Auf die PDA folgte eine Albtraum
Julia nach Zwillingsgeburt querschnittsgelähmt: „Meine Babys erkennen mich gar nicht“

Wie konnte das nur passieren?
Diese Frage stellt sich Julia (37) bis heute an manchen Tagen. Eine Frage, auf die es auch nach Monaten keine klare Antwort gibt. Die dreifache Mutter ist seit der Geburt ihrer Zwillinge im Dezember querschnittsgelähmt, wäre fast durch Wasser im Gehirn gestorben. Jetzt kämpft sie sich zurück ins Leben – ein Kampf, den sie auch für ihre Kinder führt, die sie noch gar nicht richtig kennenlernen konnte.
Während der PDA trifft es Julia wie ein Stromschlag
Julia Bohmke und ihr Mann Christopher sind bereits Eltern eines vierjährigen Sohns, als die Idee aufkommt, die Familie zu vergrößern. „Ich wurde letztes Jahr schwanger – gewollt und gewünscht“, erzählt die 37-Jährige im RTL-Interview. Nach dem ersten Ultraschall heißt es: Es werden Zwillinge! „Das hat uns zwar überrascht, aber auch sehr gefreut“, erinnert sich Julia. Die Familie soll wachsen, umso größer ist die Freude über den doppelten Nachwuchs.
Die Schwangerschaft verläuft problemlos, Mutter und Kindern geht es durchweg gut. In der 38. Woche setzen die Wehen ein, das Ehepaar fährt ins Krankenhaus. Als die Schmerzen unerträglich werden, fragt Julia nach einer Periduralanästhesie (PDA), einer Betäubung des Rückenmarks: „Das hatte ich auch bei meiner ersten Geburt und damit sehr gute Erfahrungen gemacht.“
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Doch schon während die PDA gesetzt wird, merkt sie: Irgendetwas stimmt hier nicht. „Ich fühlte etwas wie einen großen, starken Stromschlag in meinem rechten Bein, es wurde sofort alles taub, ich wäre fast von der Liege gefallen.“
Die Lage spitzt sich schnell zu, die Hebammen versuchen verzweifelt, die Herztöne der Babys zu bekommen. Dann fällt die Entscheidung für einen Notkaiserschnitt.
Der Eingriff wird unter Vollnarkose durchgeführt. Den Kindern geht es gut, aber als Julia aufwacht, sind ihre Beine immer noch taub. „Ich konnte ein bisschen mit einem Zeh wackeln – das war’s.“

Ärzte sind ratlos - und Julia geht es immer schlechter
Zunächst heißt es, bei den Symptomen könnte es sich um Nebenwirkungen der PDA handeln. Auch die Kopfschmerzen, die Julia plagen, würden bald verschwinden. Doch nach Tagen ist ihr Zustand unverändert. Sie kommt auf eine andere Station, es werden etliche Tests gemacht, darunter ein MRT und zwei Lumbalpunktionen. „Ich hatte Fieber, hohe Entzündungswerte, mir ging es wirklich nicht gut“, erinnert sich Julia. Die Ärzte sind ratlos. Niemand weiß, was ihr fehlt.
Sie habe versucht, sich trotzdem um ihre neugeborenen Zwillinge zu kümmern. Doch „nach zwei Wochen musste ich mir eingestehen, dass es einfach nicht geht.“ Julia bleibt im Krankenhaus – ihre Babys gehen mit dem Papa nach Hause.
Drei Wochen nach der Geburt verschlechtert sich Julias Zustand dramatisch. „Ich hatte unerträgliche Kopfschmerzen, lag fünf Tage im Delirium, bis veranlasst wurde, dass ein CT von meinem Kopf gemacht wird“, erzählt sie.
Dabei stellt sich heraus: Sie hat einen Hydrocephalus, also Wasser im Gehirn. Nervenwasser hat sich in so großer Menge angestaut, dass akute Lebensgefahr besteht. Es folgt eine Not-Operation.
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Später wird Julia in einer weiteren Operation ein dauerhafter Stunt eingesetzt – ein Röhrchen, durch das das Nervenwasser in den Bauchraum geleitet wird. Sie wird aus dem Krankenhaus in Eberswalde in Brandenburg nach Berlin in die Charité verlegt.
Dort äußert man die Verdachtsdiagnose „toxische adhäsive Arachnoiditis“. Aber „das ist alles nur eine Vermutung“, sagt Julia.
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Julia kämpft sich in der Reha ins Leben zurück

Schließlich wird die Brandenburgerin entlassen und kommt in die Reha. Noch immer ist sie querschnittsgelähmt, durch das monatelange Liegen sind ihre Muskeln teils stark verkürzt. „Wenn man mich aufsetzen wollte, habe ich geschrien vor Schmerz.“ Die Frage, ob sie für immer querschnittsgelähmt bleibt, kann ihr niemand beantworten.
Mittlerweile macht sie deutliche Fortschritte. „Körperlich geht es mir immer besser, wir arbeiten an meiner Dehnbarkeit und ich kann sogar einige Schritte gehen“, erzählt sie. „Die Therapeuten sind der Wahnsinn.“
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Emotional ist es aber oft schwer: „Ich habe Tage, da muss ich viel weinen. Ich bin oft an der Erschöpfungsgrenze, vermisse meine Familie, meine Kinder“, so die Dreifach-Mama.
Ihren großen Sohn sieht sie alle zwei Wochen, einmal pro Monat auch die Zwillinge. Dann kann sie Windeln wechseln und Fläschchen geben. „Aber meine Babys kennen mich natürlich nicht – ich sehe immer, wie sie meinen Mann fragend anschauen. Ich konnte ja gar keine Bindung aufbauen. Das tut schon weh.“
Besonders schlimm sei für sie, wenn ihre Familie nach den Besuchen wieder wegfährt. „Dann stehe ich da und wünsche mir nichts sehnlicher, als dass ich einfach mitfahren könnte.“
„Mein Ziel: hier wieder auf zwei Beinen rauslaufen"

Aufgeben ist für Julia keine Option. „Ich muss jetzt zusehen, dass ich mit meinen Kindern zusammen laufen lerne“, sagt sie und man hört dabei das Schmunzeln in ihrer Stimme. Während sie in der Reha weiter genau daran arbeitet, wuppt ihr Ehemann den Haushalt. „Er ist für mich Superman“, sagt Julia.
Damit Christopher auch in Zukunft Unterstützung hat, da die Krankenkasse die Kosten für eine weitere Haushaltshilfe nicht übernehmen will, sammelt die Familie nun über die Spendenplattform GoFundMe Geld.
Schon jetzt sind mehr als 70.000 Euro zusammengekommen. „Damit hätten wir in unseren wildesten Träumen nicht gerechnet. Dass wir so viel Großzügigkeit und Liebe von fremden Menschen erfahren würden. Das hat für viele Tränen der Freude gesorgt. Ich kann gar nicht oft genug Danke sagen.“
Jetzt gibt es nur noch eine große Aufgabe für Julia in der Reha: „Mein Ziel: hier wieder auf zwei Beinen rauslaufen. Ich kämpfe wirklich, gebe jeden Tag Tausend Prozent. Für mich und für meine Familie.“