Sie lebt für diese KinderEine wahre Heldin! Pflegemutter Nicole Beckmann rettet 46 Kinder

Eine Frau steht mit vier Kindern vor einem Busch
Die vier ganz besonderen Jungs haben bei Nicole Beckmann eine Familie gefunden.
RTL Nord

Es ist ein 24 Stunden-Job, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr.
Keine Urlaubstage, keine Möglichkeit einfach eine Auszeit zu nehmen: Nicole Beckmann hat sich aber genau das ausgesucht. Sie ist Pflegemutter und Erziehungsstelle für behinderte Kinder, die ein besonders schweres Schicksal haben. Nicole Beckmann gibt genau ihnen ein Zuhause.

„Behinderte Kinder haben laut Gesetz zwar ein Grundrecht auf Familie, es wird aber in den meisten Fällen nicht umgesetzt“

2010 kommt durch die Bereitschaftspflege das Geschwisterduo Anton* und Leon* (*Namen geändert) zu Nicole. Der zweieinhalbjährige Anton und der elfmonatige Leon sind beide stark beeinträchtigt. Für Nicole Beckmann ist klar: Wenn die Familiensituation der Kinder sich nicht stabilisiert und sie nicht nach Hause können, werden die Geschwister bei ihr wohnen bleiben. „Die wären sonst in eine Einrichtung gekommen und getrennt worden.“ Etwas, das sie unbedingt vermeiden wollte.

Denn wenn Kinder mit Behinderung aus ihrer Familie heraus in Obhut genommen werden, ist für sie der nächste Schritt oft nicht die Suche nach einer Pflegefamilie. „Behinderte Kinder haben laut Gesetz zwar ein Grundrecht auf Familie, es wird aber in den meisten Fällen nicht umgesetzt“, erzählt uns Pflegemutter Nicole Beckmann im RTL-Interview.Stattdessen werde für diese Kinder eine Einrichtung für behinderte Menschen gesucht, in der sie unterkommen können. Das gilt auch für kleine Kinder. Kinder, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben – abgeschoben und abgestempelt in einer Einrichtung. Für Beckmann unverständlich. Sie hat vor 14 Jahren angefangen beeinträchtigte Kinder bei sich aufzunehmen. „Hätte mich vor 20 Jahren jemand danach gefragt, hätte ich gesagt: Nö, ist jetzt irgendwie nicht so meins. Aber das hat sich so ergeben und dann habe ich auch gemerkt, dass die Arbeit mit den Kindern mich erfüllt.“ Mittlerweile leben vier ganz besondere Jungs bei ihr in Hamburg.

Sie lebt für diese Kinder!

Pflegemutter Nicole ist wahnsinnig stolz auf ihre Jungs

Zu sehen ist ein Talker.
Der Talker hilft Anton dabei, sich auszudrücken.
RTL Nord

Anton ist heute 16 Jahre alt, aber auf dem Entwicklungsstand eines Sechsjährigen. Er kann weder lesen noch schreiben, ist geistig stark beeinträchtigt und hat frühkindlichen Autismus. Sein leiblicher Bruder Leon ist heute 14 Jahre alt und auf dem Entwicklungsstand eines Drei- bis Vierjährigen. Er kommt als Frühgeburt auf die Welt und muss direkt nach der Geburt reanimiert werden. Er kann nicht sprechen, sein einziges richtiges Wort, das er sagen kann, ist Mama. Er verständigt sich durch Gebärdensprache und einem Sprachcomputer, einem sogenannten Talker. „Er hat ein enormes Sprachverständnis und kann sich mit dem Talker einigermaßen zurechtfinden. Mit dem Talker könnte man auch richtig komplexe Sätze bilden“, erzählt Pflegemutter Nicole stolz.

Der dritte im Bunde ist der elfjährige Theo* (*Name geändert). Mit nur sechs Wochen wird er nach einem Unfall in seinem Elternhaus vom Jugendamt in Obhut genommen. Durch den Unfall erleidet er einen Hirnschaden, die eine Gehirnhälfte stark beeinträchtigt hat. Im Gegensatz zu seinen Ziehgeschwistern hat Theo keinen Kontakt zu seinen Eltern, für ihn ist Nicole Beckmann seine einzige Mama. „Er sagt auch immer, ich bin Theo Beckmann“, auch wenn er offiziell seinen leiblichen Familiennamen trägt. „Es ist auch so, dass man für die Pflegekinder schnell Muttergefühle entwickelt, wie zu seinen leiblichen Kindern.“

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Auch Nicoles jüngstes Pflegekind ist eine echte Kämpfernatur

Der jüngste in der Familie ist Silas* (*Name geändert). Er ist mit sechs Monaten eingezogen und wird in wenigen Wochen sechs Jahre alt. Silas hat eine starke Form der Muskelschwäche, Spastiken und eine starke geistige Beeinträchtigung. Er lebt mit einem Kurzdarmsyndrom, wird 24 Stunden windelversorgt, sitzt im Rollstuhl und muss bis vor wenigen Monaten durch eine Sonde ernährt werden. Auch er ist eine Kämpfernatur und hat eine unglaubliche Willenskraft. „Er ist eine komplette Wundertüte. Er hat schon so viel geschafft. Er bewegt sich sitzend vorwärts, kommt super mit dem Rollstuhl zurecht und kann an der Hand ein paar Schritte gehen“, berichtet Beckmann stolz.

Im Video: Unerfüllter Kinderwunsch und plötzlich Großfamilie! Das Leben mit vier Pflegekindern

Häusliche Gewalt, Missbrauch und Alkoholkonsum

Ein Junge fährt auf einem elektrischen Quad.
Am liebsten fährt Theo mit seinen elektrischen Gefährten durch den Garten.
RTL Nord

Warum die Kinder aus ihren Familien heraus und in Obhut genommen wurden, darüber darf Nicole Beckmann nicht sprechen. Generell gibt es aber ganz unterschiedliche Gründe, wie sie im Interview ausführt. Oft läge es an häuslicher Gewalt, Missbrauch, Alkoholkonsum, psychischen Erkrankungen, Drogenabhängigkeit oder persönlichen Krisen. Teilweise auch so schwerwiegender häuslicher Gewalt, dass gesunde Kinder durch die Auswirkungen schwerbehindert werden. Was auch immer die Gründe sind, wenn die Familienangehörige Kontakt mit Beckmanns Pflegekindern halten, begleitet sie die Treffen. „Ich vermittle und pflege den Elternkontakt, ohne zu urteilen. Ich möchte mit denen in die Zukunft gucken und nicht in die Vergangenheit. Was mal war können wir alle nicht ändern.“ Im Vordergrund steht für sie jederzeit das Wohl ihrer Pflegekinder.

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„Als ich Kind war wollte ich immer 100 Kinder haben“

Für Beckmann spielen Pflegekinder schon ihr ganzes Leben eine Rolle, auch ihre Eltern haben damals Pflegekinder aufgenommen. „Als ich Kind war wollte ich immer 100 Kinder haben.“ Dieser Gedanke hat sich mittlerweile verworfen, dafür reiche der Platz nicht, so die Hamburgerin schmunzelnd.

Die Pflegemutter hat während der Bereitschaftspflege in sechs Jahren 46 Kinder aus Krisen- und Notsituationen bei sich aufgenommen. Für ihre besonderen Kinder hat sie das alles gerne in Kauf genommen. Ihr Herzenswunsch: „Ich würde mir wünschen, dass es eine integrative Kinder- und Jugendhilfe gibt, wo der Rechtsanspruch für alle Kinder auch durchgeführt wird und alle Kinder in Familien groß werden dürfen.“ Die ersten Schritte dafür sind eingeleitet – 2028 soll es dann endlich so weit sein.

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