"Es sind immer sämtliche Gartenstühle unter mir zerbrochen"
Sie wog 160 Kilo! Wie sich Joana ihr Traumgewicht von 76 Kilo erkämpfte

Es sind Bilder, über die Joana (34) heute nur den Kopf schütteln kann. Vor ein paar Jahren wiegt sie noch 160 Kilo, jegliche Gartenstühle brechen unter ihr zusammen. Doch dann hat Joana genug von den ewigen Diäten, die sowieso nichts bringen, unterzieht sich einer OP – und nimmt in zwei Jahren über 80 Kilo ab!
Ein Foto rüttelt Joana wach
„Das bin doch nicht ich!“ Dieser Gedanke huscht Joana durch den Kopf, als sie 2019 Fotos von sich während eines Familientrips sieht. Damals wiegt die 34-Jährige knapp 160 Kilo, hat einen Body-Mass-Index (BMI) von 49,7. Doch als übergewichtig empfindet sie sich nicht. Oder wie Joana im RTL-Gespräch sagt: „Es sind immer sämtliche Gartenstühle unter mir zerbrochen und ich habe das immer auf den Gartenstuhl geschoben, nicht auf mich.“
Seit ihrer Kindheit kämpft sie bereits gegen ihre überschüssigen Pfunde, erlebt in der Schule deshalb viel Mobbing und entwickelt Psychosen. Mit 16 wird bei Joana Morbus Hodgkin diagnostiziert, Lymphdrüsenkrebs, der bereits gestreut hat. „Zwei Jahre lang habe ich um mein Leben gekämpft“, erzählt sie, doch aufgeben kommt schon damals nicht für sie infrage.
2006 endet Joanas aktive Krebstherapie, doch die hat Spuren hinterlassen: Sie hat weiter zugenommen, ihr sind Zähne und Haare ausgefallen, sie hat Arthrose bekommen und auch psychisch ist Joana am Ende. 2009, Joana ist damals 21 Jahre alt, wiegt sie 130 Kilo. In den Jahren danach nimmt sie weiter zu, bis sie 2016 schließlich 160 Kilo wiegt – ihr Höchstgewicht, das sich in den kommenden Jahren nicht verbessern wird. Erst 2019, als die Fotos von ihr Joana wachrütteln, beschließt sie, etwas an ihrem Leben zu ändern: Sie will sich einen Schlauchmagen setzen lassen.

25 Prozent der erwachsenen Bevölkerung stark übergewichtig
Übergewicht kann durch viele Faktoren ausgelöst werden. Genetik, Stressfaktoren, ein falsches Essverhalten oder psychische Probleme sind nur ein paar davon, weiß Dr. Angelika Alfes, Leiterin des Zentrums für Metabolische und Adipositaschirurgie des Klinikums in Leverkusen. „Das sind viele kleine Puzzleteile, die da zusammenkommen können“, sagt sie im RTL-Gespräch. In Deutschland seien etwa 25 Prozent der erwachsenen Bevölkerung stark oder extrem übergewichtig, weiß Alfes. Zwei Prozent seien so krankhaft übergewichtig, dass eine Operation notwendig sei. Ab einem BMI von 40 sei demnach eine Magen-OP sinnvoll, erst recht, wenn Begleiterkrankungen wie eine Typ 2 Diabetes vorliegen.
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Doch eine solche Operation bekommt man nicht einfach so. Joana muss ein siebenmonatiges Vorbereitungsprogramm bestreiten, braucht Atteste von mehreren Ärzten, die die Magen-Operation befürworten – sonst zahlt die Krankenkasse nicht. Und sie muss ein Bewegungsprotokoll führen und zur Ernährungsberatung. „Mit der OP muss eine Lebensstilveränderung einhergehen“, erklärt Alfes. „Und so eine Veränderung braucht Zeit!“ Heißt: drei bis sechs Monate Vorbereitung, je nach BMI. In der Zeit lernen die Patienten, sich gesund zu ernähren, regelmäßig zu essen und sich zu bewegen, um den Stoffwechsel zu unterstützen. „Es ist sehr wichtig, die Patienten gut auf die OP vorzubereiten“, so Alfes. Man sollte weder von heute auf morgen operieren noch die Nachbehandlung schleifen lassen. „Die OP macht fünf Prozent der Behandlung aus, alles andere ist Lebensstilveränderung“, sagt sie. Doch wenn man das seriös durchführe, sei es der Start in ein zweites Leben.
"Die ist ja so dürr!“
Für Joana beginnt das am 15. Oktober 2020: An dem Tag wird sie operiert. „Und dann ging mein neues Leben los“, sagt sie. Sie habe in der ersten Woche elf Kilo abgenommen und seitdem kontinuierlich jede Woche zwei weitere. Sie nimmt 30 Kilo ab, 40 Kilo, knackt die 100-Kilogramm-Marke. Plötzlich stehen keine drei Zahlen mehr auf der Waage, sondern nur noch zwei. „Dieser Marke fiebern Übergewichtige entgegen“, erklärt Joana. „Als ich die erreicht hatte, dachte ich eigentlich, jetzt müsste ich glücklich sein.“ Doch ihre Selbstwahrnehmung sei derart gestört gewesen, dass sie die Gewichtsabnahme einfach nicht gesehen habe. Und Joana erlebt ein kleines Déjà-vu. Als sie mit ihrer Familie auf der Kirmes ist, macht jemand ein Foto von ihr und erneut erkennt sie sich nicht. „Ich habe gefragt: Wer ist denn die Frau da drauf? Die ist ja so dürr!“ Erst da habe es in ihrem Kopf klick gemacht. „Erst da habe ich verstanden: Das bist du jetzt!“
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Doch ihre OP hat auch Schattenseiten. Während Joana vor dem Eingriff zu viel gegessen hat – sie sei manchmal heimlich zu McDonalds gefahren und habe dort sechs Burger verdrückt, – isst sie nun zu wenig. „Ich hatte auf einmal ein sehr krankes Verhältnis zum Essen“, sagt sie, bloß ins andere Extrem als zuvor. Joana entwickelt anorektische Züge, isst kaum noch etwas, kocht für ihre Familie, aber nicht für sich. Denn tief in ihrem Inneren hat sie noch immer die Angst, rückfällig zu werden.
„Ich hatte Angst, dass ich wieder dort hinkomme, wo ich mal gewesen bin.“ Denn auch ein Schlauchmagen könne sich wieder ausdehnen. Deswegen sei es so wichtig, dass die Patienten sich an die richtige Ernährung halten, erklärt Alfes. „Es ist eigentlich alles erlaubt an Essen, aber wenig. Eine halbe Hand voll Nahrung macht satt und reicht“ Eine große Herausforderung sei für viele auch das Trinken. Kohlensäuren seien verboten und zwei bis drei Liter schaffe man nur in kleinen Schlucken über den Tag verteilt. Und auch Alfes weiß: die Betroffenen können rückfällig werden, zum Beispiel wenn mit dem Essverhalten traumatische Erlebnisse kompensiert wurden.

Heute wiegt Joana 76 Kilo
Mittlerweile wiegt Joana 76 Kilo und fühlt sich schon viel wohler in ihrem Körper. Doch weil sie weiß, wie schwierig der Weg vor und nach der OP sein kann, ist das Thema Schlauchmagen für sie noch lange nicht beendet. „Du musst dich wirklich jeden Tag dazu motivieren, deinen Lebensstil beizubehalten“, sagt sie. Aber nicht jeder Körper reagiere gleich bei der Abnahme. „Der eine nimmt schneller ab, der andere langsamer. Der eine mehr, der andere weniger.“ Das sagt sie auch immer wieder ihren Followern auf ihrem Instagram-Kanal „frau.mutivation“. Der Name setze sich aus den Wörtern „Mut“ und „Motivation“ zusammen und beschreibe ziemlich treffend ihre Lebenseinstellung, sagt Joana.
Anfangs postet sie dort wöchentlich ihr Gewicht, um selbst am Ball zu bleiben und sich zu kontrollieren. Doch mittlerweile spricht sie dort auch über ihre Ängste und versucht, ihren Mitstreitern Mut zuzusprechen. „Vergleicht euch nicht mit anderen!“, appelliert Joana. Es gehe nur um einen selbst, nicht um die anderen. Sie genieße jetzt auf jeden Fall ihr Leben. „Ich habe mich aus meinem eigenen Käfig befreit und lebe jetzt das Leben, was ich mir immer gewünscht habe.“
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