Mit dem Studium gegen den Pflegenotstand
Mitten in der Corona-Krise: Darum gehen Jelena, Elodie und Stefan in die Pflege

Der Corona-Applaus von den Balkonen war schon längst verhallt – trotzdem haben Elodie Bossert, Stefan Pavljak und Jelena Gräf im letzten Herbst mit dem Pflegestudium begonnen. Sie wollen die Pflege verändern. Das Studium ist eine Möglichkeit. Doch bleiben die angehenden Akademiker am Krankenbett?
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Deutschland hinkt hinterher
Elodie Bossert möchte Menschen die Angst nehmen – „nicht einfach nur auf das Physische eingehen, sondern auch emotional für sie da sein.“ Die 21-jährige hat im Herbst angefangen, Pflege an der Charité zu studieren. Die Entscheidung fiel ihr leicht, denn so kann sie Menschen helfen und gleichzeitig den Pflegeberuf weiterentwickeln. International gesehen ist Deutschland ein Nachzügler – in anderen Ländern ist das Studium selbstverständlich.
Stefan Pavljak wusste lange Zeit nicht, was er beruflich machen möchte. In der Altenpflege hat der Anfang 30-jährige dann seine Erfüllung gefunden – eigentlich wollte er mit der Ausbildung beginnen, durch Zufall hat er das Studium entdeckt. „Ich hoffe, es bietet neue Impulse für die Pflege,“ so Stefan. Mit dem Studium sollen die neue Pflegekräfte den steigenden Ansprüchen im Beruf gerecht werden.
Schwere Krankheiten, Sterbebegleitung und Einsamkeit
Erst durch die Corona-Pandemie wurde der Pflegenotstand für alle sichtbar: Die Menschen in Deutschland werden immer älter, die Zahl der chronisch Erkrankten steigt und Pflegekräfte leisten eine unfassbar wichtige Arbeit.
Das Studium verbindet Theorie und Praxis – und die ist manchmal härter als erwartet: schwere Krankheiten, Sterbebegleitung und Einsamkeit. Bereits der zweite Praxiseinsatz hat Jelena Gräf stark geprägt. „Wir hatten einen Patienten, den ich quasi immer gepflegt habe. Bei ihm war es so, dass er allein war – wie viele andere wegen der Pandemie,“ erzählt die 22-jährige.
Stefan hat in seinem zweiten Einsatz Corona-Patienten betreut. „Es war nicht immer leicht zu sehen, wenn sie von der Intensivstation kamen und der Beatmung entwöhnt werden mussten.“ Gleichzeitig war es für ihn umso schöner, die Fortschritte bei den Patienten zu sehen.
Vor welchen Herausforderungen die Studierenden stehen und was sie sich für die Zukunft der Pflege wünschen, sehen Sie im Video.
Wachsende Ansprüche, wenige Befugnisse
Um den steigenden Ansprüchen gerecht zu werden, soll nun auch in Deutschland die Pflege akademisiert werden. Das Studium an der Charité ist in der Pandemie gestartet und auch das Deutsche Herzzentrum Berlin (DHZB) beginnt mit einem neuen Pflegestudiengang.
Dabei geht es nicht darum „Abiturienten für die Pflege zu gewinnen, es geht darum, dass Pflegende formale Entscheidungsbefugnisse erhalten,“ sagt Sebastian Dienst, Pflegedirektor im DHZB. Denn obwohl Pflegende eine umfangreiche Ausbildung erhalten, sind die oft abhängig von ärztlichen Entscheidungen. Das verursacht Frust – dagegen soll die akademische Ausbildung helfen, erklärt Dienst weiter.
Auch der Deutsche Pflegerat steht hinter der Akademisierung – aber nicht ohne Kritik. Die Ausbildung bietet eine Vergütung, bei den Praxiseinsätzen im Studium fehlt diese. Kritiker der Akademisierung befürchten außerdem, dass Pflegende mit Hochschulabschluss in Leitungspositionen oder die Forschung gehen – doch wer betreut dann die Patienten?
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Selbstbewusst in die Zukunft

Die Frage lässt sich für die drei Studierenden an der Charité leicht beantworten: Sie haben sich für den Beruf entschieden, um Patienten zu begleiten, für sie da sein und zu pflegen. Trotzdem soll die Weiterentwicklung der Pflege nicht vernachlässigt werden. „Also für meine Zukunft kann ich mir vorstellen in beide Richtungen zu gehen – zum einen am Bett zu arbeiten, aber natürlich auch zu forschen, wie das ganze verbessert werden kann,“ so Elodie.
Für die Zukunft wünscht sich Jelena „auf jeden Fall Anerkennung. Ich glaube, eine Finanzierung würde auch helfen, mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, den Beruf in Erwägung zu ziehen.“ Das Studium soll die Qualität der Ausbildung und das Ansehen des Berufes steigern. Bis zum 31. Juli 2021 läuft die Bewerbungsfrist für den Bachelorstudiengang Pflege an der Charité.
Die drei wünschen sich, dass das Studium einen Beitrag liefert, damit sich mehr Menschen für die Pflege begeistern und sie gemeinsam ein besseres Arbeitsumfeld schaffen können. Dann haben Pflegende auch wieder Zeit, Menschen die Angst zu nehmen.