Pandemie befeuert Drogenhandel

Frankfurter Bahnhofsviertel: Hier konsumieren sogar Teenager aus Langeweile und Einsamkeit

Die polizeibekannten Drogendelikte sind in Deutschland nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) 2020 das zehnte Jahr in Folge gestiegen. Das sagte der Präsident der Wiesbadener Behörde, Holger Münch, am Dienstag in Berlin. Laut Rauschgiftlagebericht stieg die Zahl der Drogendelikte um 1,7% an. Besonders groß ist der Anstieg bei Kokain mit 6,9% und bei Chrystal Meth mit fast 20%.

Corona-Pandemie hat Lage verschärft

Drogen werden laut Münch zunehmend online gehandelt. "Insgesamt glauben wir, dass Corona noch mal ein Katalysator ist, nicht nur für die Digitalisierung in der Gesellschaft, sondern auch in der Kriminalität", sagte der BKA-Chef. Er gehe von einer Zunahme des Angebots auf digitalen Märkten von 20 bis 30 Prozent aus. Auch den laut Statistik sinkenden Absatz der Partydroge Ecstasy führte Münch auf die Corona-Beschränkungen zurück.

Drogenkonsum aus Langeweile: Frankfurter Bahnhofsviertel

Frankfurt am Main
Das Frankfurter Bahnhofsviertel ist seit Jahren Brennpunkt des Drogenhandels. Kenner der Szene bestätigen uns auch hier den Zuwachs von Konsumenten in der Corona-Pandemie. Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild
deutsche presse agentur

„Es hat sich schon gezeigt, was das (Corona) ausmacht: Gerade jüngere Leute, ich mein’ so 17, 18, 19, was denen das langweilig geworden ist, und dann wollten sie mal was anderes ausprobieren“, beschreibt uns ein Kenner der Frankfurter Drogenszene im Interview. Im Bahnhofsviertel seien in den vergangenen Monaten plötzlich neue Gesichter aufgetaucht und hätten zum Beispiel nach Crack gefragt. Zukunftsängste, Einsamkeit, Langeweile - sie sollen den Konsum befeuert haben.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Cannabis weiterhin beliebteste Droge

"Cannabis ist weiter die in Deutschland am meisten gehandelte und konsumierte Drogenart", sagte Münch. Die Polizei registrierte demnach 2020 insgesamt 31.961 Fälle von Handel mit Cannabis. Mit großem Abstand auf Platz zwei lagen Amphetamine mit 5581 Fällen - bei beiden Rauschgift-Gruppen mit geringen Veränderungen gegenüber dem Vorjahr. Danach folgte Kokain mit 4887 bekannten Handelsdelikten und einer Zunahme von 9,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bei Ecstasy erfasste die Polizei 2445 Fälle, was einer Abnahme von 11,8 Prozent entspricht. Dahinter lag Heroin mit 2214 Fällen (minus 4,9 Prozent) und Crystal mit 1737 Fällen (plus 7,2 Prozent). Unter den legalen Drogen, die nicht Thema des Berichts waren, stelle Tabak das größte Gesundheitsrisiko dar, mit zahlreichen Toten und Milliardenschäden für die Volkswirtschaft, sagte Ludwig.

Diskussion um Legalisierung

ARCHIV - 15.07.2014, Nordrhein-Westfalen, Köln: Hanf-Pflanzen (Cannabis) wachsen in einem Garten. (Zu dpa «Drogenbeauftragte: Höherer Eigenbedarf für Cannabis «bittere Pille») Foto: Oliver Berg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Schon jahrelang wird in der Politik darüber diskutiert, das Verbot von Cannabis beizubehalten oder sich von Ländern wie den Niederlanden für eine liberalere Drogenpolitik inspirieren zu lassen.
obe vfd olg fgj fdt fux fg rho b, dpa, Oliver Berg

FDP, Grüne und Linke forderten eine Legalisierung von Cannabis. "Durch eine kontrollierte Abgabe von Cannabis würden die notwendigen Ressourcen frei, um den Herausforderungen des sich rasant entwickelnden Drogenmarktes und der organisierten Kriminalität zu begegnen", erklärte der drogenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Wieland Schinnenburg. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek sagte der "Augsburger Allgemeinen": "Eine kontrollierte Legalisierung von Cannabis würde den undurchsichtigen Schwarzmarkt zerstören." Der drogenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Niema Movassat, forderte unter unter anderem einen einfacheren Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten für Opiod-Abhängige sowie mehr Ersatzbehandlungen und flächendeckende Räume zum Drogenkonsum.

Münch: Problem mit Legilisierung nicht gelöst

Sowohl Münch als auch Ludwig wandten sich hingegen gegen eine Legalisierung. Solch ein Schritt lasse allein die Statistik besser aussehen, sagte Münch. "Was aber nicht heißt, dass sie damit ein Problem gelöst haben; sie sehen es ja nur nicht mehr." Erfahrungen etwa in Kanada zeigten einen erheblichen Anstieg des Cannabis-Konsums. Junge Menschen fühlten sich zum Konsum ermutigt, was zu gesundheitlichen Schäden führe. Auch das "Märchen von der Austrocknung" stimme nicht, weil die meisten Täter-Gruppen mit mehr als einem Rauschgift handelten und im Falle einer Legalisierung von Cannabis eher auf gefährlichere Produkte umschwenken würden. (dpa/gmö)