Wie soll man diesen Schmerz verarbeiten?

Nach einer Fehlgeburt: Expertin gibt Tipps zur Trauerbewältigung

Leeres Babybett mit Socken
Eine Fehlgeburt ist ein traumatisches Erlebnis für werdende Eltern.
luchschen, iStockphoto

Es war der wohl schönste Grund für eine Tanzpause bei „Let’s Dance“: Profi-Tänzerin Renata Lusin war schwanger, konnte deshalb in diesem Jahr nicht an der Show teilnehmen. Doch nun die traurige Nachricht: Sie hat das ungeborene Baby verloren. „Ich kann gerade gar nicht sagen, wie ich mich fühle. Ich muss das Ganze erst mal verarbeiten. Aber ich versuche stark zu bleiben“, sagt sie.

So wie Renata und Valentin Lusin geht es leider vielen werdenden Eltern. Laut einer im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichten Studie erleiden etwa 30 Prozent aller Frauen im Laufe ihres Lebens eine Fehlgeburt. Wir wollten wissen: Was macht so ein schreckliches Erlebnis mit den Eltern? Und was kann bei der Bewältigung dieser enormen Trauer helfen? Dazu haben wir mit Sozialpädagogin Nancy Groschoff, Mitarbeiterin beim Bundesverband „Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V.“, gesprochen. Sie begleitet seit mehreren Jahren Eltern, die ein Kind verloren haben und ist auch selbst eine „verwaiste Mutter“.

Frau Groschoff, was macht der Verlust des Kindes bei einer Fehlgeburt mit den Eltern und ihrer Beziehung zueinander?

„Der Verlust des Babys ist für Eltern eine sehr schlimme Erfahrung, die das eigene Leben verändert. Mit dem Sterben eines Kindes – unabhängig vom Alter des Kindes – kehrt sich ein Naturgesetz um. Kinder sterben nicht vor ihren Eltern. Ihnen ist dadurch eine Zukunft genommen worden, die sie leben wollten. Der Tod macht fassungslos. Intensive Gefühle wie Ohnmacht, Schmerz und Trauer sind eine normale Reaktion auf den Verlust.

In einer Beziehung reagieren Eltern oft unterschiedlich. Das ist für eine Paarbeziehung nicht immer einfach, den Partner in seiner Trauer auszuhalten. Wichtig ist es für Eltern, miteinander zu reden und unterschiedliche Gefühle und Wege im Umgang mit der Trauer zu tolerieren.“

Im Video: Traurige Nachricht für die "Let's Dance"-Familie

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Gehen Mütter und Väter unterschiedlich mit der Trauer um?

„Sowohl Mütter als auch Väter trauern um ihr Kind, Aber ja, die Trauer unterscheidet sich zumeist. Frauen drücken ihre Emotionen aus, Männer dagegen versuchen ihre Trauer mit sich selbst auszumachen. Oftmals sind es auch gerade die Väter nach einer Fehlgeburt, denen die Bindung zu ihrem ungeborenen Kind abgeschrieben wird.

Aber auch Mütter erleben, dass eine Fehlgeburt oft mit Sätzen wie ‘Dein Kind hat doch noch gar nicht gelebt’ oder ‘Du kannst doch wieder schwanger werden’ abgetan wird. Eltern sind hier in ihrer Trauer um ihr Kind zusätzlich mit gesellschaftlichen Normen und Erwartungen konfrontiert, die die Trauer erschweren können und zusätzlich verletzen.“

Kommt es häufig vor, dass Frauen danach Schuld- oder Schamgefühle haben, weil sie denken, dass sie "als Frau versagt“ hätten?

„Mütter, die ihr Kind in der Schwangerschaft verloren haben, beschreiben sehr häufig, dass sie sich für den Tod ihres Kindes schuldig fühlen. Sie machen sich dafür verantwortlich und glauben, als Mutter versagt zu haben. Aufbrechen lässt sich das Fühlen und Denken der Mütter mit Geduld, Trost und insbesondere Wertschätzung ihrer Schwangerschaft und ihrer Mutterrolle. Es ist tröstend, wenn Familie und das soziale Umfeld die trauernden Eltern nach einer Fehlgeburt auch als Eltern wahrnehmen und die Trauer ansprechen, damit das verstorbene Kind Raum findet.“

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Was hilft Eltern beim Abschiednehmen? Welche Wege und Rituale helfen, die Trauer zu verarbeiten?

„Trauer braucht Ausdruck. Die eigenen Gefühle ausdrücken zu dürfen, weinen zu können, ist ein wichtiger Schritt in der Trauer um ein verstorbenes Kind. Seinem Kind einen Brief zu schreiben, einen Luftballon steigen zu lassen, jeden Tag eine Kerze für den Sohn oder die Tochter anzünden, das können tragende Rituale sein – insbesondere auch an Tagen wie dem errechneten Geburtstermin, Weihnachten und dem Tag der Fehlgeburt im nachfolgenden Jahr.

Darüber hinaus empfinden es viele Eltern als sehr hilfreich, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Der Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V. bietet ein Netzwerk von Hilfen an. Bundesweit vermitteln wir verwaiste Eltern an Vereine und Selbsthilfegruppen – unabhängig davon, wann ein Kind verstorben ist. Jährlich sterben Tausende Kinder – schon vor oder bei der Geburt, durch Krankheiten, Unfälle, Suizid. Verwaiste Eltern sollen nicht alleine bleiben und Wege finden, um mit dem Unfassbaren weiterzuleben.“

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Was raten Sie Eltern, die das Kinderzimmer schon eingerichtet hatten? Wie geht man mit den Kindersachen um?

„In der Trauer kann es kein ‘richtig’ oder ‘falsch’ geben. Trauer ist individuell und jede Mutter und jeder Vater hat sein eigenes Tempo. Für die erste Zeit kann das bereits eingerichtete Kinderzimmer sehr bedeutungsvoll sein, um den Verlust des Babys zu begreifen, um seine Trauer nicht zu verdrängen. Die Trauer um das eigene Kind wird für Eltern immer eine Rolle spielen. Doch sie verändert sich mit dem Weg und das Bedürfnis, das Kinderzimmer zu verändern, sich von den Kindersachen zum Teil oder gänzlich zu trennen, wird von den Eltern kommen, wenn es für sie der richtige Zeitpunkt ist.

Viele verwaiste Elternpaare heben Erinnerungen auf: Das erste Ultraschallbild, der kleine Strampler, ein Kuscheltier, das sie mit ihrem Kind verbinden. Kostbare Erinnerungen, die sie immer begleiten werden.“

Was raten Sie Frauen bzw. Paaren, die nach einer Fehlgeburt weiterhin einen Kinderwunsch hegen, aber Angst vor Komplikationen in der nächsten Schwangerschaft haben?

„Frauen und Paare, die ein zweites Kind erwarten, können sich meist nicht so unbeschwert freuen wie vor dem Verlust ihres Kindes. Die Angst vor Komplikationen und davor, dass sich eine Fehlgeburt wiederholen könnte, ist meist groß.

Oft ist es hilfreich, den Verlust des Kindes hinreichend betrauert zu haben. Die Zeitspanne dafür ist unterschiedlich. Es gibt Eltern, die sich schneller wieder mit dem Kinderwunsch auseinandersetzen als andere. Für das Elternpaar muss es sich gut anfühlen, erneut ein Kind zu bekommen. Eine Ambivalenz zwischen Vorfreude und Angst bleibt ein Stück weit und ist normal. Doch ab dem für die Eltern richtigen Zeitpunkt überwiegt meistens die Vorfreude auf ihr zweites Kind.“