Frankreich: Verhör liefert keine neue Spur im Cold Case
Mysteriöser Vierfachmord in den Alpen: Verdächtiger Motorradfahrer schon wieder frei

Im September 2012 werden drei Urlauber aus Großbritannien mit Kopfschüssen getötet, außerdem stirbt ein Radfahrer. Das kaltblütige Verbrechen in der Urlaubsidylle der französischen Alpen wird zum Cold Case, doch am Mittwoch gibt es eine Festnahme – und kurz Hoffnung auf einen Durchbruch. Doch der verdächtige Motorradfahrer ist schon wieder auf freiem Fuß.
Urlauber auf Parkplatz bei Annecy erschossen

Nach einer Rekonstruktion am Tatort im September hätten sich Unstimmigkeiten ergeben, ein vor Jahren bereits Verdächtiger werde nun erneut verhört, hieß es zunächst. Es gehe darum, Zeitabläufe zu überprüfen, gab sich Staatsanwältin Line Bonnet in Annecy wortkarg. Das Gewahrsam des am Morgen festgesetzten Mannes wurde abends verlängert, am nächsten Tag ging die Befragung weiter.
Auf einem Waldparkplatz in Chevaline nahe Annecy hatte im September 2012 ein Unbekannter ein in Großbritannien lebendes irakischstämmiges Urlauberpaar und die Mutter der Ehefrau erschossen. Sie lagen tot in ihrem Auto. Ebenfalls getötet wurde ein offensichtlich zufällig vorbeikommender Radfahrer. Nur die beiden Töchter des bei London lebenden Paares im Alter von vier und sieben Jahren überlebten.
Motorradfahrer war schon 2014 unter Verdacht
Bei dem nun erneut verhörten Mann handelte es sich um einen 2014 bereits Verdächtigten. Der Motorradfahrer war Waldarbeitern zur Tatzeit in der Umgebung aufgefallen, mit einem Phantombild wurde nach ihm gefahndet. Er meldete sich nicht bei der Polizei, die Auswertung von Handydaten aber ergab, dass er zur Tatzeit in der Nähe war. Er habe sich zum Paragliding, seinem Hobby, in Tatortnähe aufgehalten, sagte der Mann damals aus.
Im September hatten die Ermittler einen Ortstermin organisiert, um mit verschiedenen Beteiligten mögliche Abläufe rund um die Tat zu rekonstruieren und so auf mögliche neue Ansätze zu stoßen. Auch die Waldarbeiter und der Motorradfahrer wurden eingebunden. Dabei ergaben sich mögliche Ungereimtheiten bei den Zeitangaben des Motorradfahrers. Hatte er doch etwas mit der Tat zu tun?
Verdächtiger im Cold Case wieder frei

Die Hoffnung, dass mit seiner Vernehmung die Lösung des Falles näher rückt, löste sich dann aber am Donnerstagnachmittag in Luft auf. Der festgesetzte Mann sei aus dem Gewahrsam entlassen worden, ohne dass sich irgendwelche Vorwürfe gegen ihn ergeben hätten, teilte Staatsanwältin Bonnet mit. Anhand seiner Erklärungen sowie Überprüfungen könne eine eventuelle Beteiligung am Tatgeschehen ausgeschlossen werden. Die Ermittlungen in dem Fall gingen aber weiter, um den oder die Täter zu finden.
Mord in den Alpen mit seltener Waffe

Den Opfern war damals jeweils zweimal mit einer seltenen Waffe in den Kopf geschossen worden, das ältere Mädchen wurde beim Versuch zu fliehen im Rücken getroffen und schwer verletzt. Es handelte sich um eine automatische Pistole vom Typ Luger 06, die Anfang des vergangenen Jahrhunderts entwickelt worden war und als sehr beliebt bei Waffensammlern gilt. Weil auch bei dem Motorradfahrer damals alte Waffen gefunden wurden, geriet er zusätzlich unter Verdacht.
Die Opferfamilie war offensichtlich zum Urlaub auf einem Drei-Sterne-Campingplatz in der beliebten Ferienregion. Vor dem Hintergrund eines möglichen Erbstreits als Motiv hatte ein französisch-britisches Ermittlerteam auch ein Familienmitglied vorläufig festnehmen lassen. Hier aber gab es ebenfalls nicht ausreichend Belastungsmaterial, der Mann kam frei. Der aus dem Irak stammende Familienvater hatte in der Raumfahrtbranche gearbeitet. Die Polizei prüfte auch Spekulationen, er könnte in Spionageaktivitäten verwickelt sein – diese Ermittlungen blieben ohne Resultat.
Verbrechen in Chevaline inspirierte Ulrich Wickert bei Roman
Der besonders mysteriöse und grausame Fall inspirierte außerdem Ex-"Tagesthemen"-Moderator Ulrich Wickert bei einem seiner Kriminalromane. Das Tatgeschehen in dem Roman "Das marokkanische Mädchen" (2014) ähnelt dem von Chevaline, wurde aber in die Nähe von Paris verlegt. (dpa/bst)