Regierungskrise in GroßbritannienLiz Truss: Britische Premierministerin informierte König Charles - und trat dann zurück

Die britische Premierministerin Liz Truss tritt nach nur sechs Wochen im Amt zurück. Das sagte die konservative Politikerin am Donnerstag bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in der Londoner Downing Street.

König Charles III. schon informiert

Sie werde noch so lange im Amt bleiben, bis ein Nachfolger ernannt worden sei, sagte die konservative Politikerin in London vor dem Amtssitz. Sie sei mit der Vision angetreten, über niedrige Steuern hohes Wachstum zu ermöglichen, sagte Truss in ihrer kurzen Rede. Dieses Mandat habe sie jedoch nicht erfüllen können. Sie habe bereits mit König Charles III. darüber gesprochen. Truss geht damit wohl als Regierungschefin mit der kürzesten Amtszeit in die britische Geschichte ein. Zuvor hielt George Canning den Rekord, der 1827 nach nur 119 Tagen im Amt starb.

„Ich erkenne an, dass ich in dieser Situation das Mandat, mit dem ich von der Konservativen Partei gewählt wurde, nicht erfüllen kann“, sagte Truss. „Ich habe daher mit Seiner Majestät dem König gesprochen, um ihm mitzuteilen, dass ich als Vorsitzende der Konservativen Partei zurücktrete.“ Innerhalb der nächsten Woche solle bereits die Wahl der neuen Parteiführung erfolgen. „Dies wird sicherstellen, dass wir auf dem Weg bleiben, unsere finanzpolitischen Pläne umzusetzen und die wirtschaftliche Stabilität und die nationale Sicherheit unseres Landes zu erhalten“, sagte Truss.

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Wer ihre Nachfolge antreten wird, ist unklar. Es gab zunächst keine klare Favoritin oder klaren Favoriten. Der erst kürzlich ins Amt gekommene Finanzminister Jeremy Hunt lehnte Berichten zufolge eine Kandidatur umgehend ab. Ex-Finanzminister Rishi Sunak war im Sommer in einer Stichwahl um die Nachfolge von Ex-Premier Boris Johnson gegen Truss unterlegen. Doch er gilt als umstritten in der Fraktion. Als mögliche Alternativen gelten auch die für Parlamentsfragen zuständige Ministerin Penny Mordaunt und Verteidigungsminister Ben Wallace.

Russisches Außenministerium begrüßt Rücktritt

Wer auch immer es wird: Die konservative Fraktion will bis zum 31. Oktober einen neuen britischen Premierminister ins Amt gehoben haben, wie Graham Brady, der Vorsitzende des mächtigen 1922-Komitees der Konservativen Fraktion mitteilte. „Wir sind uns sehr bewusst über die Notwendigkeit im Sinne des nationalen Interesses, dies sehr schnell und klar zu regeln“, sagte Brady. Im Sommer hat sich die Findung eines Nachfolgers des skandalgeplagten Ex-Premiers Boris Johnson wochenlang hingezogen.

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Das russische Außenministerium begrüßte den Abgang von Truss. Sie werde wegen ihres „katastrophalen Analphabetismus“ in Erinnerung bleiben. „Großbritannien hat noch nie eine solche Schande eines Premierministers erlebt“, sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa. Truss hatte der Ukraine im Krieg gegen die russischen Invasoren ihre Unterstützung zugesichert.

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Britisches Pfund legt nach Rücktritt zu

Das britische Pfund wertete nach der Ankündigung auf: Der Kurs legte um knapp ein Prozent zum Dollar zu. Der britische Aktienmarkt legte ebenfalls um rund ein Prozent zu.

Vor der kurzen Rücktrittsrede von Truss hatten sich Vertreter der konservativen Partei in der Downing Street versammelt, nachdem eine wachsende Zahl ihrer eigenen Abgeordneten sie zum Rücktritt aufgefordert hatte.

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Rund 24 Stunden vor ihrem Rücktritt hatte sie noch im britischen Unterhaus beteuert, nicht aufgeben zu wollen und „eine Kämpferin“ zu sein. Nun wies sie zwar auf die schwierigen ökonomischen Zeiten und die politische Instabilität auf dem ganzen Kontinent hin, räumte aber auch ein, unter den aktuellen Bedingungen ihre Vision des radikalen Wirtschaftswachstums nicht mehr umsetzen zu können.

Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei forderte eine sofortige Neuwahl. Truss war bereits ohne eigenes Mandat ins Amt gekommen, nachdem sie im vergangenen Monat den skandalumwitterten Boris Johnson abgelöst hatte. Auch die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon forderte eine Parlamentswahl. „Eine Neuwahl ist nun ein demokratischer Imperativ“, schrieb die Chefin der Schottischen Nationalpartei SNP am Donnerstag auf Twitter.

Nach Steuersenkungsplänen: Fiasko an den Finanzmärkten

Truss hatte erst Anfang September die Nachfolge von Boris Johnson angetreten, der nach mehreren Skandalen und Eklats auf Druck der eigenen Partei zurückgetreten war. Doch bereits seit Mitte September kämpft Truss um ihr politisches Überleben im Amt, nachdem sie mit ihren Steuersenkungsplänen ein Fiasko an den Finanzmärkten ausgelöst hatte und sich zu einer Kehrtwende gezwungen sah. Erst kürzlich hatte die britische Zeitung „Daily Star“ einen Wettbewerb ins Leben gerufen, wer länger durchhält: Ein Salatkopf oder Liz Truss.

Am Mittwoch beschleunigte das Ausscheiden von Innenministerin Suella Braverman den Verfall der Regierung. Zudem kam es im Parlament zu tumulthaften Szenen. Teilweise sollen konservative Abgeordnete eingeschüchtert und bedrängt worden sein, damit sie für die Regierung abstimmen. Viele Beobachter bezeichneten die Szenen als nie da gewesen. Der Labour-Abgeordnete Chris Bryant sagte der BBC, konservative Kollegen hätten an seiner Schulter geweint.

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In ihrer Partei wuchs zunehmend der Unmut und Widerstand gegen sie. Umfragen zufolge liegen die Konservativen etwa 30 Prozentpunkte hinter der oppositionellen Labour-Partei. Bei dem Forschungsinstitut YouGov ist Truss die unbeliebteste Regierungschefin seit dem Beginn der Erhebungen. (reuters/dpa)