Die Tops und Flops der Formel-1-SaisonHamilton unantastbar, Vettel verlässt Ferrari als Verlierer
Die 71. Formel-1-Saison ist Geschichte – und was war das für ein verrücktes Jahr. Nach dem in letzter Minute abgesagten Saisonstart in Melbourne zimmerten die F1-Bosse einen Corona-Not-Kalender zusammen, der es in sich hatte. Viele Triple Header, kaum Pausen für Mensch und Maschine. Zeit für ein Zeugnis – die Gewinner und Verlierer des F1-Jahres 2020. (Im Video oben gibt’s noch einmal die Highlights vom Saisonfinale in Abu Dhabi)
TOP: Lewis Hamilton

Elf Saisonsiege, siebter WM-Titel, dazu den Siegrekord von Michael Schumacher (und viele weitere Schumi-Bestmarken) geknackt – mehr muss man nicht sagen. Hamilton war auch 2020 das Maß der Dinge.
FLOP: Sebastian Vettel

Der Corriere dello Sport hielt treffend fest: „Vettel verlässt Ferrari als Verlierer.“ In seiner letzten Saison für die Scuderia war der viermalige Weltmeister nur noch ein Schatten früherer Tage. Rang 13 im WM-Klassement, lediglich ein Podestbesuch (beim Türkei-GP) – so schlecht lief es für Vettel noch nie.
Gewiss: Die „Rote Gurke“ alias SF1000 war oftmals „unfahrbar“, besonders verheerend fällt für Vettel aber die Bilanz gegen Ferrari-Rivale Charles Leclerc aus. Der 23-Jährige holte im gleichen (Schrott-)Auto mit 98 Punkten fast dreimal so viele wie Vettel (33). „Maranello hat de facto mit einem einzigen Piloten - Charles Leclerc - die Saison bestritten“, resümierte der Corriere della Sera schonungslos.
TOP: Charles Leclerc

Der junge Scuderia-Prinz verblüffte im unterlegenen Ferrari immer wieder – vor allem im Qualifying vollbrachte der Monegasse am Lenkrad seines störrischen Gefährts mehrfach kleine Wundertaten. Zwei Podestplätze und drei vierte Plätze, dazu den Garagen-Nachbarn gnadenlos versägt – Chapeau, Charles!
FLOP: Red Bull

Alle Jahre wieder sieht sich Red Bull vor der Saison als ernsthafter Mercedes-Herausforderer – und fährt den Silberpfeilen doch Saison für Saison hoffnungslos hinterher. Auch 2020 kämpfte Max Verstappen meist mit stumpfen Waffen gegen das Mercedes-Imperium. Der Triumph beim letzten GP in Abu Dhabi sollte die Teambosse Christian Horner und Helmut Marko nicht blenden, der Rückstand in den WM-Wertungen spricht Bände.
"Unser absolutes Ziel ist, dass es nächstes Jahr eng wird. Aber wir müssen an unsere Grenzen gehen", sagte Marko nach dem Saisonfinale. Alle Jahre wieder.
TOP: Max Verstappen und seine Mechaniker

Der Holländer fuhr einmal mehr eine ganz starke Saison, jagte Mercedes immerhin zweimal (in Silverstone und Abu Dhabi) davon. Wie stark Verstappens Leistung einzuschätzen ist, zeigt sein Rückstand auf Vize-Weltmeister Valtteri Bottas. Gerade einmal neun Punkte fehlten dem Oberbullen zu Platz 2 – und das, obwohl Bottas im alles dominierenden Mercedes saß.
Verstappen schaffte es regelmäßig, das Maximum aus seinem Paket rauszuholen, was nicht einfach war. Der RB16 litt besonders zu Saisonbeginn unter einer anfälligen Aerodynamik, ein teils unberechenbares Ungleichgewicht war die Folge. Verstappen aber ließ sich von seinem bockigen Bullen nicht aus der Balance bringen.
Eine 1 mit Sternchen verdienten sich auch die Red-Bull-Mechaniker. Keine Crew war bei den Boxenstopps schneller, in Imola brauchte die Bullen-Herde nur 1,8 Sekunden für den Service – Wahnsinn!
FLOP: Valtteri Bottas

Ähnlich wie Red Bull, kündigt der Finne Jahr für Jahr an, dieses Mal näher dran zu sein. Pustekuchen. Auch 2020 bekam Bottas von Hamilton wieder ordentlich auf die Mütze. Mehr noch: Als der Weltmeister wegen Covid-19 in Sakhir ausfiel, fuhr ihm auch der junge George Russell um die Ohren. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff zählte Bottas daraufhin öffentlich an, verkündete, dass der Brite „über kurz oder lang in unserem Auto sitzt“.
Berichte, Russell werde Bottas schon 2021 ersetzen, wischte Wolff in Abu Dhabi zwar vom Tisch. Die kommende Saison dürfte trotzdem Bottas’ letzte bei Mercedes sein.
TOP: McLaren

Jahrelang fuhr der stolze Traditionsrennstall hinterher, 2019 gelang ein erstes, dieses Jahr dann das endgültige Comeback. Unter Teamchef Andreas Seidl ist die Truppe aus Woking wieder voll dabei. Der bescheidene Bayer formte ein Team, bei dem die Rädchen fast immer ineinander greifen. Das orange Auto wurde seit 2019 kontinuierlich weiterentwickelt, war auf fast allen Strecken konkurrenzfähig. So konnte McLaren konstant punkten und am Ende Racing Point noch von Platz 3 in der Konstrukteurs-WM verdrängen. Derart gut war der von Bruce McLaren gegründete Rennstall zuletzt 2012 mit Lewis Hamilton und Jenson Button.
Und die Aussichten für McLaren sind rosig: 2021 hat man wieder Mercedes-Motoren im Heck und mit Daniel Ricciardo einen ausgewiesenen Top-Piloten im Cockpit.
FLOP: Ferrari

Die Antithese zu Mercedes. Nachdem die Motor-Schummelei aufgeflogen war, hatten die Roten 2020 auf einmal nichts mehr zu melden. Ein lahmer SF1000-Gaul, verkorkste Strategien, jede Menge Pannen beim Boxenstopp. Platz 6 (!) in der Team-WM. Eine Demütigung für die Scuderia aus Maranello. Was Ferrari dieses Jahr ablieferte – senza parole (ohne Worte)!
TOP: Sergio Perez

Reifenflüstern par excellence, kontrolliert-offensive Aufholjagden, konstanter Speed – einfach weltklasse, was Sergio Perez in der abgelaufenen Saison abriss. Der Mexikaner hatte mit der Mercedes-Kopie von Racing Point endlich mal ein Top-Auto unterm Hintern, feierte beim Sakhir-GP im 190. Rennen seine erste F1-Fiesta. Obwohl er wegen einer Corona-Infektion zwei Rennen verpasste, wurde Perez in der Fahrer-WM mit 125 Punkten Vierter. Zum Vergleich: Stallkollege Lance Stroll verbuchte als WM-Zehnter nur 75 Zähler.
Eigentlich beknackt, dass „Checo“ beim künftigen Aston-Martin-Team Platz für Sebastian Vettel machen muss und nicht der farblose und fehleranfällige Stroll. Aber der ist ja bekanntlich der Sohn von Team-Eigner Lawrence Stroll.
Bleibt zu hoffen, dass Perez der F1 erhalten bleibt – vielleicht ja bei Red Bull.
FLOP: Alex Albon

2019 holte Red Bull Alexander Albon von Toro Rosso ins Mutterschiff, Pierre Gasly musste weichen. Und: Albon rechtfertigte das in ihn gesetzte Vertrauen mit starken Leistungen, so dass sich nicht nur die Red-Bull-Bosse 2020 einiges von ihm erhofften. Der 24-Jährige überzeugte aber nur selten, ging im teaminternen Vergleich mit Verstappen völlig unter.
Rund eine halbe Sekunde war Albon im Schnitt langsamer als sein Garagen-Nachbar – Lichtjahre in der F1. Gut möglich, dass der Thailänder kommendes Jahr auf die Bank muss und zum Testfahrer degradiert wird. Sergio Perez scharrt bekanntlich mit den Hufen.