?“, fragte der 28-Jährige rhetorisch. Seine Antwort: „Vielleicht, weil es nicht nur ein paar Idioten auf der Tribüne sind. Vielleicht, weil es viel tiefer geht“, bleibe Rassismus ein gesellschaftliches Dauerproblem.
"Ich wurde hier geboren, aber für einige Deutsche werden ich nie ein Deutscher sein“
Schon als Kind habe er Ausgrenzung erfahren und verinnerlicht. „Ich wurde hier geboren, aber für einige Deutsche werden ich nie ein Deutscher sein“, sei damals eine Lektion gewesen, schrieb Rüdiger, dessen Eltern vor dem Bürgerkrieg in Sierra Leone nach Deutschland geflüchtet waren. „Es ist bittersüß, weil Deutschland meiner Familie alles gegeben hat“, sagte der 40-malige Nationalspieler.
Auch unter Profi-Kollegen sei das Thema Rassismus eine Randnotiz. „Es gibt immer PlayStation, Instagram, Autos, das nächste Spiel - es gibt immer etwas, das uns von harten Gesprächen ablenkt“, sagte Rüdiger. „Posten, Posten, Posten. Das Gefühl, wir haben etwas getan. Und doch haben wir nichts getan. Nichts verändert sich“, beklagte der Berliner, der von rassistischen Beleidigungen in Italien und persönlichen Anfeindungen in England erzählte.
DFB-Star nutzt Reichweite auf Social Media
„Wir werden dieses Problem nicht mit einer Social-Media-Kampagne oder mit diesem Artikel lösen"
Auch sein Text werde keine schnelle Änderung bringen, schrieb Rüdiger. „Wir werden dieses Problem nicht mit einer Social-Media-Kampagne oder mit diesem Artikel lösen. Ich habe zu viel gelebt, um die Hoffnung eines Kindes zu haben. Aber ich bin nicht hoffnungslos. Ich werde weiter kämpfen - für immer. Weil ich weiß, dass es Leute gibt, die sich darum kümmern. Ich weiß, dass es Leute gibt, die mich wirklich hören“, sagte der Profi. Für diese Menschen wolle er das Champions-League-Finale gewinnen - als Junge aus Neukölln. (jma/dpa)