Generelles Abtreibungsverbot

El Salvador: Frau verliert Ungeborenes - nun muss sie wegen Mordes 30 Jahre ins Gefängnis

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Schwangere Frau (Symbolfoto)
Ute Grabowsky, picture alliance

Ein Richter in El Salvador hat eine Frau wegen Mordes zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt. Die 28-Jährige hatte 2019 einen medizinischen Notfall erlitten und ihr ungeborenes Kind verloren. In dem Land, das eines der strengsten Abtreibungsverbote der Welt hat, verbüßen viele Frauen nach Fehl- oder Totgeburten lange Haftstrafen.

Menschenrechtlerin: "Dieses Urteil ist ein Schlag"

Menschenrechtsgruppen kämpfen für die Freilassung inhaftierter Frauen und dafür, Abtreibungen zu legalisieren. Seit 2009 haben sie so bereits mehr als 60 Frauen zur Freiheit verholfen. Die Frau im vorliegenden Fall, die in lokalen Medien nur „Esme“ genannnt wird, sei die erste Frau in sieben Jahren, die verurteilt und inhaftiert wurde – und die erste unter Präsident Nayib Bukele, der Abtreibung als "großen Völkermord" bezeichnet hat.

Die damals schwangere Esme hatte im Oktober 2019 ein Krankenhaus in El Salvador aufgesucht, so die „Agrupación Ciudadana por la Despenalización del Aborto" ("Bürgergruppe zur Entkriminalisierung von Abtreibungen in El Salvador"). Anschließend verbrachte sie zwei Jahre in Untersuchungshaft, bevor sie im Oktober 2021 freigelassen wurde. Nun das Urteil gegen die 28-Jährige. Am Montag befand sie ein Richter des Mordes für schuldig und verurteilte sie zu 30 Jahren Haft, so die Gruppe.

"Dieses Urteil ist ein Schlag gegen unsere Bemühungen, zu Unrecht inhaftierte Frauen freizulassen, und ein Verstoß gegen den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte, der erklärt hat, dass geburtshilfliche Notfälle als Gesundheitsproblem behandelt werden müssen", sagte Morena Herrera, die Vorsitzende der Gruppe, „Vice World News“. Sie sagte, sie glaube nicht, dass das Urteil auf die aktuellen Ereignisse in den USA zurückzuführen sei, fügte aber hinzu, dass es einen "historischen Zusammenhang" mit dem weltweiten Vorstoß zur Kriminalisierung der Abtreibung gebe.

In den USA ist derzeit das liberale Abtreibungsrecht in Gefahr. Sollte es keine bundesweite gesetzliche Regelung geben, würde die Zuständigkeit bei den US-Bundesstaaten liegen. Zahlreiche konservativ regierte Staaten wollen Abtreibung weitgehend verbieten.

Frauen nach Fehl- oder Totgeburt unter Generalverdacht

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hatte im November entschieden, dass El Salvador die Rechte einer Frau verletzt hat, die 2010 im Gefängnis starb. Sie musste nach einer Totgeburt eine 30-jährige Haftstrafe wegen schweren Mordes verbüßen. Das Gericht entschied, dass das Land der Familie der Frau eine Entschädigung zahlen und eine Politik entwickeln muss, die Frauen in geburtshilflichen Notfällen schützt.

El Salvador ist eines von fünf lateinamerikanischen Ländern, in denen Abtreibung grundsätzlich verboten ist – sogar in Fällen von Vergewaltigung, Inzest, wenn das Leben der Frau in Gefahr ist, oder der Fötus außerhalb des Mutterleibes nicht überlebensfähig wäre. Eine Kriminalisierung, die in dem zentralamerikanischen Land fatale Konsequenzen hat. "Seitdem steht jede Frau, die eine Früh- oder Totgeburt erleidet, unter dem Verdacht, ihr Kind absichtlich geschädigt oder umgebracht zu haben", berichtet "Amnesty International".

Eine Abtreibung wird mit Haftstrafen zwischen zwei und acht Jahren bestraft. Frauen, die ihr Kind nach der 22. Schwangerschaftswoche durch eine Fehlgeburt verlieren, erwarten noch heftigere Strafen: Sie werden häufig wegen Mordes angeklagt und müssen im Falle einer Verurteilung bis zu 40 Jahre ins Gefängnis. Einen fairen Prozess dürfen sie dabei nicht erwarten. "Agrupación Ciudadana por la Despenalización del Aborto en El Salvador" hat nach eigenen Angaben seit 2000 insgesamt 181 solcher Fälle dokumentiert. Viele sitzen derzeit noch im Gefängnis. (cwa)