Seit ihrem 21. Lebensjahr Frührentnerin
Lunge wie ein Kleinkind: Michelle (26) lebt mit ständiger Atemnot

Nur 20 Prozent! So niedrig ist Michelles (26 aus Bayern) Lungenkapazität. Das Atemzugvolumen bei einer erwachsenen gesunden Frau liegt in Ruhe bei etwa 390 ml, Neugeborene haben ein Atemzugvolumen von circa 18 ml, bei Kindern (sechs bis sieben Jahre) steigt der Wert auf etwa 200 ml an. Das heißt: Michelles Atemzugvolumen liegt bei dem eines Kleinkindes. Ein sogenannter Sauerstoffkonzentrator ist daher ihr ständiger Begleiter. Mit ihm und den richtigen Medikamenten bleibt ihr gesundheitlicher Zustand relativ stabil. Doch wenn wichtige Medikamente nicht erhältlich sind – wie vor kurzem erst –, kann es gefährlich werden.
Auf der Strecke geblieben

Schon seit ihrer Kindheit hat Michelle Probleme mit der Lunge: Sie hatte häufig Infekte und bekam schlecht Luft. Mit zwölf Jahren hatte sie nur noch 50 Prozent ihrer Lungenfunktion. Gerade für einen Teenager sehr belastend: „Ich konnte mit Gleichaltrigen nicht mithalten, was beispielsweise den Sport anging oder allgemein beim Spielen, wie Fangen,“ erzählt die junge Frau im RTL-Interview. Als Kind ausgeschlossen gefühlt habe sie sich allerdings nicht, „das kam erst im Teenageralter, als Freunde dann auf Partys gegangen sind oder in Clubs waren. Da konnte ich einfach körperlich nicht mithalten, weshalb ich dadurch auch ausgegrenzt war. Die anderen Gleichaltrigen sind mehr zusammengewachsen und ich hingegen blieb irgendwie auf der Strecke.“ Auch bei ihren häufigen Krankenhausaufenthalten bekam sie nie Besuch von Freunden, obwohl diese sich angekündigt hatten. In dieser Zeit lernte sie ihren heutigen Mann Alex kennen. Er und ihre Familie waren immer für sie da. Bei ihm fühlte sie sich nie als „die Kranke“, für ihn war sie einfach Michelle, in die er sich verliebt hatte. Im Alltag braucht sie viel Hilfe, beim Duschen und Ankleiden, sie kann nicht alleine rausgehen, ist auf den Rollstuhl angewiesen.
Wochenlanges nervenaufreibendes Warten auf ein wichtiges Medikament
Die vergangene Zeit war zusätzlich belastend und nervenzehrend für Michelle. Das Kombi-Präparat Ipramol, auf das sie angewiesen ist, war wochenlang in ihrer Apotheke nicht erhältlich. Michelle recherchierte bundesweit, kontaktierte Bekannte, doch ohne Ergebnis. Ängstlich und hilflos habe sie sich gefühlt in diesen Wochen. Ohne das Medikament käme sie morgens nicht aus dem Bett, sagt sie im RTL-Interview. Die Inhalationen weiten die Bronchien und entspannen die Atemmuskeln. Antibiotika wirken gegen gefährliche Keime.
Ein Lungenfacharzt in Deggendorf wurde durch einen Artikel im regionalen Donau-Anzeiger auf Michelles Situation aufmerksam und half sofort: Zusammen mit einer Apothekerin versuchte er das Medikament aufzutreiben. Mit Erfolg: Einige Tage später konnte Michelles Schwester das ersehnte Medikament in der Apotheke abholen. Allerdings musste sie dafür eine 40-minütige Fahrt zurücklegen. Mittlerweile, erzählt Michelle erleichtert, sei das Präparat auch in ihrer Apotheke wieder erhältlich.
Im Video: Michelle konnte sich wegen ihrer Lungenkrankheit nicht gegen Corona impfen lassen
Positive Einstellung zum Leben - trotz Krankheit
Michelle ist seit ihrem 21. Lebensjahr Frührentnerin, sie bezieht eine Erwerbsminderungsrente. In ihrem gelernten Beruf als Bürokauffrau kann sie nicht mehr arbeiten. Obwohl ihr die Ausbildung in einem Integrationsbetrieb damals viel Freude gemacht hat.
Michelle legt großen Wert auf ihre Selbständigkeit. Sie versucht, sich ihren Alltag so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten. Mit Hobbys wie Aquarellmalen, Lesen und Content für ihren Instagram-Account zu kreieren. Ihre Reichweite dort nutzt sie auch, um sich für andere Menschen mit seltenen und unbekannten Krankheiten einzusetzen. Zweimal die Woche macht sie eine Atemtherapie, um das Lungenvolumen einigermaßen stabil zu halten.
Im Mai stehen zwei Wochen Urlaub auf der Ostseeinsel Rügen an – dringend notwendige Erholung für die Psyche und den Körper.