Es gibt keinen Grund, Corona „zu verbesondern“Experten in Schleswig-Holstein fordern Ende der Masken- und Isolationspflicht

 Die FFP2-Maskenpflicht gilt für öffentliche Nahverkehrsmittel wie Busse und Bahnen einschließlich Bahnhöfe und Haltestellen sowie für den Einzelhandel in Bayern. Im Bild U-Bahn Haltestelle Schoppershof Symbolbild, Themenbild, Model Release Nürnberg, 14.01.2021 *** The FFP2 mask obligation applies to public means of transport such as buses and trains including railway stations and stops as well as to the retail trade in Bavaria In the picture U Bahn stop Schoppershof symbol picture, theme picture, model release Nuremberg, 14 01 2021 Foto:xD.xAnoraganingrumx/xFuturexImage
Wenn die Politik der Empfehlung folgt, fällt die Maskenpflicht in Bus und Bahn in Schleswig-Holstein (Symbolbild).
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Die Experten in Norddeutschland sind dafür, Corona-Schutzmaßnahmen zurückzufahren. Bei einer Anhörung am Donnerstag im Landtag in Kiel rieten sie der Politik zu einem veränderten Umgang mit der Krankheit.
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Mehr Selbstverantwortung, weniger Pflichten

Endlich wieder ohne Maske Bahn fahren! Das könnte bald möglich sein, wenn die Politik in Schleswig-Holstein dem Rat der Expertenrunde folgt. Die befürwortet nämlich eine Gleichstellung von Corona mit anderen Viruserkrankungen und damit eine Entschärfung der Masken- und Isolationspflicht. Bedeutet: Einen Quarantäne-Zwang soll es ihrer Meinung nach nicht mehr geben, dennoch sei Selbstverantwortung gefragt. Wer Symptome habe, solle zu Hause bleiben, bis sie abgeklungen sind.

Sind FFP2-Masken überflüssig?

Der Grund: Die Situation habe sich völlig verändert und sei mit der von 2020 und 2021 nicht vergleichbar, sagte der Leiter des Instituts für Infektionsmedizin an der Uni Kiel, Prof. Helmut Fickenscher, in der Anhörung vor dem Sozial- sowie dem Innen- und Rechtsausschuss. Er verwies auf eine sehr hohe Impfquote im Norden und auf eine hohe Genesenenquote.

Sofern sich die Lage nicht grundsätzlich ändere, sollten einschränkende Maßnahmen minimiert werden, sagte Fickenscher. Er riet zum Beispiel dringend dazu, die Maskenpflicht in Gemeinschaftsräumen von Pflegeheimen abzuschaffen. Diese sei fast schon sittenwidrig. Fickenscher plädierte zudem gegen Maskenpflicht in Bus und Bahn. FFP2-Masken in der Öffentlichkeit seien völlig übertrieben.

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Hendrik Streeck: Die Isolationspflicht kann aufgehoben werden

Zu den umstrittenen Themen gehört auch die Isolationspflicht für Infizierte. Diese sei ein zahnloser Tiger geworden, sagte der zugeschaltete Virologe Prof. Hendrik Streeck von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und verwies auf eine sehr hohe Dunkelziffer bei Infektionen. Viele ließen sich nicht testen. Die Isolationspflicht könne aufgehoben werden. „Wir müssen beginnen, staatliche Verordnungen zurückzufahren.“ In der aktuellen Phase gehe es nicht mehr darum, jede Infektion zu vermeiden, sondern schwere Verläufe. Streeck befürwortete einen Umstieg von Pflichten auf Gebote: Wer sich krank fühle, sollte zu Haus bleiben. Auch massenhafte Tests von Klinikmitarbeitern seien nicht zielführend.

Experten warnen vor Grippe-Welle

ARCHIV - 26.02.2013, Schleswig-Holstein, Kiel: Der Virologe Helmut Fickenscher, Leiter des Instituts für Infektionsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, steht in einem Labor. (zu dpa «Virologe: Höhere Corona-Zahlen im Herbst zu erwarten») Foto: Carsten Rehder/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Einer der Experten: Virologe Helmut Fickenscher
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Gleichzeitig warnen die Corona-Experten jedoch vor einer schweren Grippe-Welle in den kommenden Monaten. Bei einer zu starken Fokussierung auf Sars-CoV-2 seien andere Atemwegserkrankungen nicht ausreichend im Blick, so der Direktor der Klinik für Infektiologie am Uniklinikum in Lübeck, Prof. Jan Rupp.

Es müsse auch mental eingeordnet werden, dass Sars-CoV-2 eine Viruserkrankung von mehreren sei. Derzeit gebe es keinen Grund, eine Covid-19-Infektion „zu verbesondern“, sagt der Ärztliche Direktor der Lungenklinik Großhansdorf, Prof. Klaus Rabe. Er forderte einen „symptomorientierten Umgang“. Die Krankenhäuser seien extrem unter Druck, Notaufnahmen extrem voll. „Wir brauchen eine Normalität, um wieder arbeitsfähig zu sein.“ Das bestehende Regelwerk entspreche nicht mehr der Situation.

Und auch in Bezug auf eine nahende Grippe-Welle wird die Maskenpflicht in der Anhörung zum Thema: Fickenscher ist dafür, Empfehlungen aus der Corona-Pandemie, wie eine Maske zu tragen und Distanz zu halten, auch hier zur Eindämmung zu befolgen.

Die Corona-Lage in Schleswig-Holstein bessert sich

Im Hinblick auf die Corona-Infektionszahlen bessert sich die Lage in Schleswig-Holstein aktuell, die Zahlen sind wieder gesunken. Am Mittwoch lag die Inzidenz bei 298,4, wie aus Daten der Landesmeldestelle hervorging. Eine Woche zuvor hatte sie noch 451,8 betragen.

Die Politik nimmt die Empfehlungen der Experten ernst. Vivien Albers, Sprecherin des Landtag Schleswig-Holstein, zu RTL: „Es wird in den zuständigen Ausschüssen weiter beraten. Die Empfehlungen werden in die politische Arbeit der Abgeordneten einfließen.“ Die Entscheidung über die Isolationspflicht sei zwar Bundessache, über die Maskenpflicht hingegen könne vom Land eigenständig entschieden werden. (dpa/sis)