Kiel: Zeuginnen sagen gegen Zahnarzt aus"Als ich vom Amoklauf in Kiel hörte, wusste ich sofort, dass es Hartmut ist"

Der Angeklagte Hartmut F. im Gerichtssaal. Foto: RTL Nord
Der Angeklagte Hartmut F. im Gerichtssaal. Foto: RTL Nord
RTL Nord
von Franziska Starck und Thomas Jell

Bei Familie F. war schon lange vor der Tat nichts mehr in Ordnung. Bekannte versuchten damals schon zu helfen – ohne Erfolg. Hartmut F. war nicht mehr zu stoppen. Das wird am Montagvormittag (7. März 2022) bei den Zeugenaussagen im Kieler Landgericht deutlich. Beim Prozess um den mutmaßlichen Dreifachmord gegen den Zahnarzt Hartmut F. aus Westensee (Kreis Rendsburg-Eckernförde) klar. Heute, am vierten Prozesstag, wurden drei Zeuginnen angehört. Der Angeklagte schweigt derweil weiter.

Hartmut F. habe seine Frau oft alleine gelassen

Eine Nachbarin von Hartmut F. tritt heute in den Zeugenstand. Über eine Stunde wird sie angehört. Sie macht deutlich, dass das Familienleben alles andere als normal ablief: Die Ehefrau des Angeklagten war häufig alleine. Auch als sie hochschwanger war. Hartmut F. habe seine Ehefrau einfach nicht unterstützt.

Laut Zeugenaussage verreiste der Angeklagte häufiger über ein Wochenende oder auch mal über mehrere Monate. Seine Ehefrau habe geahnt, dass er sie betrügt und deswegen die ganzen Reise machte. Eine Kreditkartenabrechnung habe dann ihre Vermutung bestätigt. Sie hätte aber eine Art gehabt, die alles weglächelte, so die Zeugin vor Gericht. Sie erzählt weiter, dass sie das damals unerhört fand und Hartmut F. eine Ansage machte: „Ich finde es furchtbar, wie du dich benimmst und deine Familie im Stich lässt“, wirft sie dem 48-Jährigen damals vor.

"Was macht ihr, wenn der Irre mit 'ner Wumme auftaucht?"

Die Nachbarin erinnert sich auch an eines der Opfer – ein Freund der Familie, ihn soll Hartmut F. als drittes erschossen haben. Dieser Freund habe den Ausbau der Zahnarztpraxis von Hartmut F. als Elektriker begleitet – und darüber hinaus auch viel für die Familie gearbeitet und sich sehr um die Ehefrau gekümmert. Die Zeugin vermutet, dass dieser Freund und die Ehefrau eine Affäre gehabt hätten und bestätigt: Der Freund hatte Angst vor Hartmut. Beim Osterfeuer soll er sie gefragt haben: „Was macht ihr, wenn der Irre mit ‘ner Wumme auftaucht?“ Am selben Tag habe der Angeklagte seinen Freund beschimpft: „Ich mache dich fertig. Geld kriegst du von mir auch nicht.“

Allen sei bewusst gewesen, dass Hartmut F. im Besitz von Waffen war. Diese waren in seiner Zahnarzt-Praxis in einem Tresor weggeschlossen. Außerdem soll er mehrere Tausend Euro Schulden gehabt haben.

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Der Zahnarzt sei sehr eifersüchtig gewesen

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Hartmut F. sei sehr eifersüchtig gewesen. Als er erfuhr, dass seine Frau sich bei einer Dating-Plattform angemeldet hatte, war das für ihn wie eine rote Linie, die überschritten wurde, erzählt die Zeugin. Vor der Tat habe er dann noch mit vielen Leuten gesprochen – unter anderem mit einem Pastor. Die Nachbarin habe immer wieder mit ihm gesprochen, ihn ermahnt mit dem Stalking aufzuhören und seinen Kindern ein guter Vater sein. Diese Worte hätten Hartmut F. aber nicht erreicht. „Ich wusste, dass er durchdreht“, erinnert sich die Nachbarin.

Hartmut F. "war wahnsinnig"

Beim Prozess vor einer Woche sagte bereits ein Zeuge aus – ein langjähriger Freund von Hartmut F.. Er habe den Angeklagten am Vortag der Tat getroffen: "Er konnte nicht mehr, war wahnsinnig", "er war schon nicht mehr richtig in der Gegenwart", erzählt er vor Gericht.

Die Staatsanwaltschaft stuft alle Taten als Mord aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen ein. Der Angeklagte schwieg im Prozess bisher. Er will sich laut Verteidigern möglicherweise am 10. März äußern. Ihm drohen lebenslange Haft und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Damit wäre eine Haftentlassung nach 15 Jahren unwahrscheinlich. Das Urteil wird am 30. März erwartet.

Der Angeklagte soll drei Menschen erschossen haben

Laut Aussagen soll 48-Jährige es nicht ertragen haben, dass sich seine Frau nach seinen Seitensprüngen und Gewalttätigkeiten endgültig von ihm trennte und einen neuen Mann kennenlernte. Am 19. Mai 2021 soll der Mann zuerst seine von ihm getrennt lebende Ehefrau und deren neuen Bekannten in Dänischenhagen mit einer Maschinenpistole erschossen und danach in Kiel einen gemeinsamen Bekannten mit einer halbautomatischen Pistole getötet haben. Mit der zweiten Waffe stellte er sich noch am Tatabend in Hamburg der Polizei.