Deutliche Kritik an Kanzler Scholz nach Holocaust-Eklat

Wie kann es sein, dass Kanzler Olaf Scholz Mahmud Abbas nicht direkt widerspricht?

Eklat beim Besuch des Palästinenserpräsidenten im Kanzleramt: Mahmud Abbas hat Israel vielfachen „Holocaust“ an den Palästinensern vorgeworfen und damit Empörung ausgelöst. „Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen“, sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz und fügte hinzu: „50 Massaker, 50 Holocausts.“
Zu einer Erwiderung durch Scholz kam es nicht, Sein Sprecher Steffen Hebestreit erklärte die Pressekonferenz unmittelbar nach der Äußerung Abbas' für beendet. Auf Twitter äußerte sich der Kanzler mehr als 24 Stunden nach dem Vorfall.

Scholz' Sprecher: „Das war mein Fehler und den muss ich auf meine Kappe nehmen“

Scholz bedauert nach Angaben seines Sprechers Steffen Hebestreit den Ausgang der Pressekonferenz mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Der Regierungssprecher sagte am Mittwoch in Berlin, eine Relativierung des Holocaust mit seinen mehr als sechs Millionen Toten sei völlig inakzeptabel, „dies auch noch auf deutschem Boden zu tun, unentschuldbar“. Der Kanzler bedauere, dass er auf der Pressekonferenz „nicht ein zweites Mal intervenieren und direkt auf die Angriffe Abbas' reagieren konnte“. Hebestreit fügte hinzu: „Das war mein Fehler und den muss ich auf meine Kappe nehmen.“

Im Video beantwortet RTL-Politikchef Nikolaus Blome die Frage: Wie kann es sein, dass der Kanzler in dieser Situation nicht direkt widerspricht? Bei so einem Termin müsse man wissen, dass jede Sekunde so etwas passieren kann, Abbas sei schließlich als Israel-Hasser bekannt, so Blome. „Ich könnte mir vorstellen, dass sich Scholz über sich sehr ärgert, aber der Schaden ist geschehen.“

RTL-Politikchef Nikolaus Blome über Scholz: "Das darf einem Bundeskanzler nicht passieren"

Blome unterstellt Scholz jedoch „keine böse Absicht“, nennt dessen Schweigen aber „voll daneben.“ Das dürfe einem Bundeskanzler nicht passieren, wenn es „um den Holocaust geht, den Deutsche an Millionen von Juden angerichtet haben.“ Scholz hätte unbedingt sofort widersprechen müssen, so Blome. „Dafür hinterher dem eigenen Regierungssprecher die Schuld zu geben, das ist wirklich nicht besonders souverän von Olaf Scholz.“

Die Frage an den Palästinenserpräsidenten – ein Journalist wollte wissen, ob er sich für das Palästinenser-Attentat auf israelische Sportler bei den Olympischen Spielen 1972 in München entschuldigen wolle – war zuvor als die letzte angekündigt worden.

Hebestreit berichtete später, dass Scholz empört über die Äußerung Abbas' gewesen sei. Der „Bild“-Zeitung sagte der Kanzler später: „Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel.“

Der neue deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, nannte den Holocaust-Vergleich „falsch und inakzeptabel.“ Er twitterte: „Deutschland wird niemals einen Versuch dulden, die Einzigartigkeit der Verbrechen des Holocaust zu leugnen.“ Auch die Altkanzlerin Angela Merkel verurteilte die Aussagen Abbas. Auf Anfrage der „Bild“-Zeitung erklärte eine Sprecherin des Büros der ehemaligen Regierungschefin am Mittwoch, Merkel verurteile die Aussagen von Abbas auf das Schärfste.

Abbas selbst ruderte inzwischen zurück: „Präsident Abbas bekräftigt, dass der Holocaust das abscheulichste Verbrechen der modernen menschlichen Geschichte ist“, schrieb die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa am Mittwoch. Abbas sagte demnach, er habe in Berlin nicht die Einzigartigkeit des Holocaust infrage stellen wollen.

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Abbas: Scharfe Kritik des Internationalen Auschwitz-Komitees

Das Internationale Auschwitz-Komitee kritisierte Abbas sowie die zögerliche Reaktion von deutscher Seite scharf. Sprecher Christoph Heubner sagt, der Palästinenserpräsident habe „die politische Bühne Berlins gezielt genutzt, um die deutsche Erinnerungskultur und die Beziehungen zum Staat Israel zu diffamieren.“ Er nannte den Holocaust-Vergleich „schändlich und unangemessenen.“ Abbas habe erneut versucht, „antiisraelische und antisemitische Aggressionen in Deutschland und Europa zu bedienen.“

Zudem kritisierte er die Bundesregierung: „Es ist erstaunlich und befremdlich, dass die deutsche Seite auf Abbas' Provokationen nicht vorbereitet war und seine Äußerungen zum Holocaust in der Pressekonferenz unwidersprochen geblieben sind“, so Heubner. (dpa; epd; uvo;eku)

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