Bundesregierung stoppt Militärhilfe an Russland: Ernsthaftes Signal aus Deutschland
Deutschland hat erstmals ein ernsthaftes Zeichen gegen die Annektierung der ukrainischen Halbinsel Krim gesetzt. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) stoppte ein Geschäft des Rüstungskonzerns Rheinmetall mit der russischen Armee.

Auch wenn das Geschäft nur vorerst gestoppt ist, sendet die Bunderegierung damit dennoch ein klares Signal nach Moskau, dass es die Einverleibung der Krim für völkerrechtswidrig hält.
"Die Bundesregierung hält in der gegenwärtigen Lage die Ausfuhr des Gefechtsübungszentrums nach Russland für nicht vertretbar", teilte das Wirtschaftsministerium mit. Das Geschäft hat eine Größenordnung von etwa 120 Millionen Euro.
Man stehe in Kontakt mit Rheinmetall. Derzeit seien keine Lieferungen für das Gefechtsübungszentrum vorgesehen, berichtete das Ministerium weiter. Das Düsseldorfer Unternehmen werde rechtzeitig über geplante Ausfuhren informieren, "damit die Bundesregierung im Licht der weiteren Entwicklungen gegebenenfalls notwendige Schritte ergreifen kann", hieß es.
Im russischen Mulino - das in der Nähe von Nischni Nowgorod liegt - will Rheinmetall eigentlich noch in diesem Jahr die hochmoderne Anlage fertigstellen. Dort können jährlich bis zu 30.000 Soldaten ausgebildet werden. Zuvor hatten unter anderem die Grünen die Regierung wegen Moskaus Verhalten in der Krim-Krise aufgefordert, das Rheinmetall-Geschäft aufzuhalten. Kritik gibt es zudem am geplanten Milliarden-Verkauf der RWE-Öl- und Gasfördertochter Dea an einen russischen Investor.
"So lange Russland diesem dunklen Pfad folgt, wird es Isolation erfahren"

Derweil treibt Moskau im Eiltempo die Angliederung der Krim an die russische Föderation voran. So teilt Russland nun offiziell Pässe auf der von Kiew abtrünnigen Halbinsel aus. "Alle Einwohner der Krim, die sich an die Behörden wenden, erhalten einen Pass, da sie seit gestern Bürger der Russischen Föderation sind", sagte der Chef der Migrationsbehörde, Konstantin Romodanowski. Die Ratifizierung des von Putin und der moskautreuen Krim-Führung unterzeichneten Vertragswerkes ist nur noch Formsache – und eine Frage der Zeit.
Ebendiese scheint für die ukrainischen Truppen auf der Schwarzmeer-Halbinsel mittlerweile abgelaufen. Dutzende pro-russische Kräfte stürmten das Gelände der ukrainischen Marine in Sewastopol, um kurze Zeit später dort die russische Flagge zu hissen. Ukrainische Soldaten und ihre Kommandeure übergaben den Stützpunkt kampflos. Es habe weder Gewalt noch Verletzte gegeben. Die Krim-Führung hatte zuvor die ukrainischen Soldaten auf der Halbinsel zum Seitenwechsel aufgefordert. Das ukrainische Verteidigungsministerium wiederum erteilte die Erlaubnis zum Waffeneinsatz zur Selbstverteidigung. Einer Delegation der Übergangsregierung in Kiew verwehrte man den Zugang zur Schwarzmeer-Halbinsel. Krim-Ministerpräsident Sergej Axjonow sagte: "Sie sind nicht willkommen auf der Krim, keiner wird sie einreisen lassen, sie werden zurückgeschickt", zitiert ihn die Agentur Interfax.
Am Vortag waren bei Scharmützeln in Simferopol ein ukrainischer Soldat und ein pro-russischer Aktivist getötet worden. Beide Seiten warfen sich "Provokationen" vor. Ein Heckenschütze soll die Schüsse abgegeben haben, um die Panik zu schüren.
Von "unverhüllter Aggression" sprach in diesem Zusammenhang US-Vizepräsident Joe Biden. "So lange Russland diesem dunklen Pfad folgt, wird es wachsende politische und wirtschaftliche Isolation erfahren", sagte er in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Ebenso wie bei seinem Besuch in Polen am Vortag versicherte Biden der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaite und ihrem lettischen Amtskollegen Andris Berzins US-Bündnistreue im Rahmen der Nato.
Die Annexion der Krim sei "nicht nur eine Bedrohung für die Ukraine, sondern für die gesamte internationale Gemeinschaft", sagte Grybauskaite. "Dies ist eine direkte Bedrohung unserer regionalen Sicherheit." Berzins nannte die Situation alarmierend. "Der Ukraine muss sowohl politisch als auch wirtschaftlich geholfen werden", sagte er. Neben einer sofortigen Deeskalation seien langfristige Lösungen für eine "Sicherheitsarchitektur" gefragt, sagte er.
Beim EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag und Freitag wollen die Staats- und Regierungschefs eine gemeinsame europäische Antwort geben. Die Bundesregierung rechnet dabei nicht damit, dass der Gipfel eine weitreichende Verschärfung der Sanktionen gegen Moskau beschließen wird. Wie es aus Regierungskreisen hieß, würde die Stufe Drei des Anfang März beschlossenen Sanktionsplans nur bei einer weiteren massiven Destabilisierung über die Krim hinaus greifen.
Gesprochen werde aber voraussichtlich über zusätzliche Maßnahmen der Stufe Zwei, also über weitere Reisebeschränkungen und das Einfrieren von Konten. Die EU-Außenminister hatten solche Sanktionen zu Wochenbeginn bereits gegen 21 Verantwortliche aus Russland und der Krim verhängt. Betroffen ist aber nicht die politische Spitzenebene. EU-Diplomaten in Brüssel schlossen Wirtschaftssanktionen nicht aus. "Das ist ein laufender Prozess", so ein Beteiligter.
Weitaus deutlicher positionierte sich im Vorfeld des Gipfels Großbritannien. So teilte der britische Außenminister William Hague mit, eine militärische Kooperation mit Russland vorerst auszusetzen. Moskau reagierte empört und kritisierte die Entscheidung. Das mache alle positiven Entwicklungen der Vergangenheit zunichte, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax das russische Verteidigungsministerium. Premierminister David Cameron brachte zudem einen permanenten Ausschluss Russlands aus der Gruppe der G8-Staaten ins Gespräch.