Schafft Verstappen dieses Jahr die Wachablösung?Warum die Formel-1-WM (noch nicht) entschieden ist

dpatopbilder - 20.06.2021, Frankreich, Le Castellet: Motorsport: Formel-1-Weltmeisterschaft, Großer Preis von Frankreich. Sieger Max Verstappen (r) aus den Niederlanden vom Team Red Bull Racing und der Zweitplatzierte Lewis Hamilton aus Großbritannien vom Team Mercedes lassen auf dem Podium Champagner aus einer Flasche spritzen. Foto: Francois Mori/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Titelverteidiger Lewis Hamilton und Herausforderer Max Verstappen liefern sich 2021 einen WM-Kampf auf höchstem Niveau
MF mka exa, dpa, Francois Mori

von Mats-Yannick Roth
Seit vier Grands Prix hat Serienweltmeister Mercedes nun schon kein Rennen mehr in der Formel 1 gewonnen. Eine derart lange Durststrecke hat es schon seit 2013 in der Königsklasse nicht mehr für die Silber- beziehungsweise Schwarzpfeile gegeben. Die Zeichen stehen auf Wachablösung - oder doch nicht?

Saison noch lange nicht gelaufen

Lewis Hamilton betrieb in den letzten Wochen lediglich Schadensbegrenzung. Obwohl er seit dem Großen Preis von Spanien Anfang Mai auf einen Sieg in der Königsklasse des Motorsports wartet und er sich zuletzt in Le Castellet und Spielberg recht chancenlos hinter Max Verstappen geschlagen geben musste, beträgt der Rückstand auf den WM-Leader nur 18 Punkte.

Alles also noch drin für den Rekordchampion, der seinen achten Fahrer-WM-Titel längst nicht abgeschrieben hat. 15 Rennen stehen in der zweiten Jahreshälfte noch aus, die Kräfteverhältnisse aus Mercedes-Sicht wieder geradezurücken. Aber ist das überhaupt noch machbar? Oder ist der Titelkampf in der Formel 1 nach den bereits vier Saisonsiegen von Verstappen nicht schon längst vorentschieden?

SPIELBERG, AUSTRIA - JUNE 27: Max Verstappen of the Netherlands driving the (33) Red Bull Racing RB16B Honda leads Lewis Hamilton of Great Britain driving the (44) Mercedes AMG Petronas F1 Team Mercedes W12 during the F1 Grand Prix of Styria at Red Bull Ring on June 27, 2021 in Spielberg, Austria. (Photo by Bryn Lennon/Getty Images)
Verstappen vor Hamilton - seit einigen Grands Rix das vertraute Bild in der F1.
AJB / WTM, Getty Images, Bongarts

Das spricht im Titelkampf für Verstappen

  • Der Red Bull RB16B hat in allen Bereichen aufgeholt

Der Red Bull RB16B hat in allen Bereichen aufgeholt

Max Verstappen ist in seinem Red Bull ist so konkurrenzfähig wie nie. In seinen ersten Jahren in der Formel 1 bedingten seine Siege Fehler der Konkurrenz. Der oberste Platz auf dem Siegerpodest war meist nur möglich, wenn die Mercedes-Konkurrenz patzte.

Das ist in diesem Jahr komplett anders. Red Bull hat mit seinem RB16B in allen Belangen auf Mercedes aufgeholt und den F1-Dominator der vergangenen sieben Jahre in einigen Bereichen sogar überholt. Ob die Pace im Qualifying, die Performance in kurvenlastigen Streckenabschnitten, das Aerodymanik-Paket oder das stabile Reifenmanagement: In allen einstigen Mercedes-Domänen sind die Roten Bullen in diesem Jahr dran oder sogar besser.

Diese Konkurrenzfähigkeit ist ausschlaggebend dafür, dass Red Bull überhaupt vom ersten Fahrer- und Konstrukteurstitel seit 2013 träumen darf.

  • Verstappen fährt weltmeisterlich

Dass Max Verstappen der vermeintlich schnellste Pilot im gesamten Fahrerfeld ist, beweist der Niederländer schon seit vielen Jahren immer wieder. Anders wäre seine Erfolgsbilanz von zehn Grand-Prix-Siegen schon vor der 2021er-Saison nicht zu erklären.

Der große Unterschied zu seinen Anfangsjahren in der Königsklasse ist, dass er seine Quote an vermeidbaren Fahrfehlern nochmals deutlich reduziert hat. Zu Beginn seiner 2015 gestarteten Formel-1-Karriere verwickelte sich Verstappen mit seinem kompromisslosen, zum Teil ungestümen und rücksichtslosen Fahrstil in Unfälle, die viele WM-Punkte und Podiumsplatzierungen kosteten. Schnell hat er den Spitznamen "Mad Max" weg.

Im Jahr 2021 ist Verstappen endgültig zu einem abgeklärten Siegfahrer gereift, der überragende fahrerische Fähigkeiten mit seinen Erfahrungen aus 126 Grand-Prix-Starts verbindet.

  • Der bessere Teamkollege

Bleibt es derart eng zwischen Verstappen und Hamilton im WM-Fight, könnten Sergio Pérez und Valtteri Bottas als Wingmen schnell mal zum Zünglein an der Waage werden. Nach anfänglichen Problemen im neuen Auto kommt Checo Pérez mittlerweile bestens im Red Bull zurecht und hat den Abstand auf Lewis Hamilton reduzieren können. Womöglich ist er bald sogar in der Lage, dem Titelverteidiger auf der Piste die Stirn zu bieten und Hamilton so wichtige WM-Zähler abzuknöpfen.

Hingegen erscheint die Konstellation, dass Valtteri Bottas in seiner diesjährigen fahrerischen Form einmal vor Max Verstappen landen könnte, fast schon ausgeschlossen. Bis auf das Baku-Rennen Anfang Juni, als Verstappen in Führung liegend mit Reifenplatzer ausfiel, landete der Finne in allen anderen sieben WM-Läufen klar hinter dem Niederländer.

 44 Lewis Hamilton Mercedes AMG Team F1. Formula 1 World Championship, WM, Weltmeisterschaft 2021, Styrian GP 2021, 24-27 June 2021 PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xFedericoxBasilex/xIPAx/xIPAx/xFedericoxBasilex/xIPAx 0
Muskelmann: Einen Lewis Hamilton darf man nie abschreiben
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Das spricht im Titelkampf für Hamilton

  • Mercedes hat das stabilste Auto im Feld

Ein Ausfall des Red-Bull-Rivalen genügt, und Hamilton könnte in der Fahrerwertung schon wieder vorbei ziehen. Dass sein Mercedes-AMG W12 selbst mal mit technischem Defekt oder einem Reifenschaden ausfällt, ist derweil nahezu ausgeschlossen.

In Sachen Zuverlässigkeit hat das deutsch-britische Team in den letzten Jahren absolute Maßstäbe in der Formel 1 gesetzt. Seit 57 Rennen (!) hat Lewis Hamilton jedes Mal die Zielflagge gesehen. Nicht ein einziges Mal versagte beim Mercedes-Boliden dabei die Technik. Der letzte Ausfall Hamiltons datiert aus dem Jahr 2018, als er am 1. Juli in Spielberg mit fehlendem Benzindruck ausrollte.

Im gleichen Zeitraum fiel Max Verstappen im Red Bull übrigens 10 Mal aus.

  • Mercedes-Upgrades im Laufe der Saison

Teamchef Toto Wolff wurde in den letzten Tagen nicht müde zu betonen, dass im laufenden Kalenderjahr keine großen Leistungssprünge mehr zu erwarten seien: "Die Entwicklung beim Motor ist eingefroren, die Aerodynamik fast ausgereizt. Dieses Jahr geht nicht mehr viel." Es gehe "einzig darum, die Reifen richtig zu verstehen".

In diesem Bereich können die Schwarzpfeile noch aufholen - und werden es wohl auch noch tun. Ob und welche Aerodynamik-Upgrades noch folgen werden, ließ der Mercedes-Boss derweil noch offen. Abgeschenkt wird das Jahr 2021 in Brackley auf keinen Fall, dafür steckt auch im Übergangsjahr 2021 schlichtweg zu viel Geld in dem Formel-1-Projekt.

Von Modifizierungen ist also in den kommenden Wochen also durchaus noch auszugehen. Das bestätigte auch der Technische Direktor des Teams, James Allison, jüngst ganz offiziell: "Wir haben eine ordentliche Anzahl an Dingen, die unser Auto in den kommenden Rennen schneller machen werden", so Allison im Podcast "F1 Nation".

  • Die Erfahrungen eines siebenmaligen Weltmeisters

Das größte Pfund im heißen WM-Duell mit Max Verstappen bringt Lewis Hamilton selbst mit ein. Als siebenmaliger Weltmeister und 98-maliger Grand-Prix-Sieger wartet der 36-Jährige mit einem Erfahrungsschatz auf, der seinesgleichen sucht.

Der Brite hat alles erlebt im Formel-1-Zirkus. Hier die hauchzart verlorene Weltmeisterschaft 2007, als er mit nur einem Pünktchen Rückstand (109:110) in seiner Debüt-Saison im letzten Rennen noch von Kimi Räikkönen abgefangen wurde. Da die noch knappere WM-Entscheidung im Jahr 2008, als Hamilton sich buchstäblich in der letzten Kurve des letzten Rennens den Titel vor Felipe Masse sicherte.

Das Gigantenduell mit Nico Rosberg im Jahr 2016, in den folgenden Jahren die packenden WM-Zweikämpfe mit Sebastian Vettel im Ferrari: Lewis Hamilton hat in diesem Sport alles erlebt und wird gerade auf der Zielgeraden dieser Formel-1-Saison von seinem riesigen Erfahrungsschatz noch profitieren. (sport.de)