Chaos am Flughafen in Kabul

Flucht aus Afghanistan: Menschen klammern sich an startende Flugzeuge

Die Situation in Afghanistan spitzt sich weiter zu. Immer mehr Menschen versuchen aus dem Land zu kommen. Besonders am Flughafen in Kabul herrscht Chaos. Viele Menschen versuchen verzweifelt, an Bord einer Evakuierungsmaschine zu gelangen. Auch die Lage der Ortskräfte vor Ort spitzt sich zu: Bisher wurden diese in geschützten geheimen Orten untergebracht, den sogenannten „Safe Houses“. Nun wurden sie angewiesen, diese zu verlassen.
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Probleme bei Bundeswehr-Luftbrücke

People try to get into Hamid Karzai International Airport in Kabul, Afghanistan August 16, 2021. REUTERS/Stringer NO RESALES. NO ARCHIVES
Menschen versuchen zum Internationalen Flughafen Kabul zu gelangen.
MI/sal, REUTERS, STRINGER

Viele Menschen wollen das Land so schnell wie möglich verlassen. Ein Weg führt über den Flughafen von Kabul. Doch auf diesem herrscht mittlerweile Chaos. Die Menschen überrennen diesen förmlich.

Die USA setzen nun zunächst alle Evakuierungsflüge vom Kabuler Flughafen aus. Diese Maßnahme sei nötig, weil Menschen auf die Pisten gelaufen seien, sagt ein Mitglied der US-Armee der Nachrichten-Agentur Reuters. Der Armee-Angehörige, der nicht namentlich genannt werden will, sagt jedoch nicht, wie lange die Flugpause dauern soll.

Auch die Bundeswehr könnte mit diesem Problem zu kämpfen haben. Die Bundeswehr setzt Maschinen vom Typ A400M ein, um Menschen außer Landes zu bringen. Sie sollen in den nächsten Tagen zentraler Bestandteil einer „Luftbrücke“ sein, über die neben den Botschaftsmitarbeitern auch andere deutsche Staatsbürger sowie Ortskräfte, die für die Bundeswehr oder Bundesministerien in Afghanistan gearbeitet haben oder noch arbeiten, nach Deutschland kommen. Die Flugzeuge bringen Betroffene aus Afghanistan zunächst nach Taschkent im Nachbarland Usbekistan, von dort geht es mit zivilen Maschinen dann weiter nach Deutschland.

Taliban gehen von Tür zu Tür

Eine von Bundeswehrsoldaten gegründete Hilfsorganisation löst nach eigenen Angaben ihre Unterkünfte für afghanische Helfer in Kabul auf, damit die Häuser nicht zu Todesfallen werden. "Safehouses gerade aufgelöst, Taliban gehen von Tür zu Tür, wenn Rettung noch kommt, wird sie zu spät sein", sagt der Vorsitzende des Patenschaftsnetzwerkes Afghanische Ortskräfte, Marcus Grotian. "It’s over." Ortskräfte vor Ort, die für die Bundeswehr zum Beispiel als Dolmetscher im Einsatz waren, stehen nun auf der Straße. Ihnen wurde angeordnet, aus den Safe Houses zu fliehen. Wohin wurde ihnen allerdings nicht mitgeteilt.

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Kabul: Ortskräfte vor Ort sind verzweifelt

Noch am Morgen hatten viele Ortskräfte in mehreren Safe Houses in Kabul ausgeharrt und auf Rettung gehofft. Ein Teamleiter vor Ort, der als Dolmetscher für die Bundeswehr tätig war, versuchte die Menschen zu beruhigen, ihnen Essen und Geld zu besorgen. Doch die Angst um das eigene Leben ist groß. Die Safe Houses zu verlassen könnte nun aber genauso gefährlich sein, wie dort zu bleiben: Viele wissen nicht wohin. Die Hoffnung, Platz in einem Flieger am Flughafen zur sicheren Ausreise aus Afghanistan zu bekommen, ist gering. Allein der Weg zum Flughafen sei schon gefährlich.

Der Dolmetscher aus Kabul hofft nun auf Rettung aus Deutschland: Seine Bitte: „Dass die ein bisschen schneller reagieren, ansonsten sind wir alle verloren!“ Doch die Hilfe der Bundesregierung und des Auswärtigen Amtes lässt auf sich warten. Das Auswärtige Amt weiß derzeit nicht, ob es Hilfestellung beispielsweise beim Weg von den Safe Houses zum Flughafen leisten kann. Um diesen gefährlichen Weg trotzdem auf sich zu nehmen, bräuchten die Ortskräfte vor Ort die Sicherheit, dass am Flughafen auch wirklich ein Flugzeug zur Ausreise auf sie wartet.

Ein weitere Bundeswehr-Ortskraft, die sich mittlerweile in den Niederlanden aufhält, berichtet RTL von einem aktuellen Kontakt in Kabul und den Zuständen vor Ort: Viele Familien wissen nicht, was sie tun sollen: Es herrscht Chaos. Durch Sicherheitsprobleme am Flughafen würden ihr Flüge nach Deutschland gecancelt – obwohl ihnen versprochen wurde, dass sie mit einem Charterflug nach Deutschland gebracht werden und dort ein Visum bekommen. Nun stehen sie ohne alles da und warten verzweifelt auf Informationen aus Deutschland.

Menschen, die evakuiert werden, sollen nach Angaben Bundesregierung auch nach Deutschland weiterreisen dürfen. Das versicherte eine Sprecherin von Bundesinnenminister Horst Seehofer. Seehofer hatte am Freitag erklärt, Visa könnten auch erst nach der Einreise nach Deutschland erteilt werden.

Annegret Kramp-Karrenbauer will uneingeschränkt unterstützen

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte in einem Statement am Mittag über das weitere Vorgehen der Bundeswehr in Afghanistan berichtet. So soll es weiterhin eine uneingeschränkte Unterstützung für das Land geben. Die Luftbrücke müsse unter allen Umständen aufrecht erhalten werden. Es müssten so viele Menschen wie möglich aus dem Land herausgeholt werden. Dies sei der Auftrag der Bundeswehr. (dpa/khe)