Er steht in Hannover wegen Doppelmordes vor Gericht

Ioannis K. (28) soll 111 Mal auf seine eigene Mutter eingestochen haben

Der angeklagte Ioannis K. ist 28 Jahre alt und ledig. Er soll seine Mutter Anja S. und ihren Mann Frank S. ermordet haben.
Der angeklagte Ioannis K. ist 28 Jahre alt und ledig. Er soll seine Mutter Anja S. und ihren Mann Frank S. ermordet haben.
RTL Nord
von Juliana Schatzschneider und Jan Flemming

Der Tatort liegt mitten zwischen Feldern im Dorf Hagen, einem Stadtteil von Neustadt am Rübenberge (Region Hannover). Eine für viele gruselig einsame Lage. Ende Mai werden an diesem Ort zwei Menschen tot aufgefunden: Ioannis K. (28) soll seine Mutter Anja S. und ihren Mann Frank S. brutal ermordet haben. Die Vorwürfe und seine Gründe sind für die Angehörigen kaum zu ertragen. Am Mittwochmorgen (7.12.) beginnt der Prozess gegen den jungen Mann.

Angeklagter Ioannis K. lockte seine Mutter und ihren Mann von hinten ins Haus

30.05.2022, Niedersachsen, Neustadt am Rübenberge: Ein Polizeiabsperrband ist um ein Haus gespannt, vor dem Menschen in Schutzanzügen stehen. In einem abgelegenen Haus in Neustadt am Rübenberge bei Hannover sind am Montag zwei tote Menschen entdeckt worden. Foto: -/TNN/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die zwei Toten wurden in ihrem abgelegenen Haus in der Region Hannover entdeckt.
sb htf, dpa, -

Es ist der 20. Mai 2022 als Ioannis K. das Badezimmerfenster im Haus seiner Mutter und seines Stiefvaters aufhebelt und so in das Haus einbricht. Das Ehepaar ist einkaufen. Als Anja und Frank S. zurückkehren, bekommen sie die Haustür nicht auf. Denn: Ioannis K. hat einen Schlüssel im Schloss abgebrochen, um das Paar durch den Hintereingang ins Haus zu locken. So rekonstruiert die Staatsanwaltschaft beim Prozessauftakt vor dem Landgericht Hannover die Stunden und Minuten vor der angeklagten Tat. Als Ioannis K.s Mutter dann mit ihrem Partner das Haus von hinten betritt, kommt der junge Mann demnach aus dem Zimmer der Enkelkinder und sticht von hinten auf seinen Stiefvater ein.

111 Messerstiche töten die Mutter des Angeklagten

Foto: RTL Nord
Beim Prozessauftakt verliest die Staatsanwältin die Anklageschrift.
Foto: RTL Nord

111 Mal soll Ioannis K. auf seine Mutter eingestochen haben, 70 Mal auf seinen Stiefvater. „Das hat natürlich auch, nachdem das feststand, zu völliger Fassungslosigkeit auf Seiten der Angehörigen geführt“, erzählt Steffen Hörning, der Anwalt der Nebenklage, im RTL-Interview. „Sie selber können sich das bis heute nicht erklären, welch massiver Gewaltdurchbruch da stattgefunden hat.“ Bei den Details zu den zugefügten Verletzungen weinen die Angehörigen des Ehepaares in der Nebenklage, halten sich die Ohren zu. Auch anwesende Journalisten, die regelmäßig in Mordprozessen sitzen, sind entsetzt vom Ausmaß der Brutalität. Ioannis K. schüttelt während einiger vorgelesener Details zu den Abläufen der mutmaßlichen Morde mit dem Kopf. Doch es macht nicht den Anschein, als verneine er den Gesamtvorwurf des Doppelmordes.

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Ioannis K. wollte scheinbar nicht arbeiten, aber auch kein Geld vom Amt

30.05.2022, Niedersachsen, Neustadt am Rübenberge: Ein Polizeiabsperrband ist vor einem Haus zu sehen. In einem abgelegenen Haus in Neustadt am Rübenberge bei Hannover sind am Montag zwei tote Menschen entdeckt worden. Foto: -/TNN/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Durch den Hintereingang soll Ioannis K. seine Mutter und ihren Mann gelockt haben.
sb, dpa, -

Bei seiner Arbeitsstelle sei der Angeklagte irgendwann einfach nicht mehr aufgetaucht, habe offenbar seinen Job ohne Kündigung geschmissen. Immerhin stehe ihm ein Haus zu, behauptet der 28-Jährige laut Staatsanwaltschaft. Das Haus, in dem sein Stiefvater Frank S. und seine Mutter Anja S. wohnten. Welchen Anspruch er tatsächlich auf die Immobilie hat, bleibt am ersten Tag der Verhandlung offen. Ohne das Haus und ohne Einkommen stand Ioannis K. jedenfalls unmittelbar vor der Mittel- und Obdachlosigkeit.

Statt staatliche Hilfen zu beantragen, erwartete Ioannis K. wohl nun von seiner Mutter Anja S. finanzielle Unterstützung. Denn mit dem Staat hat der 28-Jährige es scheinbar nicht so. „Nach dem Inhalt der Anklageschrift soll der Angeklagte Corona-Leugner gewesen sein und dies soll mit ein Grund dafür gewesen sein, dass er nicht zu den Ämtern gegangen ist, um Sozialhilfe zu beantragen“, erzählt Gerichtssprecherin Annika Osterloh im Interview mit RTL. Auch beim Prozessauftakt fummelt Ioannis K. immer wieder an seiner Maske herum, atmet laut und schwer. Als ob er jedem demonstrieren wolle, dass es eine Bürde sei, so ein Stück Stoff vor Mund und Nase zu tragen.

Psychiatrisches Gutachten steht aus

Seit seiner Festnahme im Juni sitzt Ioannis K. in Hannover im Gefängnis. Er ist ledig, seine Familie bestand wohl in erster Linie aus seinen beiden Geschwistern und seiner Mutter Anja S., bevor er die Frau mutmaßlich tötete. Mit seinem Stiefvater und dessen beiden heute erwachsenen Kindern ist er offenbar nicht aufgewachsen. Das Verhältnis zu dem 59-Jährigen sei „problematisch“ gewesen, so die Gerichtssprecherin. Aus der Anklageschrift geht hervor, dass es immer wieder Streit gegeben hätte. Ioannis K.s Mutter habe sich zunehmend auf die Seite ihres Partners geschlagen. Am 20. Mai diesen Jahres sind die Auseinandersetzung wohl eskaliert.

Die Verteidiger des Angeklagten kündigen beim Prozessauftakt eine Einlassung an. Außerdem steht ein psychiatrisches Gutachten aus. Die Gelegenheit für eine Entschuldigung oder Aussage im Anschluss an die Verlesung der Anklage nutzt Ioannis K. am ersten Prozesstag nicht.