Zeuge im Prozess gegen Christian B. schockiert

„Maddie hat nicht einmal geschrien“

03.04.2024, Niedersachsen, Braunschweig: Der Angeklagte Christian B. (l) sitzt im Gerichtssaal im Landgericht Braunschweig neben seinem Anwalt Friedrich Fülscher. Christian B. werden drei Fälle schwerer Vergewaltigung und zwei Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Portugal vorgeworfen. Ermittler verdächtigen den Deutschen auch im Fall Maddie. Foto: Julian Stratenschulte/dpa Pool/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Der Angeklagte Christian B. (l) sitzt im Gerichtssaal im Landgericht Braunschweig neben seinem Anwalt Friedrich Fülscher.
geo, dpa, Julian Stratenschulte
von Alexandra Callenius, Daniel Kandora und Anna-Sophie Schütz

Als Zeuge Helge B. den Saal betritt, scheint Christian B. Panik zu bekommen!
Vielleicht ahnt der Angeklagte sofort, wie sehr ihn sein alter Bekannter belasten wird. Eigentlich steht Christian B. seit Mitte Februar wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs von Kindern vor dem Landgericht Braunschweig – nicht wegen des Verschwindens von Maddie McCann. Trotzdem fällt beim Verhandlungstag am Mittwoch (3. April) plötzlich der Name des kleinen Mädchens!

Zeuge: Ich entdeckte Verstörendes bei Christian B.!

Christian B. sieht blass aus, lässt das Verfahren regungslos über sich ergehen – bis Helge B. den Gerichtssaal betritt. Der Angeklagte reagiert mit aufgerissenen Augen und einem Blick, der als panisch gedeutet werden kann, auf seinen alten Bekannten. Laut Aussage des Zeugen lernen Helge B. und Christian B. sich im Jahr 2006 in Portugal kennen, verstehen sich aber nicht sonderlich gut. Als der Hauptverdächtige im Fall Maddie dann etwas später im Gefängnis sitzt, bricht Helge B. bei seinem Bekannten ein, stiehlt Diesel. Doch nach eigener Aussage stößt er bei seinem Raubzug noch auf etwas anderes: Videokassetten mit verstörenden Aufnahmen.

Videos sollen Vergewaltigungen zeigen

Helge B., ein Kronzeuge im Verfahren gegen den Maddie-Verdächtigen Christian B.
Helge B., ein Kronzeuge im Verfahren gegen den Maddie-Verdächtigen Christian B.
Jon Clarke/Olive Press

Neben Aufnahmen von Partys entdeckt Helge B. nach eigener Aussage auf den Videokassetten vor allem eins: Videos von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigungen. Helge B. will unter anderem gesehen haben, wie Frauen gefesselt, geschlagen und ausgepeitscht werden. „Das ist eine Vergewaltigung, mach mich los!“, soll eine junge, deutschsprachige Frau gesagt haben, die offenbar an einem Balken festgebunden war. Wieder und wieder muss Helge B. detailiert beschreiben, was die Videos gezeigt haben sollen. Christian B. lässt seinen alten Bekannten dabei kaum aus den Augen.

Ein persönliches Interesse an Christian B. habe er nicht, sagt Helge B. auf Nachfrage der Richterin. Der 47-Jährige solle seine gerechte Strafe bekommen. „Wir waren ja auch alle nicht unschuldig, haben Diebstähle gemacht und so. Aber niemand von uns hat jemals jemandem körperlich geschadet.“

Lese-Tipp: Ex-Mitbewohner erinnert sich an Christian B.

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Im Video: So lief der Prozessauftakt am 16. Februar

Plötzlich spricht Helge B. über Maddie!

Hat Christian B. auch der kleinen Maddie McCann körperlich geschadet? Der 47-Jährige ist zwar der Hauptverdächtige in dem Vermisstenfall, mit dieser Frage beschäftigt sich das Gericht in Braunschweig aber nicht. Trotzdem fällt plötzlich der Name des Mädchens. Laut Helge B. soll der 47-Jährige gesagt haben: „Maddie hat nicht einmal geschrien“. Die Vorsitzende Richterin will dieses Thema nicht vertiefen, es ist jedoch nicht das erste Mal, dass Helge B. Christian B. schwer belastet: Laut einer früheren Aussage habe Christian B. ihm gegenüber bereits eingeräumt, mit dem Verschwinden der kleinen Maddie 2007 zu tun zu haben.

Auch von den Videokassetten hat Helge B. schon einmal berichtet. Diese gelten aber als verschwunden. Wohin? „Das wüsste ich auch gern!“, sagt Helge B. an diesem Mittwoch über den möglichen Verbleib der Videos bzw. der gestohlenen Videokameras. Wie glaubwürdig die Aussagen des Zeugen sind, will das Gericht noch herausfinden: Anfang Juni muss Helge B. erneut aussagen.

SPIEGEL TV Doku auf RTL+

Das Verschwinden von Maddie McCann vor 17 Jahren gehört zu den größten Rätseln der Kriminalgeschichte. Bislang konnte nicht geklärt werden, wer das dreijährige Mädchen in Portugal entführte. Doch jetzt ist sich die Staatsanwaltschaft sicher, den wahren Täter zu kennen, und steht kurz davor, Anklage zu erheben: Es soll Christian B. (46) sein.

Für die Dokumentation „Verdächtig im Fall Maddie – Wer ist Christian B.?“ (hier auf RTL+ anschauen) hat sich SPIEGEL TV ein Jahr lang auf Spurensuche begeben und exklusiv mit Freunden und Weggefährten des Tatverdächtigen gesprochen. Dabei wurden neue Erkenntnisse über den Mann gewonnen, der möglicherweise ein Verbrechen begangen haben soll, das die ganze Welt erschüttert hat.

Wenn es in eurem Umfeld sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen gibt oder ihr selbst betroffen seid, findet ihr unter der Nummer 0800 – 22 55 530 oder unter www.hilfe-portal-missbrauch.de Menschen, mit denen ihr darüber sprechen könnt.