Waren ihre 16 Jahre Kanzlerschaft gut für das Land?Höchste Auszeichnung für Angela Merkel: Hat die Altkanzlerin das verdient?

Ein großer Tag für Angela Merkel: Die Altkanzlerin wurde am Abend mit der höchstmöglichen Auszeichnung der Bundesrepublik geehrt. Nur ihren Kanzler-Vorgängern Konrad Adenauer und Helmut Kohl ist diese Ehre bereits zuteil geworden. 16 Jahre lang hat Merkel die Geschicke des Landes geleitet und durch diverse Krisen manövriert. Ob sie das gut gemacht hat? Daran scheiden sich die Geister – mehr dazu im Video. Hat sie also diesen besonderen Orden verdient?

Hat Angela Merkel diese Auszeichnung verdient? Wie denken Sie darüber?

Die Ergebnisse der Umfrage sind nicht repräsentativ.

Politikwissenschaftler: Vieles spricht dafür, dass wir Merkels Bilanz zukünftig noch kritischer sehen

Eines kann man der Kanzlerin nicht vorwerfen: Abgehoben war sie nicht, stets präsentierte sie sich ohne viel Glanz und Glamour, war für ihre Bodenständigkeit bekannt. Doch wie steht es um ihr politisches Erbe? Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Corona-Krise – Merkel musste machen. Aber machte sie es auch gut? Für ihre Haltung in der Flüchtlingskrise und ihr „Wir schaffen das“ hagelte es Kritik, der politische Aufstieg der AfD wird in Teilen auch Merkel angelastet. Klimakrise? Eher verschlafen. Und besonders kritisch wird ihre Russland-Nähe gesehen, spätestens nach dem Einmarschs Russlands in die Ukraine.

„16 Jahre Kanzlerschaft sind eine große Leistung. Aber die ganz große und völlig unklare Frage zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Frage des Verdienstes“, sagt Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke im RTL/ntv-Interview. Er ist der Überzeugung, dass man Merkel mit dem jetzigem Zeitpunkt der Preisverleihung eigentlich keinen Gefallen täte. „Da müsste viel mehr Zeit ins Land gehen. Die Debatte darüber, was ihre wirklichen Verdienste sind, wird jetzt umso mehr aufkommen.“

Von Lucke nennt Merkels Bilanz „in zweierlei Hinsicht desaströs“ und bezieht sich dabei auf die Themen Russland und Klima. „Es ist schon auch an Ironie kaum zu überbieten, dass der Mann, der ihr heute diesen Orden verleiht, Frank-Walter Steinmeier, ihre rechte Hand in der verhängnisvollen Politik gegenüber Russland und vor allem gegenüber Wladimir Putin war. Da kann man auch in gewisser Weise schmunzelnd sagen: Da erteilt sich Frank-Walter Steinmeier selber für seine verfehlte Russlandpolitik die Absolution. Das ist alleine schon ein großer Fehler.“

Und zum Thema Klimapolitik sagt der Politikwissenschaftler: „Angela Merkel hat mittlerweile selber eingestanden, dass in den 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft viel zu wenig in klimapolitischer Hinsicht getan wurde. Insofern spricht viel dafür, dass wir in absehbarer Zeit die 16 Jahre Merkel Ära eher als verlorene Jahre in klimapolitischer Hinsicht werten müssen und in der Frage der Russlandpolitik genauso.“ Vieles spräche dafür, dass wir Merkel mit zunehmendem Zeitablauf eher noch kritischer sehen werden.

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Kritik an Merkels Politik kommt auch aus den eigenen Reihen: Der stellvertretende CDU-Parteivorsitzende Carsten Linnemann sagte in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv: „Es ist ja offenkundig, dass Frau Merkel große Verdienste hat, gerade international.“ Linnemann fügte hinzu: „Aber natürlich wurden auch Fehler gemacht, sogar eklatante.“

Linnemann kritisierte Ausstieg aus der Kernkraft und Merkels Handeln in der Flüchtlingskrise: „Bei der Migration wurden eklatante Fehler gemacht, dass wir die Grenzen nicht geschützt haben. Das gehört genau so offen angesprochen, wie das Positive.“ Das ganze Interview im Video.

Ex-Kanzleramtschef stellt sich hinter Merkel: "Wer Politik macht, der macht auch Fehler“

Bundestag 70 Jahre Israel 29. Sitzung des Deutschen Bundestag am Donnerstag den 26. April 2018. Im Bild vlnr.: Wirtschaftminister Peter Altmaier und Bundeskanzlerin Angela Merkel unterhalten sich waehrend der Bebatte ueber einen Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP 70 Jahre Gruendung des Staates Israel - In historischer Verantwortung unsere zukunftsgerichtete Freundschaft . 26.4.2018, Berlin *** Bundestag 70 years of Israel 29th session of the German Bundestag on Thursday, April 26, 2018 In the picture from left to right
Peter Altmaier und Angela Merkel
imago stock&people, imago/Christian Ditsch, Christian-Ditsch.de

Rückendeckung kommt hingegen von ihrem ehemaligen Kanzleramtschef Peter Altmaier. „Ich habe mich über die Verleihung gefreut, weil Angela Merkel in den letzten 30 Jahren in der deutschen Politik mit ganzer Kraft gearbeitet hat“, sagte Altmaier im RTL/ntv-Interview und fügte hinzu: „Das wird anerkannt bei vielen Millionen Bürgerinnen und Bürgern und es wird anerkannt weltweit und deshalb habe ich diese Entscheidung als sehr nachvollziehbar empfunden und mich darüber gefreut, dass sie getroffen wurde.“ Gefragt danach, ob Merkel auch Fehler gemacht habe, sagte Altmaier: „Wer Politik macht, der macht auch Fehler.“

An der Zeremonie im Schloss Bellevue in Berlin nahm auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teil. Merkel durfte insgesamt 20 Gäste zu dem kleinen Festakt mit Abendessen einladen. Die ausführliche Liste können Sie hier nachlesen. Neben Familienmitgliedern hat die frühere Kanzlerin vor allem politische Weggefährten dazu gebeten. Aus der aktuellen CDU-Führung sowie von CSU und FDP steht niemand auf der Gästeliste.

Merkel war von 2005 bis 2021 Bundeskanzlerin. Über dem Großkreuz des Verdienstordens gibt es als Auszeichnung nur noch die Sonderstufe des Großkreuzes, die jeder Bundespräsident automatisch mit Amtsantritt erhält. Ansonsten wird sie nur ausländischen Staatsoberhäuptern verliehen. (eku, mit dpa)

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