Plädoyers im Prozess um Dreifachmord in Dänischenhagen und KielAnwalt der Nebenklage über Hartmut F.: "Ich halte ihn für einen Psychopathen"

Der Angeklagte Zahnarzt Hartmut F. aus Westensee am voraussichtlich letzten Prozesstag vor dem Urteil.
Der Angeklagte Zahnarzt Hartmut F. aus Westensee am voraussichtlich letzten Prozesstag vor dem Urteil.
RTL Nord
von Kai Ziemen

Der Prozess um den Dreifachmord in Dänischenhagen und Kiel vom 19. Mai 2021 neigt sich dem Ende zu: Bei den Plädoyers fordern Staatsanwaltschaft und Nebenklage lange Haftstrafen für den angeklagten Zahnarzt Hartmut F. Warum der Angeklagte mehrfach auf seine Opfer geschossen haben könnte, erklärt Kriminalpsychologin Lydia Benecke im Gespräch mit RTL Nord.

Nebenklagevertreter bezeichnet den Angeklagten als Psychopathen

An jedem der bisher zehn Prozesstage sitzt Jan Kürschner als Anwalt der Nebenklage dem Angeklagten Hartmut F. direkt gegenüber, hat ihn die ganze Zeit im Blick. Auf ihn wirkt der 48-Jährige nicht so wie andere Menschen, die schwere Verbrechen begangen haben: „Man spürt überhaupt nicht, dass ihn das irgendwie emotional berührt. Leute, die schlimme Taten wie Tötungsdelikte begangen haben, denen merkt man das in irgendeiner Form an. Hier ist wirklich gar nichts“, erzählt der Rechtsanwalt im RTL Nord-Interview. „Ich halte den Angeklagten für einen Psychopathen, der Empathiefähigkeit oder Mitgefühl einfach nicht besitzt.“

Lese-Tipp: „Es gibt keinen Grund, der das rechtfertigen kann“- so gesteht Hartmut F. die Tat vor Gericht.

Kürschner vertritt im Prozess die Familie von Carsten B., der mit dem Angeklagten und seiner getöteten Ex-Frau befreundet war. Laut Anklage erschoss Hartmut F. am 19. Mai 2021 zuerst seine von ihm getrennt lebende Ehefrau und deren neuen Bekannten Tobias H. in Dänischenhagen mit einer Maschinenpistole und dann in Kiel den gemeinsamen Bekannten des Ehepaares B. mit einer halbautomatischen Pistole. Mit der Waffe stellte er sich abends in Hamburg.

Mit 50 Schüssen getötet: Kriminalpsychologin sieht Übertötung

Lydia Benecke hat in Bochum Psychologie, Psychopathologie und Forensik studiert.
Kriminalpsychologin Lydia Benecke hat Psychologie, Psychopathologie und Forensik studiert.
RTL Nord

Eine Erklärung für den Eindruck Kürschners gibt das psychologische Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen: Dieses attestiert dem Angeklagten unter anderem narzisstische Züge. Kriminalpsychologin Lydia Benecke erklärt im RTL Nord-Interview: „Menschen mit narzisstischen Persönlichkeitszügen möchten bewundert werden, sie möchten anerkannt werden für Leistung und häufig gehen diese Persönlichkeitszüge auch einher mit einer Verminderung der Empathie.“

Mit knapp 50 Schüssen soll Hartmut F. seine Ex-Frau und ihren neuen Partner Tobias H. getötet haben – später am Tag folgen dann die Schüsse auf das dritte Opfer. Für Benecke ist der Tatablauf ein Anzeichen für große Wut. „So viele Schüsse abzufeuern, kann man als Übertötung bezeichnen“, erklärt die Kriminalpsychologin. „Dieser Begriff ist so definiert, dass jemand deutlich mehr Gewalt anwendet, als nötig wäre, um eine Person zu töten.“ Der zeitliche Abstand vor der dritten Tötung spreche aber gegen eine Affekttat, so die Einschätzung des psychologischen Gutachtens.

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Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft und sieht besondere Schwere der Schuld

Da während der Verhandlungen mehrere Zeugen unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgesagt haben, finden auch die Plädoyers ohne Publikum und Presse statt. Laut Kürschner fordert die Staatsanwaltschaft lebenslange Haft für den Angeklagten. Sie werfe ihm heimtückischen Mord vor und sehe eine besondere Schwere der Schuld. Das würde eine vorzeitige Entlassung aus der Haft nach 15 Jahren für Hartmut F. nicht möglich machen. Die Nebenkläger schließen sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft an.

Die Verteidigung plädiert hingegen auf dreifachen Totschlag, Mordmerkmale seien nicht erkennbar. Dass er die drei Menschen getötet hat, gestand Hartmut F. bereits im Laufe des Prozesses. Wie das Strafmaß tatsächlich ausfällt, wird sich am Montag (04. April) zeigen – dann soll das Urteil fallen.