Was ist neu? Wer ist Favorit? Was machen die Deutschen?Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Formel-1-Start

Die Formel 1 rollt mit mächtig Power und Veränderung an. Am Freitag startet das erste Grand-Prix-Wochenende der Saison 2022. Vieles ist neu: Regeln, Rennkalender, Fahrer. Die Hoffnung auf noch mehr Spannung ist gewaltig und realistisch. Wir blicken auf die wichtigsten Fragen und Antworten zum Formel-1-Start.
Was ist neu?
2022 beginnt eine neue Ära in der Formel 1. Seit dieser Saison greift ein grundlegend neues technisches Reglement, das auf 169 Seiten niedergeschrieben wurde. Von den Wagen des Vorjahres ist bis auf die Pedale nichts mehr übriggeblieben.
Die Front- und Heckflügel wurden vereinfacht, der „Ground Effect“ (ein Sog unter dem Boliden führt zu Abtrieb) aus alten Zeiten ist zurück. Der Plan: Die neuen aerodynamische Vorgaben sollen das Hinterherfahren und Überholen vereinfachen. Dazu gibt es neue Reifen. 18 Zoll Pirelli-Pneus statt 13 Zoll-Reifen. Der Kostendeckel für die Ausgaben der Teams (Fahrergehälter ausgenommen) wurde planmäßig auf 140 Millionen Dollar eingedampft. „Es ist eine riesige Freude zu sehen, ob sich die Autos gegenseitig überholen können. Ob sich die Fahrer endlich mal ansaugen können. Ich freue mich auf Weltrekorde in Überholmanövern, egal wer. Das wollen die Fans sehen“, sagt RTL-Reporter Felix Görner.
Wird es dadurch spannender?
Das ist der Masterplan. Auch wenn 2021 der Zweikampf Lewis Hamilton gegen Max Verstappen elektrisierte, klaffte hinter dem Führungdsuo Mercedes und Red Bull eine gewaltige Lücke. Nun werden die Karten neu gemischt und die Hoffnung ist groß, dass weitere Teams wie beispielsweise Ferrari den Anschluss finden, den Zweikampf aufbrechen und so bald schon mindestens ein Dreikampf entsteht.
Wie ist das Kräfteverhältnis?
„Es gibt eine Spitzengruppe aus den üblichen Verdächtigen und dem Mittelfeld. Das Mittelfeld ist noch enger beisammen gerückt und noch näher an der Spitze. Das sind mal gute Voraussetzungen“, sagt RTL-Experte Christian Danner mit Blick auf die Testfahrten. Für die Top-Teams gilt: Patzen verboten. „Wenn die Spitze ein kleines Problem hat, den falschen Reifen drauf hat, den Boxenstopp falsch macht, wird sie sofort gefressen vom Mittelfeld. Das finde ich die attraktive Angelegenheit an der Geschichte. Speziell wenn man bedenkt, dass das Reglement Überholen und Hinterherfahren sehr viel vereinfacht.“
Lese-Tipp: Nach Corona-Schock – fällt Sebastian Vettel auch für das 2. Rennen aus?
Wer ist Favorit im Titelkampf?
Topfavoriten bleiben die Platzhirsche Max Verstappen und Lewis Hamilton. Danner hat den Mercedes-Piloten weit oben auf dem Zettel: „Eines muss man Lewis Hamilton wirklich lassen: Die Professionalität und Entschlossenheit, mit der er seine Aufgabe jedes Jahr aufs Neue angeht, ist schon unglaublich und ich glaube die Wahrheit hat er gesagt, indem er angekündigt hat: Ihr werdet den besten Lewis Hamilton sehen, den es bis jetzt je gab.“
Als Titelverteidiger steht automatisch Verstappen im Fokus. Er geht nun mit der Startnummer 1 in die Rennen. „Für Max Verstappen ist der unglaubliche Druck weg, Titel zu holen. Das entspannt ihn und wird ihn noch stärker machen. Die beiden sind auf Augenhöhe. Es sind Ausnahmekönner ihres Fachs. Umso schöner wäre es, wenn Carlos Sainz und Charles Leclerc mitmischen. Dann wird das Ganze noch bunter, und es würde sich noch mehr herauskristallisieren, wer die stärksten Nerven hat“, glaubt Danner.
Wie sind die deutschen Chancen?
Auch 2022 sind zwei deutsche Piloten am Start. Der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel, der das erste Rennen wegen Corona verpasst, und Mick Schumacher. Mit Rennsiegen von Vettel im Aston Martin ist auch in diesem Jahr nicht unbedingt zu rechnen. Sein Team kämpft wohl weiter im Mittelfeld. Unser Experte Christian Danner geht nicht davon aus, dass Vettel und Aston Martin "aus eigener Kraft vorne mitmischen". Die einzige Hoffnung sei ein „Abstauber-Sieg, wenn die Großen ein Problem haben, so wie Esteban Ocon (2021 in Ungarn, d. Red.) oder Pierre Gasly (2020 in Italien)."
Beim ersten Rennen in Bahrain ersetzt Comebacker Nico Hülkenberg den Ex-Champion. Die Aufgabe wird für den F1-Routinier eine heikle, bislang hat er in den neuen Boliden noch keinen Meter absolviert.
Für Mick Schumacher könnte die Saison deutlich rosiger verlaufen als die Vorsaison. Sein US-Rennstall Haas hat ihm ein konkurrenzfähiges Auto hingestellt. Bei den Testfahrten in Bahrain ließ er das Potenzial kurz aufblitzen. Der US-Rennstall sei einer "der sichtbaren Gewinner" der Testfahrten, sagt Danner. "Haas hat mit Sicherheit einen großen Sprung nach vorne gemacht, ins Mittelfeld hinein. Ob die schon vorne drin sind im Mittelfeld oder mittendrin, müssen wir abwarten. Aber das Team hat sich sehr gut weiterentwickelt."
Vettel hat Corona: "Das ist ein Rückschlag"
Auf welche Fahrer gilt es zu achten?
Neben den Favoriten Hamilton und Verstappen sollte man auch auf diese Fahrer ein Augenmerk legen:
George Russell kommt als Kronjuwel zum Mercedes-Team und ersetzt Hamilton-Wingman Valtteri Bottas. Er gilt als kommender Weltmeister und könnte in seiner Silberpfeil-Debütsaison dem Rekordweltmeister einheizen. „Er kommt quasi als halbfertiger Formel-1-Fahrer in ein Spitzenteam rein und hat Hamilton als Messlatte“, sagt Felix Görner. „Ich wage die Prognose, dass Russell schon im ersten Qualifying versuchen wird, vor Hamilton zu sein und auch beim ersten Rennen bei jeder Gelegenheit versuchen wird, Hamilton anzugreifen.“ Er habe den Freifahrtschein dazu von Teamchef Toto Wolff. Nur: „Falls sie kollidieren wird der Freifahrtschein zurückgezogen.“ Heiße Teamduelle sind vorprogrammiert.
Ähnliches dürfte sich bei Ferrari abspielen. Der Traditionsrennstall dürstet nach Siegen. Und die ersten Auftritte des F1-75 waren vielversprechend. Man wünscht sich, dass die beiden Scuderia-Piloten Charles Leclerc und Carlos Sainz ins Titelrennen eingreifen können.
„Es ist das entscheidende Jahr für Leclerc“, erklärt Görner. Denn sollte der Spanier Sainz wieder die Nase vorne haben, „dann hat er Leclerc als Ausnahmetalent entzaubert und enttarnt“. Für Görner sei Sainz einer der meist unterschätzten Fahrer der Königsklasse. Seine Prognose: Sainz wird wieder besser sein als Leclerc. „Er hat eine steile Lernkurve und Leclerc zerbricht ein bisschen an dieser mentalen Situation, als eigentliche Nummer 1 angegriffen zu werden.“
Gespannt darf man auch auf die Auftritte von Lando Norris sein. Sein starkes Jahr mit drei Podiumsplätzen und 160 Punkten wurde mit einer weiteren Vertragsverlängerung bei McLaren belohnt. Gegen den jungen Briten sah F1-Veteran Daniel Ricciardo 2021 kaum Land.
Gibt es neue Fahrer?
Neu im Paddock sind Zhou Guanyu und die Comebacker Kevin Magnussen und Alex Albon.
Der chinesische Rookie Zhou ersetzt bei Alfa Romeo Antonio Giovinazzi und ist der erste chinesische Stammpilot der F1-Geschichte. Die reichlichen Sponsorengelder und der erhoffte Marketingeffekt für das Reich der Mitte haben den Sprung erleichtert.
Görner sieht allerdings Kleinholz-Gefahr: „Er ist eine Wundertüte. Alle schauen gespannt auf sein Debüt. Ich denke, dass es viele Crashs, kaputte Flügel und Autos geben wird. Nicht nur mit Alfa Romeo. Weil er sich im Renngeschehen unter Druck behaupten will und wild um sich schlagen wird.“
Wieder zurück ist Alex Albon nach einem Jahr Zwangspause. Er fährt nun für Williams. Noch länger warten musste Kevin Magnussen. Der Däne ist der Comeback-Coup von Haas, die sich nach dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine vom russischen Sponsor Uralkali und Fahrer Nikita Mazepin trennten. Der Haas-Pilot ist ein „harter Brocken“ für Mick Schumacher, findet RTL-Reporter Görner. „Magnussen ist der Typ Knäckebrot, ein Nussknacker in Duellen", beschreibt Görner den Rennstil des Dänen und erinnert an ein unvergessliches Wort-Gefecht zwischen Magnussen und Nico Hülkenberg, als es dann doch etwas unter die Gürtellinie ging. Genau das zeige, wie er tickt, so Görner. "Unverblümt, frech, unerschrocken, knallhart, im Zweikampf und auch im Teamduell".
Was ist das sogenannte Porpoising oder Bouncing?
Die Formel-1-Wagen hoppeln teilweise wie Kängurus über den Asphalt. Den Grund dafür erklärt RTL-Experte Danner: „Man hat keinen flachen Unterboden mehr, sondern man fährt mit einem Flügelprofil unter dem Auto und das saugt das Auto gerade bei hoher Geschwindigkeit sehr stark an den Boden.“ Und wenn der Wagen dann aufsetzt, „reißt der Luftstrom ab und dann geht es wieder nach oben usw.“ Dadurch entstehe dieses „Gehoppel“, das Danner als „unangenehm, aber behebbar“ bezeichnet. Die Teams feilen daran, noch nicht alle haben das Problem im Griff – zum Beispiel Mercedes.
Gibt es neue Strecken?
Der Rennkalender der Formel 1 ist auf 23 Strecken aufgebläht worden und hat damit Rekordstatus erreicht. Katar sprang in der vergangenen Saison kurzfristig ein, findet nun aber planmäßig erst 2023 wieder seinen Einsatz. Neu ist hingegen der Kurs in der Sunshine-Metropole Miami in Florida, der eigens für die Königsklasse errichtet wurde.
Der Russland-GP in Sotschi ist nach der russischen Invasion in der Ukraine gestrichen worden. Bis auf Weiteres wird es keine F1-Rennen in Russland geben. Der Ersatz für den Sotschi-Grand-Prix ist noch offen. Als Favorit gilt die Strecke in Portimao (Portugal), schon 2020 und 2021 sprang das Autódromo Internacional do Algarve kurzerhand ein.
Gibt es wieder Sprintrennen?
Ja. Die Sprintrennen wurden sogar aufgewertet. Für den Sieger der Mini-Rennen gibt es nun acht anstatt drei Zähler aufs WM-Konto, die sieben folgenden Fahrer erhalten je einen Punkt weniger (8-7-6-5-4-3-2-1). Ursprünglich waren sogar noch mehr Sprintrennen geplant. Wegen der erhöhten Kosten kam es zwischen den Teams zum Streit. Der Kompromiss: wieder drei Rennen. Sie steigen in Spielberg, Imola und erneut in Sao Paulo. „Die Sprintrennen haben sich bewährt. Mir wären sechs Rennen lieber gewesen“, urteilt Görner. „Sie sind für mich das Salz in der Suppe über die Saison verteilt. Bitte mehr davon!“
Gibt es wieder kein WM-Rennen in Deutschland?
Auch 2022 wird es – Stand jetzt - leider kein Rennen in Deutschland geben. Der letzte Grand Prix auf deutschem Boden fand im Herbst 2020 statt, als der Nürburgring als Ersatzrennen aushalf.
„Die Formel 1 in Deutschland ist ein trauriges Thema, das zum Kopfschütteln ist“, sagt Görner. „Kein Bundesland, kein Politiker unterstützt die Formel 1 in Deutschland, auch kein Wirtschaftsunternehmen. Die F1 hat hier keine Lobby mehr, weil es auch keinen Schumi mehr gibt.“ Die Galionsfigur des Sports fehlt. „Sollte Mick mal um Rennsiege kämpfen, könnte ich mir vorstellen, dass F1-Deutschland wieder aufwacht. So sehe ich schwarz. Wahrscheinlich wird es auch im dritten und vierten Jahr keine Formel 1 in Deutschland geben.“
Welche Rennen zeigt RTL?
RTL überträgt vier Rennen der Saison 2022 live im Free-TV. Los geht's am 24. April mit dem Großen Preis der Emilia-Romagna aus Imola. Als weitere Live-Übertragungen sind die Rennen aus Großbritannien (Silverstone, 3. Juli), den Niederlanden (Zandvoort, 4. September) und Brasilien (Sao Paulo, 13. November) geplant, unter Vorbehalt möglicher Änderungen am Rennkalender.