Nach Baku-Debakel
"Einfach nicht akzeptabel" - Wolff sieht Mercedes in größter Krise seiner Amtszeit

Erst die Schlappe in Monte Carlo, jetzt das Debakel in Baku – Mercedes steckt nach Ansicht von Teamchef Toto Wolff in der dicksten Formel-1-Krise seiner jüngeren Geschichte. Der Österreicher lässt die Alarmglocken schrillen und fordert zackig die sportliche Wende. Denn weitere Ausfälle darf sich der langjährige Branchenprimus im WM-Kampf gegen Red Bull nicht erlauben.
Zweites Debakel in Folge
Die Wochenenden in Monaco und Aserbaidschan seien die „härtesten“ in seiner Amtszeit als Mercedes-Teamchef gewesen, sagte Wolff nach dem Untergang des Weltmeister-Rennstalls im Kaspischen Meer.
Beileibe keine Übertreibung: Beim Klassiker in Monte Carlo hatte Mercedes einen sicheren 2. Platz von Valtteri Bottas vergeigt, weil sich während des Pitstopps des Finnen eine Radmutter festfraß, der Reifenservice deshalb „36 Stunden dauerte“, wie Wolff selbstkritisch höhnte. Lewis Hamiltons Rennen versemmelte der Kommandostand, King Lewis wurde im Fürstentum wegen einer schlechten Strategie nur Siebter.
In Baku schließlich patzte der Weltmeister beim Re-Start kurz vor Schluss höchstselbst, Bottas, der das ganze Wochenende keine Pace hatte, wurde bloß Zwölfter. Statt das Geschenk des Verstappen-Ausfalls anzunehmen, stand Mercedes mit leeren Taschen da, verlor in der Konstrukteurs-WM weiter Boden auf Red Bull.
Red Bull stichelt genüsslich
Zu allem Überfluss musste die erfolgsverwöhnte Truppe auch noch verfolgen, wie die „Bullen“ den Sieg von Sergio Perez feierten und Wolff via Twitter genüsslich auf die Hörner nahmen.
„That’s the #AserbaidschanGP in the windbag“ (der Aserbaidschan-GP ist im Windbeutel), twitterte Red Bull nach Perez’ Triumph. Eine Spitze, die saß. Wolff hatte seinen RB-Konterpart Christian Horner zuvor als „Schwätzer“ bezeichnet, die englischen Medien übersetzten dies mit „Windbag“.
"Wir verlieren Sekunden um Sekunden"
Wolff, schon bei Erfolg ein dauermahnender Perfektionist, kritisierte die Leistung seiner gesamten Mannschaft schonungslos. „Ich denke, viele Dinge funktionieren nicht so glatt wie in den letzten paar Jahren. Wir operieren nicht auf unserem höchsten Level.“ Es gebe „so viele Dinge“, die das Team verbessern müsse, „damit wir überhaupt in der Lage sind, um die WM zu kämpfen“, betonte der Silber-Häuptling. „Wir können nicht weiterhin Punkte verlieren wie in Monaco und hier in Baku. Das ist einfach nicht akzeptabel für uns alle.“
Der W12 sei in Baku in fast allen Sessions „im Nirgendwo“ herumgefahren, grantelte Wolff. Es sei einfach nicht hinnehmbar, „dass wir das Auto nach dem Start oder dem Pit-Stopp nicht in eine permanente Position bringen. Wir verlieren einfach Sekunden um Sekunden.“
Bottas völlig ratlos
Auch der in Aserbaidschan völlig unter Niveau fahrende Bottas verstand nach der Ohrfeige von Baku die Mercedes-Welt nicht mehr. „Ich kann mich nicht erinnern, je so ein Wochenende gehabt zu haben“, sagte der Finne. „Ok, es gab mal Wochenenden, an denen ich schlechte Sessions hatte, aber irgendwann hatte ich dann die Pace. Aber dieses Wochenende lief es ständig schlecht und ich habe noch immer nicht verstanden, warum. Ich kenne mein Limit, schneller als das kann ich nicht und dann ist man immer noch sechs, sieben, acht Zehntel hinten. Das ist nicht normal, das müssen wir verstehen, bevor wir nach Frankreich gehen.“
Auch Bottas steht gewaltig unter Druck. Leistungen dieser Art darf er sich nicht länger leisten, sonst ist sein Cockpit bei Mercedes nächstes Jahr futsch. Ein gewisser George Russell scharrt bekanntlich mit den Hufen. Wolff und Co. werden genau hinschauen – denn im WM-Kampf der „Schattenmänner“ hat Red Bull mit dem immer stärker werdenden Perez momentan das bessere Blatt. (mar)