Etta wurde nur 27 Tage alt
Nach Tod der Tochter: Mann gründet Fußballmannschaft für verwaiste Väter

Nur 27 Tage nach ihrer Geburt verlieren Samuel und Emily Woolford aus dem englischen Salisbury ihr kleines Töchterchen Etta. Um besser mit seiner Trauer umgehen zu können, gründet Papa Samuel ein Fußballteam – bei dem, wie er sagt, niemand freiwillig Mitglied werden möchte. Das Besondere an der Mannschaft: Hier spielen nur Väter, die ihre Kinder verloren haben.
Baby Etta litt am Hypoplastischen Linksherzsyndrom
Als Samuels Frau Emily in der 20. Schwangerschaftswoche ist, stellt sich bei einer Untersuchung beim Arzt heraus, dass ihr ungeborenes Kind einen schweren Herzfehler hat. Dieser verhindert, dass die Organe des Mädchens ausreichend mit Blut versorgt werden. "Uns wurde gesagt, dass Kinder mit diesem Defekt im frühen Teenageralter sterben, wenn sie keine Herztransplantation bekommen", berichtet Samuel der Nachrichtenagentur "PA Real Life". Doch selbst mit einer Herztransplantation sei der Defekt namens Hypoplastisches Linksherzsyndrom (HLHS) irreparabel, so der Vater weiter. Kein Betroffener sei bisher älter als 30 Jahre alt geworden.
Nach der Diagnose sitzt der Schock bei den werdenden Eltern tief. Doch ein Schwangerschaftsabbruch kommt für das Paar nicht infrage. Und dann - wie durch ein Wunder - macht das kleine Mädchen in Mama Emilys Bauch plötzlich immer mehr Fortschritte. Von Tag zu Tag geht es ihm immer besser - die Ärzte glauben sogar, dass das Baby um eine schwere Operation erst einmal herum kommen könnte. "Wir waren überglücklich", erinnert sich Samuel.
Im November 2019 erblickt Etta Grace Libi Woolford das Licht der Welt. Und auch nach der Geburt scheint sich das Kind zunächst prächtig zu entwickeln. "Ihre Haut war hellrosa, im Gegensatz zu anderen Babys mit Herzerkrankungen, die ein wenig blau aussehen können. Sie war einfach ein süßes, rundes Baby", schwärmt Papa Samuel über sein kleines Mädchen.
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„Die Welt brach zusammen"
Doch an Tag sieben ihres neuen Lebens versagt Ettas Herz, sie muss sofort operiert werden – dreizehn Stunden lang, am offenen Herzen. Und auch nach der Operation geht Ettas Kampf ums Überleben weiter, denn das Herz des kleinen Mädchens wird immer schwächer. Ein paar Wochen später teilen die Ärzte den Eltern mit, dass es keine Rettung mehr für ihr Baby gibt.
„Wir haben noch Abdrücke von ihren Händen und Füßen und ein paar Fotos gemacht“, erinnert sich der trauernde Vater im Gespräch mit "PA Real Life" an die schreckliche Zeit. „Dann haben wir mit ihr gekuschelt und ihr Geschichten vorgelesen, während die Ärzte die Maschine ausgeschaltet haben.“
Am 23. Dezember 2019 verstirbt Etta Woolford, mit gerade einmal 27 Tagen, in den Armen ihrer Eltern. „Die Welt brach zusammen“, so Samuel Woolford.
Posttraumatische Belastungsstörung durch Tod des Babys
Nach Ettas Tod habe er eine tiefe, inbrünstige Trauer verspürt, die durch zwei nachfolgende Fehlgeburten noch verstärkt wurden. Während Emily andere Frauen findet, mit denen sie über ihren Schmerz sprechen kann, findet Samuel kein Ventil für seine tiefe Trauer, die ihn immer mehr einnimmt. Bis heute leidet der Vater an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und wacht nachts schweißgebadet auf, wenn er mal wieder davon träumt, wie seine Etta wiederbelebt wird.
Irgendwann hört Emily von einem Fußballteam für verwaiste Eltern und motiviert ihren Mann dazu, ein solches Team auch in Salisbury zu gründen. Gesagt, getan: Im August 2020 ruft Samuel seine Mannschaft, den Sands United FC Salisbury, ins Leben.
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Durch ihre Trauer verbunden

Schon bald machen sich die Vorteile des Teams, in dem niemand gerne Mitglied sein will, für den vom Kummer übermannten Vater bemerkbar. Als Emily wieder schwanger wird und neun Monate später der gemeinsame Sohn Reuben auf die Welt kommt, hat Samuel ambivalente Gefühle. Doch von seinen Mannschaftskameraden erfährt er dafür nur Verständnis: „Sie alle verstehen, dass die Nachricht von einer neuen Schwangerschaft für Eltern, die ein Kind verloren haben, nicht nur eine glückliche Sache ist“, erklärt Samuel. „In vielen Kreisen ist es für Männer immer noch ein Tabu, über psychische Gesundheit zu sprechen, und es fällt Männern schwer, offen über Verluste zu sprechen. Bei der Fußballmannschaft haben wir es alle durchgemacht, also wissen wir, was wir einander sagen sollen. Die Unterstützung ist von unschätzbarem Wert.“ (dhe)
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