28. Februar ist Tag der seltenen Krankheiten

Krankheit zu selten für Medikamente: Henni (12) leidet an einer unsichtbaren Behinderung

von Luisa Hannke und Marc Chmiel

Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer seltenen Erkrankung. Die Krankheiten sind meistens genetisch bedingt und nur selten heilbar. So ist auch bei der 12-Jährigen Henni. Schon ihr ganzes Leben leidet sie an einer Knochenwucherung, eine sogenannte Exostose. Gerade mal ein Mensch von 50.000 ist davon betroffen. Deshalb war der Weg bis zur Diagnose sehr lang und schwer für ihre Familie. Aber auch danach ist sie auf viel Unverständnis und Unwissenheit gestoßen.
Wie der Leidensweg von Henni aussieht und wie die Familie ihren Alltag meistert, erzählt sie im Video.

Jahrelang galt Katrin Grote-Baker als "hysterische Mutter"

„Wenn man Henni von außen sieht, denkt man, was für ein lebendiges, kreatives, tolles Mädchen“, sagt Katrin Grote-Baker über ihre Tochter. Was man auf den ersten Blick nicht sieht: Henni hat Narben am ganzen Körper, leidet unter enormen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Sichtbar wird die seltene Erkrankung nur, wenn Henni nach den Operationen im Rollstuhl sitzt oder auf Krücken läuft. Schuld ist eine seltene Knochenskeletterkrankung, bei der zusätzlicher Knochenwuchs am ganzen Körper stattfindet.

Katrin Grote-Baker wusste schon früh, dass mit ihrer Tochter Henni etwas nicht stimmt. Schon zwischen Hennis vierten und sechsten Lebensjahr klapperte die Mutter mit ihr in ganz Berlin die Kinderarztpraxen ab. Doch niemand konnte ihr helfen. Katrin bekam immer wieder vorgeworfen, eine hysterische Mutter zu sein. Dabei zeigten sich die Symptome bei Henni schon früh: Sie konnte nicht lange sitzen, stehen, nicht weit laufen und Dinge nicht tun, die andere Kinder konnten.

Bis zu einem zufälligen Unfall 2017. Hennis Hand musste in den USA geröntgt werden und da kam endlich die Diagnose: Eine seltene Knochenskeletterkrankung führt im Körper des jungen Mädchens zu zusätzlichem Knochenwuchs. „Alles ist zusammengebrochen, aber es war auch ein Segen, weil wir endlich einen Anhaltspunkt hatten“, erinnert sich Katrin an diese Zeit.

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Das Problem der unsichtbaren Behinderung

Die Erkrankung ist nicht heilbar. Ein hoffnungsvolles Medikament kam 2021 nicht über die Testphase hinaus. Warum, weiß die Familie bis heute nicht. Ein häufig auftretendes Problem bei seltenen Erkrankungen. Das Einzige, was hilft, sind Operationen. Henni hatte seit 2017 im Schnitt zwei bis drei Operationen pro Jahr, die Narben zu zählen fällt ihr schon schwer: „Ich bin mir nicht sicher, wie viele Narben ich habe.“ Doch je mehr Operationen Henni hat, desto mehr Angst bekommt sie davor. Die Zeit vor den Operationen empfindet die 12-Jährige besonders schlimm.

Wenn Henni zu starke Schmerzen, Arzttermine oder Operationen hat, kann sie nicht in die Schule gehen. Vor allem hier wünscht sich Katrin mehr Verständnis für die Erkrankung ihrer Tochter: „Der Grund für fehlendes Mitgefühl und Verständnis ist, dass die Krankheit versteckt und nicht sichtbar ist.“

Immer wieder bekommt Henni Vorwürfe, dass sie so oft in der Schule fehlt oder hat Schwierigkeiten, den Anschluss an Gruppen zu finden.

Katrin Grote-Baker: "Es gab zwei Möglichkeiten - aufgeben oder kämpfen"

Katrin hat sich vorgenommen, für ihre Tochter zu kämpfen. Sie möchte ernster genommen werden. Henni bekommt keinen Schwerbehindertenausweis, kein Merkzeichen G für die Gehbehinderung und die Familie darf nicht auf Behindertenparkplätzen stehen, obwohl Henni wochenlang im Rollstuhl saß. Für die Familie Grote-Baker ein absoluter Wahnsinn. Die freischaffende Künstlerin Katrin möchte in Zukunft ihre Kunst mit dem Thema verbinden und damit an die Öffentlichkeit gehen. Was sich die Familie für die Zukunft wünscht: ein Zentrum für seltene Erkrankungen, mehr Forschung in der Medizin und eine Änderung in der Krankenhauspolitik in Deutschland.

Katrins Tipp an Menschen, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben: „Folgt eurem Gefühl. Gebt nicht auf, geht weiter und fragt. Kämpft für euer Kind und versucht jemanden zu finden, der ein ähnliches Schicksal hat. Das ist der Weg.“

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