RTL/ntv-Recherchen zeigen
Chaos-Wahl in Berlin: AfD-Fraktion stimmte offenbar nicht in voller Stärke für Wegner
Was für ein holpriger Start des schwarz-roten Bündnisses in Berlin! Der neue Bürgermeister braucht drei Anläufe um gewählt zu werden. Und dann betont die AfD auch noch für Wegner gestimmt zu haben. Doch das ist zumindest nicht geschlossen der Fall, wie Recherchen von RTL/ntv zeigen.
„Ich habe in allen drei Wahlgängen gegen Wegner gestimmt“

Die AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat am Donnerstag nicht in voller Stärke für den CDU-Spitzenkandidaten Kai Wegner (CDU) im dritten Wahlgang gestimmt. So sagte der AfD-Abgeordnete Hugh Bronson gegenüber RTL/ntv: „Ich habe in allen drei Wahlgängen gegen Wegner gestimmt.“ Bronson begründete seine Entscheidung damit, dass sich Wegner im Koalitionsvertrag „fast allen Forderungen des linken Flügels in der SPD gefügt“ habe. Gegenüber RTL/ntv hatten sich bis 6 Uhr am Freitagmorgen 13 von 17 Mitglieder der Berliner AfD-Fraktion zurückgemeldet. Davon gaben 12 an, für den neuen Regierenden Bürgermeister Kai Wegner gestimmt zu haben.
Die AfD-Fraktion hatte direkt nach dem dritten Wahlgang verlautbaren lassen, dass sie im dritten Wahlgang für den CDU-Kandidaten Wegner gestimmt habe.
SPD und CDU wiesen sich zunächst gegenseitig die Schuld zu
Der neue Senat will nun aber schnell zum Tagesgeschäft übergehen. Die zehn Senatorinnen und Senatoren werden am Freitag zu einer ersten Arbeitssitzung zusammenkommen. Zudem sollen die Amtsübergaben erfolgen.
Die Mitglieder des Senats waren am Donnerstag nach einem stundenlangen Wahlkrimi vereidigt worden. CDU-Landeschef Kai Wegner erreichte im Abgeordnetenhaus erst im dritten Wahlgang die Mehrheit, um als Nachfolger von Franziska Giffey (SPD) und als erster CDU-Politiker seit Eberhard Diepgen 2001 ins Rote Rathaus einzuziehen.
Zweimal war der 50-Jährige zuvor gescheitert – obwohl CDU und ihr Koalitionspartner SPD über genügend Mandate verfügen. Da die AfD erklärte, im dritten Wahlgang für Wegner gestimmt zu haben, gab es Spekulationen, der neue Regierungschef hätte von der Unterstützung der Partei abhängig gewesen sein können.
Vertreter von CDU und SPD wiesen dies zurück. Politiker der beiden Parteien hatten sich zunächst gegenseitig die Schuld für das Wahl-Debakel zugeschoben – sie vermuteten Abweichler in den Reihen der jeweils anderen Partei. In der SPD etwa gab es große Vorbehalte gegen die sogenannte große Koalition. Heftige Kritik an den beiden neuen Regierungsparteien kam von Grünen und Linken.
Politik-Experte: "Autorität ist angeschlagen"

„Das Grundproblem von Herrn Wegner besteht darin, dass seine Autorität mit dem heutigen Tag bereits in zweifacher Hinsicht angeschlagen ist“, sagt Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke im RTL/ntv-Gespräch. „Zum einen hat er es mit einem Koalitionspartner zu tun, der SPD, die zutiefst gespalten ist, die nicht geschlossen hinter dieser Regierung steht. Und zum zweiten, wenn man erst im dritten Wahlgang gewählt wird, besitzt man von vorneherein nicht die Autorität, die man für einen starken Senat bräuchte."
„Es war ein schwieriger Start, das ist doch gar keine Frage. Und auch kein guter Start für eine Koalition. Aber wir haben auch eine schwierige Phase gehabt, wir hatten einen harten Wahlkampf, wir hatten schwierige Sondierungsgespräche“, sagt Wegner im RTL-Interview.
Mit Blick auf die AfD sagte Wegner beim „RBB“: „Ich glaube, dass die AfD hier chaotisieren will.“ Er könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, „dass die AfD einen Regierenden Bürgermeister wählt, der die größte AfD-Jägerin aus ganz Deutschland nach Berlin holt.“ Wegner dürfte sich dabei auf die neue Justizsenatorin Felor Badenberg beziehen, die zuvor im Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitete. (eku/dpa)
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