Rattengift im Knoblauchdip
Mutter und zwei Kollegen vergiftet: Sechs Jahre und sechs Monate Haft für Stargeiger Marcus H.
Es bleibt die Frage nach dem „Warum?“
Erst mischt Marcus H. seiner 93-jährigen Mutter Rattengift ins Essen, dann versucht er, zwei Orchester-Kollegen auf die gleiche Weise zu töten. Davon sind die Richter am Landgericht Hannover überzeugt und schicken den „Todesgeiger“ wegen versuchten Mordes und versuchter Körperverletzung in zwei Fällen für sechs Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Nicht nur für seine Opfer bleibt sein Motiv im Dunklen.
Stargeiger wegen versuchten Mordes verurteilt: „Die Fäden laufen bei Ihnen zusammen“
Das Urteil gegen den ehemaligen Musiker des Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchesters war mit Spannung erwartet worden. Der Fall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. „Ich habe Mordgedanken gehabt und mich über Gift informiert!“, sagte der 62-Jährige zu Prozessbeginn. Die Staatsanwaltschaft hatte zwölf Jahre Gefängnis für den Angeklagten gefordert, seine Anwälte plädierten auf einen Freispruch, weil ihm die Taten nicht zweifelsfrei nachzuweisen seien.
Das sah das Gericht anders: „Diese Fäden laufen ohne Zweifel bei Ihnen zusammen“, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Wenn drei Personen das gleiche Gift bekämen, im gleichen Zeitraum Symptome einsetzten und alle den 62-Jährigen kennen. „Solche Zufälle gibt es nicht“, so das Gericht. Marcus H. sei ohne Zweifel „das Bindeglied für diese beiden zeitparallelen, giftparallelen Fälle“.
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Rattengift im Knoblauchdip: Der Fall Marcus H.
Im September 2022 hat Marcus H. seiner 93 Jahre alten Mutter in einem Seniorenheim in Hannover Rattengift in Lebensmittel gemischt. Wahrscheinlich in Form von Kaffee, Kuchen oder Cola. Einige Tage später hat er zwei Orchesterkollegen – ein Mann und eine Frau – auf einer Konzertreise einen Knoblauchdip mit dem Gift gereicht. Die Opfer erlitten lebensgefährliche Blutgerinnungsstörungen.
Über seine Mutter hatte der 62-Jährige in einer WhatsApp-Familiengruppe zuvor geschrieben, „irgendwann, wahrscheinlich bald, müssen wir sie gehen lassen“. Ihre Vergiftung wertete das Gericht als versuchten Mord mit Merkmal Heimtücke und verhängte dafür fünf Jahre und neun Monate Gefängnis. Die Vergiftung seiner Kollegen stuften die Richter wegen vieler Unbekanntheiten in beiden Fällen als gefährliche Körperverletzung ein.
Noch zu Prozessbeginn hatte Marcus H. beteuert, es sei „ganz unvorstellbar“, seiner Mutter oder seinen Freunden zu schaden. Er gab aber zu, tatsächlich Rattengift bestellt zu haben, um einem Kollegen zu schaden, von dem er sich gemobbt fühlte. Diese Pläne habe er jedoch aufgegeben, das Gift entsorgt. Die Richter glaubten ihm diese Geschichte nicht.
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„Todesgeiger“ Marcus H.: Gutachter sah Wiederholungsgefahr
Während die Plädoyers verlesen wurden, schaute Marcus H. immer wieder nach unten auf seine Hände. Bis zuletzt war selbst für Gutachter Dr. Christian Wiedemann schwer zu deuten, was in dem 62-Jährigen vorging. „Wenn ich nicht weiß, warum Herr H. seine Mutter umbringen will, dann kann ich nicht wissen, wie gefährlich er ist“, sagte der Mediziner. Zwar stellte er kein schweres Krankheitsbild fest, konnte aber auch nicht ausschließen, dass Marcus H. erneut handle. „Auch wenn er sich ungefährlich gibt, es ist ungewöhnlich, dass er drei Menschen umbringen wollte“, so Wiedemann.
Auch der Richter sagte in seiner Urteilsbegründung, dass über die Tatmotive nur spekuliert werden könne. „Wir wissen es nicht, wir können in ihren Kopf nicht reinschauen“, so seine Bilanz. Marcus H. stand wegen der Vorwürfe schon zum zweiten Mal vor Gericht, die erste Hauptverhandlung wurde wegen der Erkrankung einer Richterin ausgesetzt und musste neu beginnen.